Eine „Petersburger Hängung“ lässt der Wand wenig Platz.
Vor dem großen Selbstbildnis: (v.l.) Karl Prossliner, Hubert Scheibe und Walter Rizzi
Auf der Hinterseite zu lesen: Vogelnester
Filmausschnitt: Hubert Scheibe in seinem Elternhaus

„Mensch, sind das Bilder!“

Hubert Scheibes ungewöhnlicher Auftritt im Spazio Rizzi

Publiziert in 20 / 2022 - Erschienen am 8. November 2022

Latsch - Der Ausruf der Besucherin nahm viel von der Einführung durch den Kulturjournalisten Heinrich Schwazer vorweg. Schwazer hatte es übernommen, in eine noch nie dagewesene Ausstellung eine noch nie dagewesene Besuchermenge einzuführen. Erfahrene Spazio-Rizzi Besucher waren zum Teil orientierungslos. Warum so viel? Vor allem Menschenbilder, kindliche und hässliche. Wo ist da ein Anfang? Senior-Hausherr Walter Rizzi drückte sein Staunen aus, mit welch „minutiösem Einsatz beim Anbringen der Bilder vorgegangen worden war“. Der eigentliche Funke, der zur Ausstellung geführt habe, sei eigentlich die Premiere von Karl Prossliners neuestem Film über den Menschen, den Künstler und gebürtigen Resch(n)er Hubert Scheibe. Bürgermeister Mauro Dalla Barba äußerte sich respektvoll zur Bilderflut, die er sich persönlich und im besten Licht zu Gemüte führen werde. Schwazer zeigte sich „unglaublich erstaunt, wie viele Menschen gekommen sind“. Hier – im Bürohaus Rizzi – sei es zu einer „Petersburger Hängung“ gekommen. Es gäbe keine weiße Wand mehr. Die Bilder der „letzten Jahre“ mussten untergebracht werden. Er, Schwazer, habe nur den Titel der Ausstellung erfahren: „Nur wer fast stirbt, lebt richtig.“ So etwas Philosophisches und Kryptisches habe er Hubert Scheibe durchaus zugetraut, aber es sei ein Spruch des Autorennfahrers Niki Lauda gewesen. Spitzbübisches Lachen des Künstlers. Man könne nur Vermutungen anstellen, so Schwazer, was der Künstler gedacht habe und was er mit seiner Kunst ausdrücken möchte. Es seien vor allem Bilder von Menschen, Antlitze, aber auch Selbstportraits. Der Ausdruck reiche von kindlich bis ganz expressionistisch und bis ganz heftig. Scheibe weise auch Einflüsse der „Art brut“ von Jean Debuffet auf und neige zu dessen Haltung, dass die Kunst nicht perfekt sein könne, weil auch der Mensch nicht perfekt sei. Es würden sich zwei Richtungen der modernen Kunst bei Hubert Scheibe vereinen: die Reduktion und die Expression. Scheibe bleibe bei wenig Mitteln, die er expressiv verwende, erkennbar an der Heftigkeit der Striche. „Es gefällt mir an ihm, dass er ein altmodischer Künstler ist“ meinte Schwazer. „Altmodisch ist in diesem Fall nicht abwertend, im Gegenteil. Scheibe ist ein Zeichner, der diesem Medium treu geblieben ist.“ Die spannende Frage sei, ob er sich als Gescheiterten sieht. „Natürlich sieht er sich als gescheitert, aber wir alle sind gescheitert.“ Fast schadenfreudiges Lachen von Hubert Scheibe. Schwazer zitierte Samuel Beckett: „Besser scheitern, immer besser scheitern“. Es folgte der Film mit Hubert Scheibe in seinem verlassenen Elternhaus in Reschen, resignierend vor der Hinterlassenschaft und im Selbstgespräch über seine Rolle als Künstler. Andere hätten ihn als Künstler bezeichnet, nie er sich selbst. Die Ausstellung ist von Montag bis Freitag von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr bis 5. Jänner 2023 zugänglich.

Günther Schöpf
Günther Schöpf

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