Noch ist der gordische Knoten nicht gelöst
Marmortransport-Varianten vorgestellt. Zwischenlösungen weiterhin notwendig. Kaum Chancen für Seilbahn.
Schlanders - Wie soll der Marmor, den die Göflaner Marmor GmbH in Göflan abbaut, in Zukunft zu Tal gebracht werden? Das war die Kernfrage des Informations- und Diskussionsabends, zu dem die Gemeinde Schlanders am 13. Dezember eingeladen hatte. „Wir wollen heute keine politische Debatte führen, sondern künftige Transportmöglichkeiten aufzeigen und sie miteinander vergleichen“, schickte BM Dieter Pinggera vor dem zahlreich erschienenen Publikum im Kulturhaus voraus. Zu den jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen Laas und Göflan bzw. Schlanders, zu den Gerichtsprozessen und Unstimmigkeiten zwischen den zwei Bruchbetreibern hielt er fest, „dass grundsätzlich zwei autonome Transportlösungen in Laas und Göflan angestrebt werden und zwar ohne gegenseitige Abhängigkeiten.“ Einen wichtigen Beschluss habe die geschäftsführende Landesregierung am 27. November gefasst. Demnach sollen Maßnahmen gesetzt werden, um den Abtransport zukünftig über ein einziges Unternehmen zu möglichst gleichen Bedingungen für alle Bruchbetreiber zu gewährleisten. Just am 13. Dezember hatte im Vorfeld der Diskussion eine Sitzung mit allen Akteuren, Vertretern der öffentlichen Verwaltungen, der beteiligten Unternehmen, des Nationalparks und des Instituts für Innovative Technologien stattgefunden. „Die Stunde Null für eine neue Ära im Marmorabtransport hat geschlagen“, sagte Ressortdirektor Klaus Unterweger nach der Sitzung. Nun werde im Ressort Land- und Forstwirtschaft, Zivilschutz und Gemeinden eine Absichtserklärung erarbeitet, die innerhalb 2018 als Entwurf allen Mitgliedern dieser Expertenrunde zugeschickt wird. Bis Mitte Jänner werden Rückmeldungen gesammelt. In der zweiten Hälfte des Monats Jänner trifft sich die Arbeitsgruppe, deren Mitglieder am 13. Dezember benannt wurden. „Es war eine konstruktive Sitzung“, meinte auch Pinggera. Er sei zuversichtlich, „dass diese unendliche Geschichte ein Ende finden und die Quadratur des Kreises gelingen wird.“ Auch mit dem privaten Grundeigentümer Johann Gurschler gelte es, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Die rechtlichen Ansprüche von Gurschler seien zu befriedigen.
Seilbahn-Variante
Als Erster von 5 Experten am Podium stellte Michael Pohl vom Ingenieurteam Peter & Michael Pohl die Variante einer Materialseilbahn mit der Bergstation beim Marmorbruch und der Talstation im oberen Bereich der „Göflaner Wiesen“ vor. Um die 3,7 km lange Seilbahn bauen zu können, wären 8 Stützen mit einer Höhe von 25 bis 35 Metern notwendig. Die Energiebilanz dieser Variante wäre insgesamt positiv, die Schadstoffemission und die Staubent-
wicklung würden vermindert, aber die Auswirkungen auf die Umwelt und das Landschaftsbild wären zum Teil beträchtlich. So müssten etwa beim Schlagen der Schneise rund 1,5 ha Lärchenwald gerodet werden. Der Bau der Seilbahn würde ca. 5,5 Mio. Euro kosten. Auf rund 120.000 Euro würden sich die jährlichen Betriebskosten belaufen. Als großen Knackpunkt nannte Pohl die Tatsache, dass die Marmorblöcke trotz der Seilbahn mittels LKW über eine Reststrecke von 4 km von der Talstation zum Werk nach Schlanders transportiert werden müssten, „also weiterhindurch das Dorf Göflan.“
Diesel-, Elektro- oder Gas-LKW?
Dass der Diesel besser sei als sein Ruf, behauptete Alexander Goller (Mercedes Benz Trucks). Diesel-LKWs der Schadstoffklasse Euro 6 seien dank neuer Technologien „sauber, zuverlässig und leistungsstark.“ Dieter Theiner vom Forschungsinstitut für Innovative Technologien informierte über das Wasserstoffzentrum in Bozen und das Projekt „LIFE“, mit dem das Ziel verfolgt wird, „Südtirol zu einer alpinen Modellregion für emissionsfreie Mobilität zu machen.“ Theiner räume allerdings ein, „dass es heute noch keine emissionsfreien LKWs für den Transport von 30 bis 40 Tonnen schweren Marmorblöcken gibt.“ Daher müsse der Abtransport für einige Jahre noch mit konventioneller Technologie erfolgen, sprich mit Diesel, Flüssiggas oder Hybridlösungen. Über die Möglichkeiten des Einsatzes von Elektro-LKWs sprach Martin Pfattner, Miteigentümer des Unternehmens BerMarTec GmbH in Lana. Der Grundgedanke sei es, den herkömmlichen LKW-Motor mit den gleichen Motordaten durch einen Elektro-Motor zu ersetzen. Bei der Talfahrt könnten ca. 30% der Energie für die nächste Bergfahrt gespeichert werden. Allerdings wären pro Tag höchstens 4 Fahrten möglich und die Kosten wären relativ hoch. Sollte der Auftrag, einen bestehenden LKW auf Elektro-Antrieb umzubauen, jetzt erfolgen, „wäre ein Einsatz für die Saison 2020 realistisch.“ Dass es LKWs mit Flüssiggasantrieb bereits gibt, davon konnte man sich vor dem Kulturhaus überzeugen. „Wir haben eigens einen Gas-LKW auffahren lassen“, sagte Alex Gasser (IVECO). Die Gas-Revolution im Bereich des Schwerverkehrs hat laut Gasser längst begonnen. LKWs, die mit Flüssiggas fahren, brächten sowohl in ökologischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht viele Vorteile mit sich.
Fehlende Infrastrukturen
Das größte Problem in Südtirol seien fehlenden Infrastrukturen, sprich Tankstellen. Gasser plädierte dafür, ein Tankstellennetz im Land aufzubauen und das Projekt „Grüner Korridor“ sofort umzusetzen, und zwar nicht nur über den Brenner, sondern auch durch den Vinschgau: „Wäre es nicht schön, Vinschger Bio-Äpfel mit Gasfahrzeugen zu transportieren?“ Landesrat Arnold Schuler bedauerte in seinem Statement, dass es während der vergangenen Legislaturperiode nicht gelungen sei, das komplexe Thema des Marmorabtransports zu einem Ende zu bringen und eine Gesamtlösung zu finden. Bei einer Seilbahn-Variante in Göflan würde immer noch eine LKW-Reststrecke übrigbleiben. Viel zu investieren wäre auch, wenn man die Schrägbahn in Laas modernisieren würde. Die nun eigesetzte Arbeitsgruppe werde sich bemühen, Lösungen zu finden, „damit der Abtransport in Zukunft nach modernsten Technologien und möglichst emissionsfrei über die Straße erfolgen kann.“ Diese Art von Abtransport soll auch als Grundlage für eine nachhaltige und umweltschonende industrielle Tätigkeit im Nationalpark und für die weitere Entwicklung des Marmors dienen. Ein weiteres Ziel sei es, die Schrägbahn in Laas auch touristisch zu nutzen. Außerdem werde eine gemeinsame Transportgesellschaft angedacht. Überzeugt gab sich Schuler auch, dass es für die nächsten Jahre noch Zwischenlösungen brauchen wird. Seitens des Landes werden wasserstoffbetriebene Transportfahrzeuge favorisiert.
„Startschuss zum Endspurt“
Bei der Diskussion wurde mehrfach deutlich, dass die Seilbahn-Variante kaum Chancen für eine Verwirklichung hat. Selbst Hansjörg Kucera, der den Abend moderierte, meinte, dass diese Variante nicht der „erste Wunsch“ sei. Laut Dieter Pinggera sei die Seilbahn-Variante sozusagen als „Ultima Ratio“ von der Baukommission genehmigt worden. Der Göflaner Fraktions-Präsident Erhard Alber sagte: „Der Seilbahn-Vorschlag klingt zwar gut, aber der Marmor müsste dennoch weiterhin mittels LKW durch Göflan transportiert werden.“ Es werde versucht, die Abbaumenge von jährlich 2.000 Kubikmetern nicht zu überschreiten.“ Bisher habe es zwischen 350 und 360 LKW-Fahrten pro Jahr gegeben. In Göflan wolle man auch in Zukunft am Abtransport über die Straße festhalten. Zum Treffen vom 13. Dezember meinte Alber: „Heute ist der Startschuss zum Endspurt gefallen.“
Die „Sterbende“
Der ehemalige Nationalpark-Direktor Wolfgang Platter aus Laas brach eine Lanze für die Seilbahn, „die Sterbende“, wie er bedauerte. Martin Pfattner gab sich überzeugt, dass die Seilbahn die umweltfreundlichste und beste Lösung wäre, „wenn es möglich wäre, sie bis hin zum Werk zu führen.“ Ein Diskussionsteilnehmer kritisierte, dass nach über 10-jährigen Streitereien und Prozessen, bei denen auch Steuergeld verwendet wurde, noch immer keine gemeinsame Lösung gefunden wurde. Der Streit sei aus einer Wettbewerbsverzerrung heraus entstanden. Was bei diesem Thema nicht außer Acht gelassen werde dürfe, „ist die Sicht der Bürgerinnen und Bürger.“
