Soziale Medien und neue Männlichkeiten
Wie digitale Plattformen Unsicherheiten verstärken, antifeministische Botschaften verbreiten – und warum Aufklärung heute wichtiger denn je ist.
Mals - Soziale Medien prägen und beeinflussen, wie junge Menschen sich selbst und andere wahrnehmen. Zwischen Selbstinszenierung, Unsicherheit und offen antifeministischen Botschaften bilden Plattformen ein Umfeld, in dem traditionelle Geschlechterrollen nicht nur weiterleben, sondern oft verstärkt werden. Besonders Männlichkeitsbilder verändern sich rasant, oft problematisch. Der Vortrag „Alte Rollen – Neue Plattformen. Männlichkeit im Social-Media-Zeitalter“, organisiert vom Netzwerk ViA! (Vinschgau in Aktion), widmete sich genau diesen Dynamiken. Es war die erste öffentliche Veranstaltung des Netzwerks zu einem Thema, das intern bereits seit Längerem bearbeitet wird.
Ein Netzwerk gegen Gewalt und für Aufklärung
ViA! (Vinschgau in Aktion) ist der neue Name für das schon seit 2021 aktive Netzwerk gegen Gewalt an Frauen im Vinschgau. In Schlanders wurden 2023 erste Beratungen gestartet, seit März 2025 finden sie wöchentlich statt; ab 2026 werden zusätzlich zweimal im Monat Beratungen auch in Mals angeboten. Beim Vortrag im Pendler*innenhafen in der alten Weberei Salutt in Mals erklärte der Referent Alexander Moschitz zu Beginn den grundlegenden Unterschied zwischen biologischem und sozialem Geschlecht. Antifeministische Positionen berufen sich häufig ausschließlich auf die Biologie: alles, was nicht in dieses Bild passt, werde „wegargumentiert“.
Alte Rollen
Hier kommen auch Rollenbilder ins Spiel, die als biologisch angenommen werden, jedoch gesellschaftlich konstruiert sind, wie der Mutterinstinkt oder das aggressive Verhalten eines Mannes, der durch Testosteron dazu gebracht werde. Ein Mann habe stark, schlau, belastbar zu sein. Ein sogenannter „High Performer“, der sich nach 80 Stunden Arbeit auch noch um seine eigene Fitness und die Familie kümmert. Doch die Kosten dieses Männlichkeitsbildes sind hoch: Männer haben eine geringere Lebense https://www.dervinschger.it/contentcontrol/newspaper/articles/articleimage/show rwartung, eine höhere Suchterkrankungsrate und viermal so häufig gelingt ein Suizid.
Influencer, Tradwives und Pick-Up Artists
Der Abend zeigte auf, wie sogenannte Life Coaches online ein Bild der Überlegenheit des Mannes verbreiten: Erfolg bringe automatisch Anspruch – auch auf Frauen. Alte Familienbilder werden romantisiert und wiederholt. Pick-Up Artists gehen weiter und propagieren Manipulation und teils Gewalt, um „Erfolg“ im Dating zu erzielen. Auch die scheinbar harmlose Welt der Tradwives ist ein Teil dieses Spektrums: Frauen, die sich in traditionellen Rollen inszenieren, perfekt gestylt, immer lächelnd. Und daraus ein lukratives Geschäftsmodell entwickeln. Die dahinterstehende Machtungleichheit wird ästhetisiert und dadurch normalisiert.
Was brauchen Kinder und Jugendliche?
Für Moschitz beginnt Prävention früh: „Man muss Kindern und Jugendlichen Kompetenzen und Wissen mitgeben.“ Besonders jene, die sich abgehängt fühlen, seien anfällig für radikale Online-Inhalte. Teilhabe, Selbstwirksamkeit und klare Grenzen sind entscheidend, um jungen Menschen Orientierung zu geben und gefährlichen Narrativen vorzubeugen. Eine zentrale Rolle spielt außerdem die sexuelle Bildung, die nachweislich am wirksamsten gegen sexuelle Gewalt schützt.
Ein Gesellschaftsproblem
Langfristig braucht es jedoch mehr als Medienkompetenz: Um dieses Phänomen abzuschaffen, wäre allerdings ein Systemwandel notwendig. Hin zu einem System, das auf Solidarität und Gemeinschaft beruht.