Am 12. April war es zum Zugunglück in der Latschander gekommen.

Unvorhersehbares Unglück

Publiziert in 43 / 2015 - Erschienen am 2. Dezember 2015
Nach fünf Jahren wurde ein endgültiger rechtlicher Schlussstrich in der Causa Latschander gezogen. Alle Angeklagten wurden vollständig freigesprochen. LATSCH - Rund 200 Kubikmeter Erdmaterial waren an jenem 12. April 2010 auf die Gleise der Vinschgerbahn in der Latschander, zwischen Latsch und Kastelbell, gerutscht und hatten den vorbeifahrenden Zug erfasst. Die Schreckensbilanz: Neun Tote und zahlreiche Verletzte. Bald wurde klar, dass es aufgrund eines defekten Ventils in einer Beregnungsanlage des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau, zum Wasseraustritt gekommen war. Langwierige Ermittlungen folgten. Schlussendlich war es ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes erstes Gutachten, das zur Anklage führte. Demnach sei unter anderem mangelnde Wartung ein Auslöser der Katastrophe gewesen. Eine Expertise, die später seitens zahlreicher weiterer Gutachter und Experten, die das Ventil mehrmals prüften, eindeutig widerlegt wurde. Hinter vorgehaltener Hand wird dieses erste Gutachten im Nachhinein aufs Schärfste kritisiert. Dennoch mussten die vier Angeklagten, die Verantwortlichen des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau, Lothar Burger und Gottfried Niedermair, der Vorsitzende der Arbeitsgruppe zur Beregnungsanlage, Armin Trafoier und Beregnungswart Walter Pirhofer, allesamt aus dem Vinschgau, sich in einem Strafverfahren verantworten. Wurden zivilrechtlich die Entschädigungen durch die diversen Versicherungen des Landes, des Bonifizierungskonsortiums, der SAD und Solidaritätsbeiträge der Bauern alsbald veranlasst und auch Vorwürfe gegen weitere Personen rund um die Betreiber der Vinschgerbahn schnell fallengelassen, begannen für die vier Vinschger Jahre des Bangens. „Wir wussten zwar, dass wir unschuldig sind, aber man weiß ja nie“, betonte unter anderem Gottfried Niedermair, der Präsident des Bonifizierungskonsortiums. Vollständiger Freispruch Vergleiche kamen für die Beschuldigten nie in Frage. Schuldig fühlte sich keiner, alle wollten den vollständigen Freispruch. Noch vor dem Urteil herrschte Klarheit: ein vom Gericht in Auftrag gegebenes „Supergutachten“ hatte die Angeklagten vollständig entlastet. Weder Nachlässigkeit bei der Wartung noch ein falscher Filter haben demnach zum Unglück geführt. Für Alberto Molinari, Professor für Metallurgie an der Uni Trient, war die Sache genau wie für die Gutachter der Verteidigung klar: Das Unglück war völlig unvorhersehbar, durch Abnutzung sei ein Riss im Ventil entstanden, der aber von außen leider nicht sichtbar war und somit den Wasseraustritt auslöste. Selbst Staatsanwalt Axel Bisignano verwarf in seinem Plädoyer schlussendlich die Anschuldigungen und forderte einen Freispruch was das fahrlässige Herbeiführen eines Eisenbahnunglücks betrifft. Das Gericht sprach alle Vier in sämtlichen Anklagepunkten frei. AM
Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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