Vermenschlichungsfantasien

Publiziert in 19 / 2017 - Erschienen am 23. Mai 2017

Wortspaltung (81) - „Inzwischen lebt Douglas mit einer neuen Partnerin in seiner badischen Altersresidenz zusammen“, erfahre ich aus der Zeitung. Das ist doch eine positive Nachricht. Genau wie der Hinweis daneben, dass das „Hotel an der Wiese“ (Name geändert) über Zimmer mit Tageslicht, Fußbodenheizung und Fernsehgeräten verfügt. Übrigens: Douglas ist ein Papagei und die Zimmer sind für Hunde. Die Vermenschlichung von Tieren nimmt manchmal schon bedenkliche Ausmaße an. Wissenschaftler sprechen sogar von einer „fortschreitenden Bambisierung“. Aber nicht nur Tiere werden vermenschlicht. „Alexa, frag die Post, wo mein Paket ist“, ist keine Aufforderung an die Ehefrau, sondern an einen virtuellen Assistenten, eine Maschine. Im Film „Her“ wird die Idee weitergesponnen. Der Hauptdarsteller führt dort eine Beziehung mit einem Betriebssystem – bis dieses auf Nachfrage zugibt, 8.316 weitere Partner zu haben und in 641 davon sogar verliebt zu sein. Schöne neue Welt? Aber solange mich Mr. Big und Franka – mein Kühlschrank und meine Klospülung – nicht verlassen, brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen. 

Christian Zelger
Christian Zelger

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