Die Höhenkirche St. Ägidius über Kortsch gehört zu den Wahrzeichen des Vinschgaus.
Kirchenführerin Siegrid Rosa und Museumsleiterin Tanja Flarer vermittelten die Romanik um St. Prokulus.
Der Heilige Ägidius soll sich auf seiner Flucht von der Milch einer Hirschkuh ernährt haben.

Wanderung oder Wandmalerei

Von Burgeis bis Neumarkt und über Vahrn nach Innichen war „mystische Romanik“ angesagt.

Publiziert in 35-36 / 2021 - Erschienen am 26. Oktober 2021

Naturns/Kortsch - Noch sind mit einem ausgefüllten Tag der Romanik keine sportlichen Sporen zu verdienen, noch ist es ein Tag der Kultur. Ob es so bleiben wird? Findige Vermarkter könnten den Radtag der Romanik ausrufen. Mit gestempelter Bestätigung zur Preisverteilung für den oder die, der oder die mit Beinkraft und Puste die meisten der 28 angeführten Kulturstätten zwischen Benediktinerstift Marienberg und Stiftskirche Innichen besucht hat. Wenn dann ein Bilderbuchwetter wie am 9. Oktober 2021 hinzukommt, kann man – theoretisch - gar nicht mehr genug bekommen von dieser europäischen Geisteshaltung und Kunstströmung. Das Wetter zwang allerdings zur Entscheidung: Wanderung oder Wandmalerei? So geschehen und gesehen an einem Südtiroler Kleinod frühmittelalterlicher Kunst, an der Kirche St. Prokulus in Naturns. Bibliothekarin Gabriela Hofer hatte die „Pandemie-Ausweise“, zu Deutsch „Griin-Pass“, zu kontrollieren und hörte mehrmals den Satz: „Nein, nein, bei diesem Wetter gehen wir wandern und schauen uns die Kirche später an!“ Doch Naturns schöpfte aus seinem großen Gästepool und so wurde es für Museumsleiterin Tanja Flarer und Kirchenführerin Siegrid Rosa dann doch ein bewegter Vormittag. An die 90 Kirchenbesucher, darunter etwa acht Einheimische und auch junge italienischsprachige Studenten ließen sich in die Wandmalereien einführen und waren begeistert. Sie gaben sogar eigene Beobachtungen und Erkenntnisse zum Besten. Von der Romanik mit Innenblick in Naturns zur Romanik mit Fernblick in Kortsch. „Eingebettet in die Steinterrassen des Kortscher Steppengürtels erinnert das kleine, romanische Gotteshaus (St. Ägidius) an eine mediterrane Felsenkirche“, teilt die Webseite „Stiegenzumhimmel“ mit und gibt kunstgeschichtliche Hinweise auf die achteckige Turmspitze und das übergroße Christophorus-Fresko an der Südfassade. Sogar zu den Wahrzeichen des Tales wird die Kultstätte des Bauern- und Jäger-Heiligen Ägidius hoch über Kortsch gerechnet. Der Fernblick am Romanik-Tag war tatsächlich überwältigend und wurde im Gegensatz zu St. Prokulus ausschließlich von Einheimischen genossen. Dass sich die Besucher großteils in devoter, gebückter Haltung dem Kirchlein näherten, hatte weniger mit Frömmigkeit als mit der Tätigkeit des Kastanien-Sammelns zu tun.

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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