„Wer entscheidet über die Prader Naturlandschaft?“
Kann eine Grillstelle den Nationalpark volksnäher machen oder wird ursprüngliche Landschaft zerstört?
Prad am Stjilfserjoch - Zum ersten Mal in der Ratssitzung vom 21. Juni erwähnt wurde Patzleid unter dem Tagesordnungspunkt 2 „Bericht des Gemeindeausschusses über die Verwaltungstätigkeit“. Es war Vizebürgermeisterin Michael Platzer, die als „Co-Zuständige für Tourismus“, mit dem Projekt „Grillplatz in Patzleid“ ihren Rückblick eröffnete. „Ich möchte mich aber nicht mit fremden Federn schmücken“, meinte sie, „denn die Leitung des Gesamtprojektes hatte nicht die Gemeinde Prad über, sondern die IDM Südtirol (Innovation Development Marketing) mit Lukas Stecher als Zuständigen für die Vermarktung des Nationalparks Stilfserjoch.“ Neben passenden Sitzplätzen sei auf Patzleid zum sicheren Feuermachen eine Feuerschale errichtet worden. Der Tourismusverein habe sich dann noch für eine große Schaukel eingesetzt. Den Standort habe man gewählt, weil dort schon vorher Grillstellen und Sitzbänke vorhanden waren. Dazu hat es einen Lokalaugenschein mit Vertretern aller zuständigen Gremien gegeben.“ Erst zwei Stunden und 10 Minuten später tauchte der „Fall Patzleid“ unter Punkt Allfälliges wieder auf. Der gelernte Biologe und Umweltreferent der Verwaltungsperiode 2015-2020, Udo Thoma, äußerte starke Bedenken gegen „eine touristische Nutzung“ des beliebten Ausflugszieles und Treffs am Agumser Berg. Er habe mehrmals die Bedeutung dieses einzigartigen Lebensraumes betont, meinte er sinngemäß. „Es geht hier um einen Trocken-Hecken-Verbund, einem der wenigen im Nationalpark Stilfserjoch, der unter anderem Lebensraum und Brutstätte des ‚Neuntöters‘ ist und allein deswegen in die höchste Schutzklasse – als Natura 2000-Gebiet – aufrücken müsste.“ Was ihm, Thoma, besonders im Magen liege, sei die Tatsache, dass Gremien, die im Vorfeld dafür zuständig waren, einfach übergangen wurden. Konkret zitierte er die damalige Umwelt- und Verkehrskommission.
Künstliches auf Patzleid
„Die letzten schönen Plätze, die wir haben, werden mit künstlichen - unter Anführungszeichen - Attraktionen vollgeklatscht“, argumentiert er. Die zwei Gremien und die vielen Personen, die sich auch ehrenamtlich für Naturschutz engagiert hätten, würden vor vollendete Tatsachen gestellt. „Ich frage mich: Entscheidet jetzt die Marketinggesellschaft IDM über die Prader Naturlandschaft?“ Anscheinend werde der Nationalpark nur gebraucht, um etwas für den Tourismus zu bewerben. Dass man die frühere Gemeindeverwaltung nicht involviert und informiert habe, bedauerte auch Ex-Bürgermeister und jetzt Gemeinderat der Liste „Gemeinsam für Prad“, Karl Bernhart. Sein Listenkollege Thoma erinnerte an den Punkt 1 des Nationalparkgesetzes mit dem Ziel, die Artenvielfalt und die Unversehrtheit der Ökosysteme zu schützen und zu erhalten. „Das ist eines der wenigen Gebiete, das wir in dieser Art auf Gemeindegebiet haben“, merkte Thoma an. In Gebieten, die allen Praderinnen und Pradern gehören, solle man mit einer gewissen Sensibilität vorgehen. Damit die Zuständigen im Nationalpark wissen, was dort alles an Pflanzen, Insekten und Vögeln vorkomme, habe er für Amtsdirektor Hanspeter Gunsch und für Tourismusdirektor Peter Pfeifer „eine kleine Liste verfasst“. „Ich als Umweltreferent hätte nie für so etwas gestimmt“, erklärte Thoma, „es gibt auch andere Plätze mit Tiefblick.“ Hier unterbrach Bürgermeister Rafael Alber mit dem Hinweis, dass es dort oben immer schon Bänke und Grillstellen gegeben habe und dass er sich viel sicherer fühle, wenn Holz in einer Feuerschale brenne. „Der Nationalpark ist wichtig, aber es gibt Menschen, die den Park auch genießen sollen“, erklärte Alber. Man sei sehr sensibel vorgegangen und habe vom Umbau kaum etwas wahrgenommen. Man dürfe nicht so schwarz sehen. Natürlich hätte man Umwelt- und Verkehrskommission fragen können, aber es sei ja nichts Neues entstanden. Wenn man über jeden Handgriff in zehn Kommissionen und Gremien Rechenschaft ablegen müsse, werde kaum etwas weitergehen.
„A flotte Sach"
„Daher glaub ich, dass man solche Entscheidungen auch im kleinen Kreis fällen kann. Ich find es a flotte Sach‘ für die Menschen, die dort hinaufgehen“, so der Bürgermeister. Zum Thema Abfall: „Natürlich ersuche ich die Bürger, keinen Abfall zu hinterlassen. Was voll hinauf getragen wird, kann leer auch wieder hinunter getragen und entsorgt werden.“ Seine Stellvertreterin Michaela Platzer ergänzte mit den Hinweisen, dass im nächsten Monat diesbezüglich eine Informationstafel angebracht werde. Sein Plädoyer fortsetzend verwies Thoma nochmals auf den Wert einer intakten Landschaft und auf die Belastung durch die wahrscheinlich längere Verweildauer der Besucher. „Wie gesagt, der Park kann lange suchen, bis er ein ähnliches Gebiet findet. Es könnte auch sein, dass es eine tolle Sache geworden ist“, räumte er ein. Referentin Platzer hielt seine Argumente für überzogen. Der Vergleich mit einer Touristenattraktion sei unpassend. Es gehe darum, Menschen, die im Park leben und wirtschaften, einzuladen, im Park zu verweilen und sich zu entschleunigen. Sicher könne man das auch ohne Attraktionen, aber sie sind aktive Einladungen. Es gehe ja nicht um einen zweiten Pragser Wildsee. Patzleid sei an Einheimische gerichtet, aber natürlich seien auch Touristen willkommen. Gemeinderat und Direktor des Tourismusvereins Peter Pfeifer versuchte, das Thema abzuschließen: „Wir wollten kleine Attraktionen schaffen, wo wir auch als Familie verweilen und ohne großes Trara sitzen können. Mehr Anspruch haben wir nicht; wir sind ja in einem Nationalpark. Wir haben weder Möglichkeiten, noch gibt es das Bestreben, ein Disney-Land zu werden. Wir wollen Qualität- und nicht Massentourismus.“
