Drei Tage lang befassten sich ca. 40 Teilnehmer im Kloster Marienberg mit Fragen rund um das Thema Werte und Gesellschaft.

Wer weiß noch wohin, im Dschungel der Werte?

Publiziert in 12 / 2016 - Erschienen am 31. März 2016
Marienberger Klausurgespräche zum Thema „Wert-lose Gesellschaft?“. Vorträge mit renommierten Referenten. SCHLINIG - „Wert-lose Gesellschaft? Die ambivalente Beziehung zwischen Religion, Politik und Wirtschaft“. So lautete das aktuelle und zugleich komplexe Thema der 21. Marienberger Klausurgespräche. Vom 17. bis zum 19. März verfolgten rund 40 Teilnehmer die Vorträge hochkarätiger Referenten mit und setzten sich in Diskussionsgruppen mit den jeweiligen Themen und Fragen auseinander. Abt Markus Spanier informierte eingangs über laufende sowie geplante Bauvorhaben im Kloster Marienberg. Er verwies auch darauf, dass das Kloster Flüchtlinge aufgenommen hat. So fand eine fünfköpfige Familie in einer Wohnung im Kloster eine Unterkunft. Für weitere drei Personen stellte das Kloster eine Wohnung in Meran zur Verfügung. Welche Werte bestimmen das politische, soziale und wirtschaftliche Handeln? Wie Kuratoriums-Präsident Günther Andergassen in seiner Einführung unterstrich, gehe es bei den heurigen Klausurgesprächen um die Frage nach Werten, die politisches, soziales und wirtschaftliches Handeln bestimmen. Der Moraltheologe Günter Virt aus Österreich sprach in seinem Auftaktvortrag von einem „Wertedschungel“ in der heutigen Gesellschaft. Das Problem sei weniger das Fehlen oder der Verlust von Werten, sondern die Orientierungslosigkeit in diesem Dschungel. Für Virt ist „jede Verletzung der Würde des Menschen eine Verletzung des Schöpfers“. Das, was ethisch richtig ist, werde langfristig auch das medizinisch Richtige sein. Er sei sich aber durchaus bewusst, „dass sich Forscher, Firmen, ja ganze ­Staaten durch unethisches Handeln Vorteile erhoffen.“ Die Aufgabe als theologischer ­Ethiker und Christ sehe er darin, im Räderwerk politischer Entscheidungsprozesse stimulierend, integrierend und kritisch hinterfragend mitzuwirken. „Es gibt keine doppelte Wahrheit über Menschen“ Überzeugt ist er auch davon, dass es keine doppelte Wahrheit über Menschen geben könne. Die letzte konkrete Bezugsinstanz sei das eigene Gewissen. Mit Impulsen aus der politischen Praxis wartete die CSU-Abgeordnete Ute Eiling-Hütig aus Bayern auf. Sie brach eine Lanze für den Erhalt der christlich-abendländischen Werteordnung. Die Würde des Menschen, der Schutz des Lebens sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit seien für sie das Fundament der Gerechtigkeit. Nur in 90 von über 200 Staaten gebe es freie Demokratien. In punkto Flüchtlinge kritisierte sie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe die Ängste vieler Menschen vor einer Überfremdung ignoriert. Laut Eiling-Hütig können Gesellschaften ohne gemeinsam gelebte Werte nicht erfolgreich sein. Die christlich-abendländischen Werte sowie auch das moderne Frauenbild seien nicht verhandelbar. Ein junger Mann, der dem Islam angehört, habe unlängst zu ihr gesagt: „Wir verachten euch Christen, weil ihr nicht zu eurem Glauben steht.“ Rede gegen den Relativismus Der Psychoanalytiker Carlo Sprenger, Professor für Psychologie und Philosophie an der Universität Tel Aviv, sprach zum Thema „Freiheitliche Ordnung als zivilisatorische Hochleistung – Eine Rede gegen den Relativismus“. Während für ihn viele durch die Logik der politischen Korrektheit gleichsam gelähmt erscheinen, schwingen sich neue Bewegungen am rechten Rand der Gesellschaft zu Verteidigern des Abendlandes auf. In dieser Situation appellierte Strenger an die gemäßigten politischen Kräfte. Der Verteidigung der Freiheit dürfe nicht der politischen Rechten überlassen werden. Er schlägt statt „politischer Korrektheit“ eine Haltung der „zivilisierten Verachtung“ vor. Sprenger entwarf dabei das Modell einer offenen Diskussionskultur, die auf fundierter und stets sachbezogener Kritik basiert und so eine entschiedene argumentative Verteidigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ermöglicht. Zum Thema „Postwachstumsökonomie – von der Produktivitätsfalle zu nachhaltigen Lebensstilen und Versorgungsmustern“ referierte der Volkswirt Niko Paech, Professor für Produktion und Umwelt an der Universität Oldenburg. Permanentes Wachstum ist kein Garant für Stabilität Die lang gehegte Hoffnung, dass wirtschaftliches Wachstum durch technischen Fortschritt nachhaltig oder klimafreundlich gestaltet werden kann, ist laut Peach im Bröckeln begriffen. Ein auf permanentes ökonomisches Wachstum getrimmtes System scheine kein Garant für Stabilität und soziale Sicherheit zu sein. Darauf deuten nicht nur die Eskalation auf den Finanzmärkten und die Schuldenkrisen hin, sondern auch die Verknappung jener Ressourcen, auf deren unbegrenzter und kostengünstiger Verfügbarkeit das industrielle Wohlstandsmodell bislang basierte. Es gebe neue wissenschaftliche Befunde, wonach die Steigerungen des monetären Einkommens ab einem gewissen Niveau keine weitere Zunahme des subjektiv empfundenen Wohlbefindens hervorrufen. Folglich sei es an der Zeit, die Bedingungen und Möglichkeiten einer Postwachstumsökonomie auszuloten. Letztere ist das Resultat eines prägnanten Rückbaus arbeitsteiliger, geldbasierter und globalisierter Versorgungsmuster. Paech: „Aus Konsumenten werden souveräne Prosumenten, die zur gemeinschaftlichen Versorgung beitragen.“ Fest steht für Peach: „Ohne Schrumpfung der Wirtschaft ist eine Entlastung der Ökosphäre nicht denkbar.“ Deshalb plädiert er dafür, dass Produkte langlebiger werden müssen. Zudem sollen sie reparationsfähig sein. Moderiert hat die Klausurgespräche Otwin ­Nothdurfter. Rektor ­Walter ­Lorenz und die Journalistin Oktavia Brugger schlossen sie mit einem persönlichen Kommentar zu den Referaten und Diskussionen ab. RED/SEPP
Redaktion
Vinschger Sonderausgabe

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