Akteure, Betroffene und Unterstützer (von links): Herbert Raffeiner (Herausgeber), Karl Jakob, Valentina, Bruna, Letizia Pedross und Luisa Rainer Wwe. Pedross (Moarhof-Bewohner), Johannes Fragner Unterpertinger (Provinzverlag), Andreas Tappeiner (Bürgermeister) Raimund Senoner (Autor), Wilfried Stimpfl (Obmann Bildungsausschuss).

Ein Identitätsschub aus dem Mittelalter

Publiziert in 18 / 2008 - Erschienen am 15. Mai 2008
Laas - Laut Raimund Senoner, Altphilologe und Transkriptor aus Meran, sei es für Laas endgültig aus mit dem „Stiefkinddasein in der Statistik der Touristiker“, wie es Pepi Feichtinger vor Jahren formulierte. Für jeden Laaser gäbe es jetzt Anlass genug, sich über die Rolle des eigenen Dorfes in der mittel­alterlichen Wirtschafts-, Sozial- und Rechtsgeschichte Europas zu freuen. Wilfried Stimpfl, oberster Koordinator der Bildung in Laas, zitierte einen Tschenglser Schüler, der die Laaser ob ihrer Armut bedauerte: „Die haben ja nicht einmal eine Burg und wir haben zwei.“ Jetzt aber haben die Laaser den Beweis, dass ihr Landsmann „Jacobus Mairjans de las vallis Venuste“ mit „imperiali auctoritate“, mit kaiserlicher Gewalt, unbeabsichtigt Einzigartiges über das mittelalterliche Laas von vor 626 Jahren hinterlassen hat. Die Aufzeichnungen des Laaser Notars, des „Noders“ Jakob vom Moar-Hof, nannte der Universitätsprofessor Rainer Loose als Fachmann für die Siedlungsgenese des Vinschgaus und als Mitautor des neuesten Buches über Laas einen „Glücksfall für die historische Forschung und Landeskunde Tirols“. Nun trägt Laas seinen dritten, mehr oder weniger heimlichen Titel: Marmor-Hauptstadt, Literatur-Hauptstadt und seit kurzem Hauptstadt der Mediävistik, der Mittelalterkunde. Vor Sponsoren und Interessierten gab Herausgeber Herbert Raffeiner Anleitungen zum Lesen und stellte im Saal der Raiffeisenkasse Laas stolz fest: „Wir haben Wurzeln und damit Identität.“ Im Auftrag des Bildungsausschusses „Der Vinschger“ hat bei Herbert Raffeiner nachgefragt, welche Rolle er als Herausgeber, der Laaser Bildungsausschuss als Auftraggeber, der Kulturverein Blauer Kreis und der Provinzverlag mit seinem Präsidenten Pater Bruno Klammer als Vertreiber des „Noderbuch. Notar­iatsimbreviaturen des Jakob von Laas 1390 – 1392“ spielen. Wie kommt man zum Titel Herausgeber? Welchen Anteil am Erscheinen des Noderbuches hatte der Herbert Raffeiner aus Tschengls? Herbert Raffeiner: Der Herausgeber ist nicht der Autor des Werkes, die Autorenschaft teilen sich in solchen Fällen mehrere Personen, in unserem Fall Prof. Raimund Senoner (Meran), der Transkription, Übersetzung und Textedition besorgt hat, und Univ. Prof. Rainer Loose, der ein erklärendes Nachwort dazu geschrieben hat. Der Herausgeber ist für die Textgestaltung, Organisation und Herausgabe des Werkes zuständig und verantwortlich. Zu den Aufgaben des Herausgebers zählen außerdem die Sammlung der Beiträge, die Betreuung der Beiträger, die Festlegung und Überwachung der formalen Anlagen des Werkes, die Verhandlungen mit Verlag (Provinz Verlag) und Druckerei (Weger Brixen), die Druckbegleitung, die Kontakte mit Sponsoren sowie die Begleitung und Durchführung sämtlicher Arbeiten, die mit dem Werk zusammenhängen. Dies habe ich im Auftrag des Bildungsausschusses Laas gemacht, dessen Vorsitzender Wilfried Stimpfl ist. Wie ist man oder wie sind Sie auf die Spuren des gelehrten Laaser gestoßen? Herbert Raffeiner: Bei der Herausgabe des Buches „Häuser von Laas“ durch die Raiffeisenkasse im Jahre 1990 haben mich Franz Waldner und Alois Luggin darauf aufmerksam gemacht, dass es ein „Noderbuch von Laas“ geben soll, in dem viele Informationen über das mittelalterliche Laas und seine Umgebung enthalten seien. Auch in Richard Stafflers „Die Hofnamen im Landgericht Schlanders“ von 1927 ist das Noderbuch genannt. Über den genauen Inhalt und über den Verbleib dieses Buches war nichts bekannt. Prof. Raimund Senoner, Kenner von mittelalterlichen Texten und Experte für Übersetzungen aus dem Lateinischen und Griechischen, gebührt die Ehre, das schmale Bändchen im Stadtarchiv Meran entdeckt, transkribiert und übersetzt zu haben. Übersetzer Raimund Senoner hat’s bei der Vorstellung angedeutet, das Noderbuch ist weder eine Krimi noch eine erotische Novelle, was soll den Durchschnittslaaser zum Lesen im Noderbuch bewegen? Herbert Raffeiner: Der Durchschnittsmensch hat ein bestimmtes Gespür für Geschichte und ein Urinteresse an seiner Vergangenheit, so auch der Durchschnittslaaser. Wir und besonders Raimund Senoner haben bei der Herausgabe des Buches darauf geachtet, neben dem Anspruch der Wissenschaftlichkeit auch die Lesbarkeit des Werkes zu bewahren. Die Menschen brauchen dieses Buch nicht an einem Stück zu lesen, es ist für interessierte Laaser auch ein Nachschlagewerk und eine „Ansichtssache“. Das Nachwort von Rainer Loose können alle mit Gewinn lesen, denn es enthält viel Erklärendes zur Geschichte von Laas im ausgehenden 14. Jahrhundert und es entschlüsselt auch die Rechtsbegrifflichkeiten dieses Notars Jakob und das damalige Leben in Laas. Außerdem gibt es eine Einführung von Raimund ­Senoner und ein weites Register mit vielen Begriffen und Namen, die alle Kenner von Laas und Umgebung, ja des ganzen Vinschgaus, neugierig machen. Nicht zu vergessen sind die historischen Fotos und die aktuellen Aufnahmen des Fotografen Florian Peer (Tschengls), welche die Texte begleiten. Interview: Günther Schöpf
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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