Zum 200. Geburtstag des großen Tiroler Komponisten Johann Rufinatscha (im Bild ein Porträtfoto; Foto: TLM) haben am 4. Mai in Innsbruck sowie am 5. Mai in Mals Konzerte stattgefunden.

Johann Rufinatscha (geboren am 01. 10. 1812 in Mals; gestorben am 25. 05. 1893 in Wien)

Publiziert in 18 / 2012 - Erschienen am 9. Mai 2012
Anlässlich des 200-jährigen Geburtstages des wohl bedeutendsten Komponisten, den der Vinschgau hervorgebracht hat. von Helene Dietl Laganda Johann Rufinatscha erblickt am 1. Oktober 1812 in Mals - im Haus Nummer 32 (zufälligerweise wird im Jahre 1919 auch Karl Plattner im selben Haus geboren) - als ältestes Kind der Familie Rufinatscha das Licht der Welt. Seine Eltern, Johann Rufinatscha und Katharina ­Danay, besitzen in der heutigen Parkgasse ein kleines Anwesen. Johann Rufinatscha sen. wird zwar im Taufbuch der Pfarre Mals als Bauer geführt, dürfte aber mit dem Anwesen ein eher geringes Einkommen erwirtschaftet haben, speziell wenn man bedenkt, dass gerade in dieser Zeit die wirtschaft­lichen Umstände in Tirol nicht die besten waren. Als Taufpaten werden der „Huter“, also ­Hutmacher Platter und seine Frau angeführt. Der Ehe von Johann Rufinatscha und ­Katharina Danay entstammen insgesamt drei Kinder. Johann war der älteste; es folgen dann seine Schwester Anna und der Bruder Andreas. Anna folgt Johann nach Wien, während sein ­Bruder Andreas nach Rovereto zieht und dort das Handwerk des Schmiedes ausübt. Die Tiroler Freiheitskämpfe sind soeben zu Ende; die Familie dürfte daran direkt beteiligt gewesen sein, darf doch angenommen werden, dass Katharina Danay in einer engen verwandtschaftlichen Beziehung zum Priester Josef Danay stand, der seinerseits enge Kontakte zu Major Theimer pflegte. Abgebrannt dürfte 1799 wohl auch das spätere Geburtshaus des Komponisten sein, hatten damals die Franzosen in Mals doch 108 Häuser und 3 Kirchen niedergebrannt. Wir nehmen für die damalige Zeit 161 Häuser in Mals an. Bedenkt man, dass die Ortschaft Mals in der so genannten rätoromanischen Siedlungsstruktur entstand (die Häuser wurden eng aneinander gereiht, die Felder liegen außerhalb der Ortschaft; lediglich einige Gärten befinden sich innerhalb des Dorfes), kann man sich vorstellen, dass im Matscher Winkel wohl kein Gebäude gänzlich von den Flammen verschont blieb. Das hieß für die Familie Rufinatscha wohl, dass auch ihr Haus in Mitleidenschaft gezogen wurde oder gänzlich abbrannte. Aus der Chronik von Josef Dietl geht hervor, dass im Jahre 1800 aufgrund einer Viehseuche - der ungarischen Krankheit - bei­nahe alle Ställe „verödet“ waren, also fast der gesamte Viehbestand des Dorfes verloren ging. Das zweite Jahrzehnt des 19. Jahrhundert zeichnete sich durch große Teuerungen aus. So hebt der Chronist besonders das Jahr 1816 hervor, in welchem ein Mutt Roggen 5 bis 10 fl. R.W. kostet. Im Vergleich zu den Jahren 1820 bis 1830 war dies sehr teuer, kostete die Mutt Roggen in diesem Jahrzehnt zwischen 1 fl 36 und 2 fl., also wesentlich weniger. Stellt man sich dann noch die prekäre, wirtschaftliche Lage nach den Freiheitskämpfen vor, so dürfen wir davon ausgehen, dass Johann Rufinatscha in einer Zeit das Licht der Welt erblickte, in welcher jeder eine Überlebensstrategie suchte, das wirtschaftliche Auskommen als vordergründig betrachtete und musischen Talenten wohl eher eine geringe Relevanz zugeschrieben wurde. Aus diesem Hintergrund wird es für uns nur zu verständlich, dass Johann als 14-Jähriger sein ­Heimatdorf verlässt und seinen Weg alleine geht. Der Knabe, der in der heutigen Gemeindebibliothek die Grundschule besuchte, verließ also schon sehr früh seine Heimat. Normalerweise besuchten die sieben- bis zwölfjährigen Kinder diese Schule; für besonders begabte Schüler bestand aber die Möglichkeit, den Schulbesuch noch zwei Jahre zu verlängern. Zumal wir wissen, dass Johann mit 14 Jahren Mals verließ, dürfen wir annehmen, dass er diese Verlängerungsmöglichkeit in Anspruch genommen hat. Auch für talentierte junge Menschen gab es damals wenige Möglichkeiten in ihren Talenten gefördert zu werden, speziell wenn man nicht das Glück hatte, in eine wohlhabende Familie hineingeboren zu sein. Mit 14 Jahren die Heimat verlassen Rufinatschas Eltern erwarten von Johann, dass er Geistlicher wird. Als er diesem Ansinnen aber ablehnend gegenüberstand, akzeptierten sie dies und gaben ihm dennoch das für das Stu­dium reservierte Geld, das wohl unter sehr schwierigen Bedingungen zusammengespart worden war. Als nächste Option stellte sich der Lehrberuf dar, aber auch dieser Beruf schien Johann nicht zu interessieren. Johann scheint nicht in den Schülerverzeichnissen auf. ­Gertha Hofmüller schreibt im Schlern 1989, dass der 14-jährige Rufinatscha vermutlich im Stift Wilten Aufnahme gefunden hat. Musikalisch begabte Jugendliche wurden in jener Zeit öfters in Stiften unentgeltlich aufgenommen, mussten aber am musikalischen Teil der Messen und Andachten mitwirken. Im Stift Wilten dürfte er dann über den musikbegeisterten Abt Bekanntschaft mit dem Orga­nisten und Benediktinermönch Martin Goller gemacht haben. Goller war der Initiator des Innsbrucker Musikvereins und Mitbegründer der Musikschule, an welcher er auch unterrichtete und eine Schlüsselfunktion innehatte. Im Jahre 1828 betreute die Schule 107 Schüler; sie verfügte über eingeschränkte, finanzielle Mittel und so wurden talentierte Schüler immer wieder als Lehrer für Neueinsteiger herangezogen. Jene Schüler, die nicht in der Lage waren, das Schulgeld zu entrichten, mussten sich verpflichten, drei Jahre nach Abschluss der Schule unentgeltlich für die Schule zu arbeiten. Hofmüller schreibt im Schlern, dass im Rechenschaftsbericht von 1862 angegeben wird, dass zwischen 1818 und 1862 6.885 Schüler an dieser Musikschule unterrichtet wurden, wovon 276 aus dem Vinschgau stammten. Diese Information lässt uns erspüren, mit welch großem Talent wir es zu tun haben, wenn man bedenkt, dass Johann Rufinatscha immer wieder als „bedeutendster aus Tirol stammende Komponist“ bezeichnet wird. Rufinatscha verlässt also 1826 seinen Heimatort und bleibt mindestens bis 1833 in Innsbruck. Er besucht sechs Jahre die Musikschule in Innsbruck und wird dort von Martin Goller in den Fächern Klavier und Musiktheorie und von Josef Alliani im Fach Violine unterrichtet. Dann setzte er seine Studien in Wien fort, wobei wir hier unterschiedliche Zeitangaben haben. Rufinatscha hat mit seiner Abschlussprüfung am 29. Juli 1832 sein Studium mit ausgezeichnetem Erfolg in Innsbruck abgeschlossen. Die Fortführung seiner Studien und sein Aufenthalt in Wien werden mit unterschiedlichen Zeitangaben belegt. So wird einmal von 1833 und dann von 1835 gesprochen. War er wirklich mittellos und konnte das Schulgeld in Innsbruck nicht entrichten, so dürfte er Innsbruck wohl erst 1835 verlassen haben, da dann eine unentgeltliche Lehrtätigkeit oder zumindest eine Verpflichtung zur Mitwirkung an musikalischen Veranstaltungen dieser Schule für drei Jahre in Innsbruck folgte. In Innsbruck komponiert er im Jahre 1832 eine Sonate, die er Gräfin Wilczek geb. Chorinsky widmet und zwei Jahre später, also 1834, eine Symphonie mit dem Titel „Mein erstes Studium“, welche 1844 und 1846 aufgeführt wird. Ab 1835 Studium in Wien Im Jahre 1835 beginnt er in Wien weiterführende Studien bei Simon Sechter. Sechter war damals einer der berühmtesten Kompositionslehrer; er zählt Rufinatscha am Ende seines Lebens im Jahre 1867 zu den 20 bedeutendsten seiner Schüler, was auf eine große Wert­schätzung schließen lässt. In Mals brannte gerade in jener Zeit, in welcher Rufinatscha in Wien Fuß fasst, sein Geburtshaus neuerlich ab. In der Nacht vom 6. auf den 7. Mai 1836 legt der Hausierer und Weber Josef Messner in der Scheune des Grauen Bären, der sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Geburtshauses von Rufinatscha befindet, Feuer. Es brannten 19 Häuser ab, darunter auch das erwähnte Geburtshaus. Im Nachbarhaus stirbt der ­Kupferschmied Josef Adam. Ob es sich hierbei um einen Verwandten von Rufinatscha handelte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Allerdings war die Großmutter mütterlicherseits eine gebürtige Adam. War es nicht ein Verwandter, so dürfen wir aber annehmen, dass sein Bruder Andreas bei Adam das Handwerk des Kupferschmiedes erlernt hat. Leider ist uns nicht bekannt, ob aufgrund dieses Schadensereignisses die Geschwister von Rufinatscha Mals den Rücken kehren. Jedenfalls zieht seine Schwester zu ihm nach Wien und verbleibt dort bis zu ihrem Tode, während sein Bruder nach Roverteto zieht und dort sein erlerntes Handwerk ausübt. Auch wissen wir, dass nach dem Tode seiner Eltern es zu keiner Erbschaftserklärung kam, da die Eltern kein Vermögen besaßen. Die Vermutung ist also nahe liegend, dass nach dem wiederholten Brand im Hause 32 ein Wiederaufbau von Rufinatschas Eltern nicht mehr finanziert werden konnte. In Wien konzentrierte sich ­Rufinatscha auf seine Studien und setzte das Gelernte zügig um. Er arbeitete zudem als Musiklehrer und konnte sich aufgrund der Beliebtheit der Hausmusik als Klavierlehrer Einkünfte erarbeiten. Zwischen 1835 und 1850 fiel er durch eine rege Komponiertätigkeit auf und so entsteht in dieser Zeit eine Vielzahl seiner Werke. Im Oktober 1844 führte ihn eine Konzertreise wieder nach ­Tirol, es entzieht sich aber unserer Kenntnis, ob er auch Mals besucht hat. Er gestaltete im Zuge dieser Konzertreise ein Konzert in Innsbruck, das regen Zuspruch fand und das auch medial von sich reden machte. In dieser Zeit erhielt Rufinatscha die Ehrenmitgliedschaft im Innsbrucker Musikverein, dem er seine Kompositionen zukommen ließ. Konzertreise durch seine Heimat Im Jahre 1850 führte ihn sein Weg wiederum nach Tirol. Er machte wieder eine Konzertreise durch seine Heimat und hat sich unter anderem auch in Meran aufgehalten. Dass er damals auch Mals besucht hat, ist nahe liegend. In dieser Zeit gibt es auch negative Kritik zu seinen Werken, sodass das Innsbrucker Tagblatt sich veranlasst sah, diese negative Kritik aus Wien einer äußerst positiven aus München und Berlin gegenüber zu stellen. Zwischen 1850 und 1870 fiel er weiterhin durch eine rege Kompositions- und Konzerttätigkeit auf. Seine Kompositionen werden bis 1892 auch immer wieder aufgeführt, obwohl er ab 1887 kaum mehr tätig ist. Es scheint lediglich 1892 noch einmal eine kleinere Komposition auf. In Wien erarbeitete er sich nicht nur einen Namen als Pianist, Komponist und Lehrer, sondern gehörte auch einem sehr elitären Freundeskreis an. Elitärer Freundeskreis So zählte er zu der von Johann Brahms geleiteten Tafelrunde der Professoren und zur Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Zu Brahms soll er freundschaftlich verbunden gewesen sein; Schumann dürfte er geschätzt haben, hat er ihm doch eines seiner Werke gewidmet. Umgekehrt war dies eher nicht der Fall, wird Schumann mit einer Kritik über Rufinatschas Musik zitiert, die wenig schmeichelhaft war. Zu seinen Schülern zählten unter anderem auch J. Eppstein, E. Rappoldi, Brüll und Weckbecker. Um 1850 dürfte Rufinatscha recht wohlhabend gewesen sein. Er kaufte 1854 Wertpapiere, um eine finanzielle Absicherung im Alter zu haben. Außerdem soll er auch seine in Wien lebende Schwester finanziell unterstützt haben. Er verfügte über eine eigene Wohnung und lebte nicht mehr in Untermiete. Als es aber im Jahre 1873 zum Börsenkrach kommt, war dies für viele Menschen und so auch für Rufinatscha ein finanzieller Ruin. Auch die Lebenskosten erhöhten sich sprunghaft, sodass er nun bei seiner verwitweten Schwester und seiner Nichte einzog. Bereits 1887 übermittelt ­Rufinatscha 15 Orginalpartituren an das Museum Ferdinandeum zur immerwährenden Aufbewahrung. Dies lässt darauf schließen, dass er mit seiner Tätigkeit abgeschlossen hatte. Dieses Abschließen dürfte aber nicht aus mangelndem Erfolg oder mangelndem Arbeitseifer erfolgt sein, sondern vielmehr auf seine Erblindung zurückzuführen sein. Am 25. Mai 1893 verstarb ­Rufinatscha, der die letzten Jahre seines Lebens krank und sehr zurückgezogen verbrachte. Es war recht still um den einstigen Komponisten, Dirigenten und Musiklehrer geworden. Die Nachricht über seinen Tod im Tiroler Tagblatt war eine sehr kurze und informierte lediglich über das Ableben – man hat ihn tot im Bett gefunden. In seinem Heimatort geriet der Zeitgenosse und Freund von ­Johann Brahms gänzlich in Vergessenheit. Es ist daher höchst an der Zeit, dass sich auch der Geburtsort an Johann ­Rufinatscha erinnert und ihn gebührend in die Reihe seiner großen Söhne und Töchter stellt.
Helene Dietl Laganda

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.