Kriegshaubitze (Flach- und Steilfeuergeschütz) der Ortlerfront, ein 800 kg schweres Geschütz gab der Gletscher frei: jetzt im Museum in Sulden ausgestellt.

„Museum für das Ortlergebiet“

Publiziert in 19 / 2005 - Erschienen am 6. Oktober 2005
Cornelia und Christian Knoll aus Sulden treten nicht nur in die Fußstapfen ihrer Eltern, indem sie die gut gehenden Tourismusbetriebe, Hotel Cornelia und Bar Ilse weiterführen, sie nehmen auch die Verantwortung für das geschichtliche Erbe sehr ernst, das ihnen ihre Vorfahren und insbesondere ihr Vater Konrad als „Vermächtnis der Generationen“ weitergeben: das Tourismus- und Kriegsmuseum im Herzen der Ortlergruppe. Auch wenn MMM (Messner Mountain Museums) die scharfen Zacken eines sagen-, legenden- und heldenhaften Alpinismus in den Alpen und weit darüber hinaus sehr eindringlich vor Augen führt, und auch in Sulden so manches Auge zum Sehen und Staunen bringen kann, so können die Leistungen der Fierers, Ortlers, Mazaggs, Pichlers, Pinggeras, Thönis, Reinstadlers usw., ähnlich jenen der „Sherpas“, als „Pioniere“, als „Bahnbrecher“ für Alpinismus und Tourismus nicht minder sagen-, helden- und „heroenhaft“ vorgestellt werden, auch wenn sie nur als „Kriegsdiener“, als Berg- und Schiführer an der Ortlerfront Unterstände errichtet, Eisstollen vorgetrieben, Geschütze emporgezogen, Patrouillengänge an spissigen Graden durchgeführt haben, dafür auch Hände und Füße erfroren oder durch Lawinen in den Tod gerissen wurden. Diese Geschichte versuchte Konrad Knoll nachzuzeichnen: eine reiche Sammlung, die er in jahrzehntelanger mühevoller Kleinarbeit mit viel Liebe zum Detail zusammengestellt und nun auch als Museum eingerichtet hat, derzeit etwas notdürftig im Untergeschoss des Schulhauses von Sulden untergebracht, ein würdiger Rahmen für die „eigene Geschichte“, die zumindest soviel Wert ist, wie die herrliche Bergwelt in Sulden, wurde noch nicht gefunden. Kristalle, Erze und Mineralien verschiedenster Art erzählen die Entstehungsgeschichte der geologischen Formation der Ortlergruppe. Eine Oberflächenform, deren Virtuosität zauberhafte Klangformen hervorbringt, aber nur dann, wenn man sie so, wie alles im Leben, durch sein eigenes Herz in Schwingung zu versetzen versteht. Und das sind die Leute in und aus Sulden, die mehr aus Existenznot und Pflichtbewusstsein, sich an den kargen Boden klammerten, als aus Eigennutz und exotischer Illusion und Passion für das „unbekannte Ich“, das englische, französische und andere Bergpioniere zur Jahrhundertwende als Aufbruch in ihr Innerstes, zum Vorwand nahmen, für „wissenschaftliches Forschen“ und „individualistisches Realisieren“, um aus den bürgerlichen Freiheiten auszubrechen und dem Wesen der „Gottesschöpfung“ auf die „darwinistische“ Spur zu kommen. Diese Leute aus Sulden, ich nenne sie bewusst nochmals „Sherpas“, bauten Schutzhütten, Unterkünfte für Gäste, Wanderwege und erschlossen Alpinrouten, standen im Dienst der Gäste, um ihr tägliches Brot in der kargen, einsamen und rauen Bergnatur tagtäglich nach Hause zu bringen. Eine Reihe von Fotos dokumentieren wohl in nicht zu überbietender Eindringlichkeit, die Anfänge des besagten „alpinistischen“ Lebens, der Begegnung zwischen Einheimischen und „Fremden“, wie man die Gäste auch heute noch manchmal nennt. Und dann der Krieg: Der Krieg missbrauchte diese Menschen, indem sie wie Mulis bepackt, täglich den Berg hoch rennen mussten, Bretter, Munition, Zement hoch schleppen mussten, ihre Strapazierfähigkeit wurde getestet, auch ihre Gesundheit, vor allem aber ihre Zähigkeit abgehärtet. Diesen Requisiten hat Konrad Knoll nachgespürt, und er konnte sie auch auflesen: Kleidungsstücke, Ausrüstungsgegenstände der Soldaten, ein Kriegsgeschütz, Karten, Feldstecher, altes Kriegsgerät. Christian und Cornelia führen mich durch die Sammlung und erzählen mir zu den Ausstellungsstücken die Geschichte ihrer Herkunft, die Bedeutung, den Sinn und Zweck und wo, wann und wie sie ihr Vater gefunden und hierher gebracht hat. Anschaulicher kann man Geschichte wohl nicht erleben, man muss sie nur erleben wollen: hier sprechen nicht maginäre und imaginäre Räume, Inszenierung und Illusionierung, um die Sinne kurzzeitig zu reizen, sondern hier spricht die Realität – dass wir den Sinn dafür vielleicht noch nicht völlig verzogen und verbogen haben, das ist eine andere Geschichte: die Geschichte vom Idealismus, der nicht nur Anerkennung, sondern auch lobenswerte Unterstützung erfahren sollte. Der Idealismus der Familie Knoll beweist jedenfalls, dass man auch für die Allgemeinheit beispielgebend seinen Einsatz leisten kann. Geöffnet: ganzjährig 10.00 – 19.00 Uhr - Führungen durch die Ausstellung, insbesondere für Schulklassen unter Anmeldung bei: Christian oder Cornelia Knoll, Tel 611032;
Gerd Klaus Pinggera

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