Zirrus Stratus Kumulus Jagd und Politik
Publiziert in 6 / 2005 - Erschienen am 1. April 2005
„Ich schau den weißen Wolken nach und fange an zu träumen“... mit diesem Schlagertext antwortete mein Bonner Freund Werner Kreuer - Professor für Geographie an der Universität Essen - auf meine Frage nach der Bedeutung von Wolken.
Und eine alte Hebammentraditon besagt, dass es im folgenden Jahr viele schwere Geburten geben wird, wenn am 28. Dezember, dem Kindleintag, viele Wolken den Himmel bedecken.
In der nordischen Mythologie sind Wolken die Gedanken der Riesen; sie künden die Zukunft oder spielen Schicksal. Heute gibt es sie nicht mehr, die Riesen, oder nur in Form von Zeitungsriesen. So ein Ungeheurer verfolgt uns - gemeint sind die Mitarbeiter und Gesellschafter der Zeitschrift „Der Vinschger“ - und will uns verschlingen.
Um die Vielgestaltigkeit zu beschreiben, hat der englische Meteorologe Luke Howard 1803 vier lateinische Begriffe eingeführt, die auch heute noch als Grundlage für die Beschreibung der verschiedenen Wolkenformen dienen: Cirrus, Stratus, Cumulus, Nimbus.
Das lateinische Wort cirrus bedeutet Haarlocke und verleitet zum Träumen (oder zum Streicheln über schönes Haar). Zirruswolken weisen auf sehr trockene Luft, heißen auch „Federwolken“ oder „Büschelwolken“ und bestehen aus feinsten Eisteilchen. Politisch gesehen weisen sie auf kühne, etwas zerzauste Ideen.
Nimbus bedeutet ganz allgemein „Wolke“ oder auch Heiligenschein; man trägt ihn zur Tarnung, um die Jagdbeute zu verwirren.
Stratus bedeutet „Schicht“; Nimbostratus ist also eine Schichtwolke, aus der beinahe ständig Regen oder Schnee fällt. Diese Schichtwolke ist - politisch gesehen - der Südtiroler Volkspartei vergleichbar, aus der ständig Subventionen regnen oder schneien. Die gleichförmige Wolkenschichtung könnte am besten - also immer politisch gesehen - mit dem Selbstverständnis als Sammelpartei erklärt werden und entfaltet sich besonders prächtig am Abendhimmel.
Hochpolitisch in vielfacher Hinsicht ist der Cumulus, häufig auch als Schönwetterwolke bezeichnet. Das Wort bedeutet „gehäuft“ und meint die in Säulen aufsteigenden Wolken. Stark erhitzte Luft steigt rasch auf, kühlt ab, kondensiert und -platsch! platsch!- schon sind wir durchnässt. Sommerliche Wärmegewitter mit Blitz und Donner, besonders gefährlich auf Bergspitzen und in Kammnähe...
Schön und gut, aber wo bleibt die politische Relevanz? Ich vergleiche meine Arbeit beim „Vinschger“ mit einer Bergwanderung. Der große - auch finanzielle Erfolg - dieser Zeitschrift schafft Gewitterstimmung: Spekulanten und Machtmenschen belästigen den gemütlich Wandernden. Plötzlich beginnt es zu blitzen und zu krachen. Alles droht unterzugehen. Wohin soll ich mich wenden? Unter einen Baum oder unter ein Felsendach? Ich wandere über einen mächtigen Gebirgskamm mit weitem Rundblick, vom Vigiljoch zum Naturnser Joch, wo in der Umgebung des Rauhen Bühels einst mesolithische Jäger ihre Rastplätze zur Bejagung eingerichtet haben - vor vielen tausend Jahren! Silexfunde, also Geräte aus Feuerstein, zeugen von alter Jagdkultur.
Die neue Jagd verläuft allerdings amerikanisch... die Munition ist Geld. Gemeint ist die Philosophie der Akkumulation, der hemmungslosen Anhäufung von Macht, in unserem Falle von Pressemonopol. Ich schaue vom Naturnser Joch in Richtung Etschtal, wo sich über Bozen alles zusammenbraut. Cumulus... Akkumulation aller Publikationsmittel durch Oberjäger...
Wie lautet der Schlagertext meines Freundes? „Ich schaue den weißen Wolken nach und fange an zu träumen.“
Hans Wielander