Fernando Biague, aus einem der ärmsten Länder der Erde, war Gastreferent in Prad.

Anders sein muss nicht länger fremd sein

Publiziert in 6 / 2008 - Erschienen am 20. Februar 2008
Prad – „Vorurteile gegenüber anderen Kulturen kann man am besten abbauen, wenn man sie aus der Nähe betrachtet.“ Josef Perger, Kulturgeschichtler in Innsbruck und Zürich, Bürger in Prad und als Österreicher in Südtirol lange Zeit selbst „Extrakommunitarier“, begrüßte eine gemischte und im Sinne des Wortes „bunte Runde“ in der Grundschule von Prad. Ulrike Sprenger, Projektleiterin für interkulturelles Lernen im Kindergartenbezirk Vinschgau, und die Prader Gemeinderätin und Grundschullehrerin Dominik Wallnöfer hatten zum Treffen geladen, um – wie aus der Einladung ersichtlich – ein „interkulturelles Kompetenzzentrum in Prad“ anzuregen. Sozusagen realistischen „Anschauungsunterricht“ und Einführung in die Materie lieferte der aus Guinea Bissau stammende Fernando Biague. Der Sozialpsychologe an der Universität Brixen stellte die gescheiterten „Einwanderungs-Modelle“ in England, Frankreich, Deutschland und den Vereinigten Staaten vor und schloss mit dem Hinweis, dass Europa sich inzwischen bewusst sei, die Zuwanderer zu brauchen, aber das Phänomen nicht ausufern lassen wolle. Im Anschluss berichteten die Teilnehmer an der Gesprächsrunde aus ihren Blickwinkeln von praktischen Erfahrungen mit Ausländern. Gemeinderätin und Vertreterin des KVW, Rosa Weissenegger, möchte vor allem die Erwachsenen aufklären. Schulsprengelleiter Reinhard Zangerle verwies auf die 18 Schüler mit Migrationshintergrund und auf die nach Latsch höchste Ausländerquote in Prad. Schulrats- und Sportvereinsvertreter Marco Masiero hatte noch Jugenderfahrungen im Hinterkopf, als er vom Verhalten der Migrantenkindern im Training erzählte. Sozialreferentin Tanja Ortler zitierte aus dem Meldeamt und sprach von etwa 150 Mitbürgern vorwiegend aus osteuropäischen Ländern, aber auch aus Nordafrika, Asien, Mittel- und Südamerika. Brahim Dahri, in Tunesien Lehrer, in Prad Angestellter der Firma Polyfaser und in Bozen Sprecher der tunesischen Volksgruppe, erzählte von den Anstrengungen seines Landes, die kulturelle Identität der Ausgewanderten zu bewahren. Der Unteroffizier der Carabinieri, Alessandro Martinucci aus Sondrio, konnte keine besonderen Schwierigkeiten im Umgang mit Ausländern in Prad nennen. Zum Treffen gekommen waren auch Denise Graf vom Pfarrgemeinderat, vom Bildungsausschuss Irmgard Niederegger, als Gemeinderat und Vater Rudi Maurer, Sieglinde Gamper vom Jugendtreff und Stefan Hellweger vom Jugenddienst Obervinschgau. Sehr interessiert an einem Netzwerk zeigte sich Karin Tschurtschentaler, Leiterin des Sozialsprengels Obervinschgau, da sich Zuwanderer zuerst vor allem an ihr Amt wenden. Sie kenne nur Männer und Kinder und vermisse die Kontakte zu Ausländerfrauen. Dominik Wallnöfer habe durch Deutsch-Kurse für arabische Frauen und durch ihren Unterricht durchaus positive Kontakte zu Ausländern. Sie vermisse vor allem einen Treffpunkt zwischen Ausländern und Einheimischen während der Wintermonate. Die mit italienischem Einschlag und marokkanischem Lebensgefährten in Prad lebende Ulrike Sprenger sah sich als Vermittlerin zwischen den Kulturen schlechthin. Die Anwesenheit des Polizeivertreters wolle sie nicht als negative Haltung den Ausländern gegenüber verstanden wissen. Gemeinsame Initiativen könnten nur über die kulturell-gesellschaftliche Schiene laufen. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion, in der die Ghetto-Bildung, die Rolle der Frau in der islamischen Welt und die durchaus rassistischen Ansätze unter den Schülern angesprochen wurden. Brahim Bahri regte zu Schülerreisen an. Direktor Zangerle beanstandete, dass sich ausländische Eltern zu wenig einbrächten. Als Josef Perger nach konkreten Kontaktmöglichkeiten fragte, schlug Fernando Biague Fußballspiele vor mit anschließender gemeinsamer Verköstigung. Auch wenn so etwas zuerst schief gehe, es bleibe keine andere Wahl, als es immer wieder zu versuchen. Tanja Ortler lobte das schon „bestehende Netzwerk“ zwischen Kindergarten, Schulen und Sozialsprengel. Irmgard Niederegger vom Bildungsausschuss konnte sich vorstellen, kreative Ausländerinnen bei den Frauentagen im November einzubinden und auch mit Räumlichkeiten unterstützend zu wirken. Rosa Weissenegger bestand auf einen konkreten Rahmen nach diesem Treffen. Dominik Wallnöfer würden bescheidene, aber konkrete Schritte genügen. Rudi Maurer möchte kein Fest ohne Informationsfluss; Perger bestand auf qualitätvolle Informationen und Zangerle sah einen selbstbewussten Auftritt auch der heimischen Kultur für unerlässlich. Man trennte sich mit dem Vorschlag, in die anstehenden Prader Bildungstage ein Angebot des Carabinieri-Kommandanten von Schlanders, Marco D’Addato, aufzunehmen. Es sollten Kontakte zur arabischen Welt im Allgemeinen und zu Einwanderern aus diesem Kulturraum aus der Sicht der Ordnungskräfte dargestellt werden.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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