Auf den Spuren der alten Wasserkanäle in der Val Müstair
Publiziert in 4 / 2010 - Erschienen am 3. Februar 2010
Tschierv – Wie im Vinschgau gibt es auch in der Val Müstair wenig Niederschläge und lange Trockenperioden, die im Frühling und im Sommer für die Landwirtschaft verheerend sein können. Diese Tatsache zwang die Bevölkerung, die zum Überleben vom Ertrag der Landwirtschaft abhängig war, Vorkehrungen zu treffen, um die landwirtschaftlich genutzten Flächen bewässern zu können. Im Verlaufe der Jahrhunderte entstanden darum auch in der Val Müstair umfassende Flurbewässerungssysteme, die sogenannten Auals. Diese entsprechen den Waalen im Vinschgau und funktionieren auch nach dem gleichen Prinzip. In Müstair wurde das Feld noch bis vor wenigen Jahrzehnten regelmäßig bewässert. In den oberen Talgemeinden war dies weniger der Fall und die Auals mit den entsprechenden Wasserzuleitungen wurden immer mehr vernachlässigt. Im Rahmen der Gesamtmelioration, die während der vergangenen 30 - 40 Jahre durchgeführt wurde, konnte dann auch in der Val Müstair ein umfassendes Beregnungssystem eingerichtet werden, das nun kurz vor dem Abschluss steht. Damit gehen aber auch die Erinnerungen an das alte Bewässerungssystem verloren. Die Wasserzuleitungen aus den Seitentälern und aus den oberen Regionen, aber auch die Auals, die das kostbare Nass bis zu den entlegenen Wiesen führten, verfallen oder werden zur Verbesserung und Vereinfachung der Bewirtschaftung mit Maschinen zugedeckt. Aber auch das kostbare Vokabular, das beim Bewässern gebräuchlich war, verschwindet immer mehr und geht verloren. Die jüngsten Generationen wissen praktisch nichts mehr über das herkömmliche Bewässern.
Dies wollte man auch in der Val Müstair verhindern. In Zusammenarbeit mit der Biosfera, der Gemeinde, dem Turissem Val Müstair und der Denkmalpflege des Kantons Graubünden startete darum im Jahre 2005 die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz das Projekt „Auals illa Val Müstair“. Dieses bezweckt die bestehenden Kenntnisse über die Flurbewässerung im Tal im Rahmen eines Übersichtsplanes zu aktualisieren und zu kategorisieren. Insbesondere sollen die wichtigsten Auals kennzeichnet werden und Themenwege zur Erweiterung des Wanderwegnetzes ausgeschieden und bezeichnet werden. Ein Hauptziel des neuen Projekts war aber auch, die Geschichte der Auals aufzuarbeiten und diese mit der Erhaltung der Kulturlandschaft und den Zielen des sanften Tourismus zu verbinden.
Als Resultat aus dem Projekt „Auals in Val Müstair“ ist ein rund 100 Seiten umfassendes Buch „Flurbewässerung im Münstertal“ entstanden, das am 22. Jänner in Tschierv vorgestellt wurde. Es umfasst die Inventarisierung der Auals und entsprechende Fotografien, aber auch einen Rückblick in die vergangene Zeit der Auals und einen Seitenblick auf andere Regionen mit ähnlichen Bewässerungssystemen. Dazu kommen ein Überblick der heutigen Situation und Auszüge der Wasserregelungen bis zurück ins 14. Jahrhundert. Zwei Übersichtskarten bieten einen Vergleich der Lage um das Jahr 1974 mit dem heutigen Zustand. Verschiedene Fotografien sowie Hinweise auf interessante Funde aus der Zeit der Auals laden den Leser dazu ein, selbst die alten Wasserläufe zu suchen und zu erkunden. Zum Teil kann man den Auals auf bestehende Wanderwege folgen, andere sind etwas versteckt, aber oft auch gut zu finden. Dank großzügiger Beiträge von verschiedenen Seiten war es auch möglich, einige Wasserkanäle zu revitalisieren. Entlang der Wasserläufe sollen Themenwege erstellt und speziell ausgeschildert werden.
Die Autoren des neuen Buches sind Martin Bundi, Raimund Rodewald und Jörg Clavadetscher. „Flurbewässerung im Münstertal“ kann zu einem Preis von Fr. 20.- bezogen werden.
Jasmin Mair