Aussprache über Mobilität und Wirtschaftsförderung
Publiziert in 23 / 2005 - Erschienen am 30. November 2005
Die Themen Mobilität und Wirtschaftsförderung standen im Mittelpunkt der jüngsten Sitzung des Vinschgauer SVP-Bezirkswirtschaftsausschusses im Raiffeisensaal in Latsch. Der Ausschussvorsitzende Hubert Paulmichl konnte dazu den Landesrat für Wirtschaft, Finanzen und Haushalt, Werner Frick, begrüßen sowie Gianfranco Jellici, Ressortdirektor im Mobilitätsassessorat, und Bahndirektor Ewald Fischnaller, der bei der SAD für die Vinschgerbahn zuständig ist.
„Die Vinschgerbahn befördert täglich 3000 Personen. Keine andere Regionalstrecke in Italien weist größere Fahrgastzahlen auf. Diese Zahlen haben auch die rosigsten Erwartungen weit übertroffen“, freute sich Jellici. Als Vergleich nannte er die Bahnstrecke Verona-Bozen-Brenner, auf der zu Spitzenzeiten 2800 Personen pro Tag verkehren. Das Projekt Vinschgerbahn habe sich trotz anfänglicher „Kinderkrankheiten“, die mittlerweile großteils ausgeräumt seien, bewährt. Die Bevölkerung „ziehe mit“. Nur wenig abgenommen habe wider Erwarten auch die Zahl der Busfahrgäste: „Der Bus wird fast genauso viel benutzt wie früher“. Der Fahrtakt auf der Hauptbuslinie in der Talsohle sei zwar halbiert worden, doch eine vollständige Auflassung dieser Hauptlinie, wie es ursprünglich geplant war, kann sich Jellici nicht vorstellen: „Von Naturns abwärts jedenfalls kann der Busdienst keinesfalls verschwinden“.
Vinschgerbahn in kleinen Schritten bis nach Bozen
Als strategisches Ziel kündigte Jellici an, dass die Vinschgerbahn „in kleinen Schritten bis nach Bozen weitergeführt werden soll“. Direkte Züge der Strecke Mals-Meran sollen im Laufe des nächsten Jahres bis nach Bozen weiterfahren, und zwar ohne Umsteigeschwierigkeiten in Meran. Vier neue Garnituren seinen bereits bestellt, die Lieferung ist für Ende 2006 vorgesehen. Es liege auf der Hand, die große Investition für das Projekt Vinschgerbahn rationell auszunutzen: „Theoretisch können wir mit der Vinschgerbahn überall fahren“. Ab dem 12. Dezember werde auf der Bahnstrecke Meran-Bozen der Halbstundentakt eingeführt. Auch über den neuen Dorfbus-Dienst für den Hauptort Schlanders und für Kortsch, den es ab Dezember gibt, informierte Jellici sowie auch über das Test-Projekt „Taxi per Abruf“ für Göflan und Vetzan.
Womit man laut Jellici nicht gerechnet hat, ist der große Zuspruch, den die Bahn bei Radfahrern erlebt, und zwar bei Gästen ebenso wie bei Einheimischen. Innerhalb 2006 werde sich noch nichts ändern, danach aber wird es Hand in Hand mit der Inbetriebnahme der neuen Garnituren mehr Platz für Fahrräder geben, speziell den Sommer über. Zu überdenken seien übrigens auch die doch recht hohen Tarife für das Mitnehmen von Fahrrädern.
In Zukunft mehr Platz
für Fahrräder
Dass das Projekt der Vinschgerbahn über die Strecke Meran-Mals hinauswachsen soll, meinte auch Ewald Fischnaller. Aus dieser Strecke, die einst der italienweit trockendste Ast im Bahnverkehr war, sei ein Modell für einen hochmodernen Personennahverkehr geworden. Die Wirtschaft solle das Projekt noch mehr mittragen. Der Pünktlichkeitsgrad sei hoch, die Qualität des Dienstes auch. Der Putzdienst etwa, wie er in Mals von einheimischem Personal durchgeführt wird, sei vorbildhaft.
Landesrat Werner Frick informierte über den Landeshaushalt und die Wirtschaftsförderung. Anknüpfend an das Projekt Vinschgerbahn hielt er fest, dass der Haushalt 2006 12 Prozent mehr für das Transportwesen vorsieht. Dass die Bahn gut angenommen wird, sei natürlich erfreulich und gut, „aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir dafür jährlich auch hohe laufende Ausgaben zu bestreiten haben“.
Das Verhältnis der Investitionen zu den laufenden Ausgaben habe sich im Haushaltsjahr 2006 im Vergleich zu anderen Jahren verschlechtert. Zu den Schwerpunkten gehörten weiterhin Bildung, Sanität, Mobilität, Familie und Sozialpolitik insgesamt.
„Ohne Zuwanderer
stirbt Südtirol aus“
Zum Thema Zuwanderung meinte Frick, dass diese nicht als Folgeerscheinung der „nimmersatten“ Wirtschaft anzusehen, sondern in einem viel weiter gefassten Kontext zu bewerten sei: „Wir brauchen die Zuwanderer, sonst stirbt Südtirol aus“. Großer Wert werde im neuen Haushalt auf den Bereich der Innovation gelegt. Innovation bedeute nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern vor allem Erneuerung der heimischen Wirtschaft bzw. die Förderung standortgebundener Tätigkeiten.
Was die Wirtschaftsförderung betrifft, so soll es nicht eine generelle Absenkung für alle Sparten geben, sondern eine Art Umschichtung: weniger „Förderungsfälle“ insgesamt bzw. gezielte Herausfilterung von „Förderungsfällen“. Dass es für die Zweige der Industrie und des Handels, die einen großen Anteil an der Südtiroler Wirtschaftskraft haben, verhältnismäßig wenig Förderungen gibt, räumte Frick ein. Stark gefördert werde der Tourismus.
Hubert Paulmichl warf ein, dass die Wartezeiten für den Erhalt der Förderbeiträge derzeit noch enorm seien, „sodass am Ende nur mehr ein Almosen übrig bleibt“.
„Nein zur Ausweisung
neuer Handelszonen“
Mit einem Plädoyer für den Erhalt der derzeitigen Handelsstruktur in Südtirol wartete Kurt Ziernhöld auf, Bezirkspräsident des Verbandes für Kaufleute und Dienstleister sowie SWR-Bezirksobmann. „Es darf keine Ausweisung zusätzlicher großflächiger Handelszonen über 500 Quadratmeter geben. Wir brauchen keine Einkaufszentren in Südtirol, nicht alles, was groß ist, ist gut“, sagte er.
Frick stimmte Ziernhöld grundsätzlich zu, sagte aber, dass er Einkaufszentren positiv gegenüberstehe. Es sei aber genau darauf zu achten, wo und in welcher Größe sie gebaut werden.
Zum vieldiskutierten Kaufkraftabfluss nach Nordtirol bzw. in den oberitalienischen Raum meinte der Landesrat, dass hier viel mit Emotionen gespielt werde. In Wirklichkeit werde dieses Phänomen aber überschätzt (siehe nebenstehende Pressemitteilung des WIFO).
Josef Laner