Links im Bild Ingeborg Forcher, Leiterin der Selbsthilfegruppe für Angst und Depression, rechts Uni. Prof. Martina Hummer.

Bevor die Seele Schaden nimmt

Publiziert in 16 / 2007 - Erschienen am 3. Mai 2007
„Psychische Störungen sind ein großes Problem der Weltgesundheit, da sie in jedem Alter auftreten können und häufig zu Schwierigkeiten im Alltag, Beruf und bei zwischenmenschlichen Beziehungen führen“, sagte Ingeborg Forcher, Leiterin der Selbsthilfegruppe für Angst und Depression beim Vortrag „Bevor die Seele Schaden nimmt“ von Uni. Prof. Martina Hummer. Wie wichtig Information und Aufklärung über psychische Schäden sind und wie therapierbar diese Erkrankungen sind, zeigte die Fachärztin für Psychiatrie im Rahmen der Vinschger Gesundheitswochen in Schlanders auf. „Der Vinschger“ hat im Anschluss an den Vortrag mit der Referentin ein Gespräch geführt. „Der Vinschger“: Wie entstehen psychische Erkrankungen? Prof. Martina Hummer: Jeder Mensch bringt eine bestimmte Verletzlichkeit, in der Fachsprache nennen wir es Vulnerabilität, mit, psychische Störungen zu entwickeln. Später können zusätzliche Faktoren hinzutreten, die die Erkrankung zum Ausbruch bringen. Daher trifft den Betroffenen keine Schuld. „Der Vinschger“: Gibt es Frühanzeichen für psychische Störungen? Prof. Martina Hummer: Ja, sehr deutliche, die aufmerksam machen sollten. Die typischen sind Hyperaktivität, Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen, Energiemangel, Unausgeschlafenheit, Aufmerksamkeitsstörungen, Angst, Nervosität, Neigung zum Weinen. Wenn mehrere dieser Zeichen gleichzeitig und länger anhaltend auftreten, sollte fachlicher Rat in Anspruch genommen werden. „Der Vinschger“: Warum soll man bereits bei Frühwarnzeichen zum Therapeuten oder Psychiater? Prof. Martina Hummer: Damit sofort die Ursachen der Störung gesucht werden können und der Betroffene lernt, Stress zu reduzieren. Es ist wichtig, eine Vertrauensbasis zu einem Facharzt aufzubauen. „Der Vinschger“: Gibt es Präventivmaßnahmen? Prof. Martina Hummer: Um das Entstehen von psychischen Störungen zu vermeiden, gilt es, jeglichen Stress im Alltag und im Privaten abzubauen. Das frühzeitige Erkennen und eine sofortige Inanspruchnahme ärztlicher und therapeutischer Hilfe sind ausschlaggebend für den Verlauf einer Störung. Bei den meisten Menschen erkennen wir eine psychische Erkrankung gar nicht. Sie haben Normalität und es kann jeden von uns treffen. „Der Vinschger“: Welches sind die häufigsten psychischen Störungen? Prof. Martina Hummer: Die häufigsten sind die Depression, die schizophrene Erkrankung sowie die Abhängigkeitserkrankung. „Der Vinschger“: Und deren auffälligsten Symptome? Prof. Martina Hummer: Bei der depressiven Erkrankung hat der Betroffene eine gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit, keinen Antrieb, ein vermindertes Selbstwertgefühl bis hin zu Suizidgedanken. Die schizophrene Störung ist gekennzeichnet durch einen Kontrollwahn, Gedankeneingebung, Halluzinationen (Wahnvorstellungen) oder Stimmenwahrnehmung. „Der Vinschger“: Wie wird eine Abhängigkeitserkrankung diagnostiziert? Prof. Martina Hummer: Wenn der Betroffene einen starken Wunsch, eine Art Zwang verspürt, psychotrope Substanzen zu konsumieren, also synthetische oder natürliche Mittel, die das Bewusstsein verändern, wenn eine verminderte Kontrollfähigkeit auffällt oder Entzugssymptome auftreten, kann man von einer Sucht sprechen. Der Vinschger“: Wie kann eine psychische Störung therapiert werden? Prof. Martina Hummer: Es ist nicht eine Frage der Ideologie, ob der Betroffene Medikamente einnimmt oder eine Psychotherapie in Anspruch nimmt. Es gibt Erkrankungen, wo Medikamente erforderlich sind, andere verlangen eine Psychotherapie. Ich bin dafür, dass immer auch ein Gespräch parallel zur medikamentösen Therapie geführt wird, um den Patienten aufzuklären. Nur aufgeklärt kann der Patient die Therapie verstehen und wird sie viel eher einhalten. „Der Vinschger“: Wie können Rückfälle vermieden werden? Prof. Martina Hummer: Nach einer erfolgreichen Therapie ist es wichtig, nicht wieder in dieselben Verhaltensmuster zurückzufallen, d.h. ein gutes Stressmanagement ist notwendig. Der Lebensstil ist ganz wesentlich und kann den Verlauf der psychischen Erkrankung maßgeblich beeinflussen. Eine gute Möglichkeit ist es auch, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. „Der Vinschger“: Warum genügt bei einer psychischen Störung ein Gespräch mit Freunden oder dem Partner nicht? Prof. Martina Hummer: Angehörige und Freunde sind wichtige Begleiter von psychisch Erkrankten. Allerdings möchte der Betroffene diese nicht belasten; er weiß, dass der Mensch, der ihm nahe steht, mitleiden wird. Der Angehörige oder Freund kann nicht neutral mit der Thematik umgehen. Wichtigste Basis für eine gelungene Therapie ist eine gute Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten. Ingeborg Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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