Die Churburg zwischen Biomasse und Energie aus dem Kosmos
Publiziert in 37 / 2008 - Erschienen am 22. Oktober 2008
Schluderns – Im Zentrum der 23. Churburger Wirtschaftsgespräche stand das Schicksalsthema Energie. Und energisch musste Gastgeber Johannes Graf Trapp nach dem Eröffnungskonzert der Musikkapelle Schluderns die Teilnehmer in den Ahnensaal bitten. Nach dem Hinweis auf das schöne Herbstwetter, das die Wirtschaftsgespräche sehr zuverlässig und stabil seit 23 Jahren begleite, nannte Graf Trapp das Thema „2008 Energie. Verantwortungsvoller Umgang mit unseren Rohstoffressourcen“ als aktuell, brisant und bedrohlich für den Weltfrieden. Der Landtagsabgeordnete Walter Baumgartner hob einmal mehr die Vorreiterrolle Südtirols hervor auf dem Weg zur Energie-Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern. Schluderns Bürgermeister Erwin Wegmann beeindruckte mit den Bemühungen seiner „eher ärmlichen Gemeinde“, über Fernheizung, Bio-Gas und über die Teilhabe am Windpark eine vollständig autarke Energieversorgung aufzubauen. Außerdem kündigte er für nächstes Jahr ein Symposium über Solarenergie an. Auf Bürgermeister Wegmann folgte der Impulsvortrag des Salzburger Ingenieurs Konrad Falko Wutscher über „Erneuerbare Energien in Europa“. Seine Ausführungen über Gründe und Hintergründe, dass es zur Begriffsbildung kommen konnte, dass die Diskussion über erneuerbare Energien mit allen ihren Folgen, Interpretationen und Auswirkungen den bescheidensten Hausbesitzer ebenso beschäftigt wie die Chefetage des global agierenden Konzerns, war das Fundament der 23. Wirtschaftsgespräche auf der Churburg. Den Klimaschutz, den steigenden Energiebedarf, die politisch zum Teil irrationalen Vorbehalte gegenüber der Atomenergie, den versuchten Befreiungsschlag gegen strategische Abhängigkeiten von Ölländern, Transportrouten und dem Nahostproblem, aber auch die zunehmenden, makroökonomischen Auswirkungen als neuer Wirtschaftszweig ortete Wutscher als auslösende Elemente. Zusammenfassend stellte er fest, dass der Klimaschutz zum vorrangigen politischen Ziel geworden ist. 20 Prozent Anteil an alternativer Energie am Gesamtbedarf sah er in der EU bis 2020 als realistisch. Da jetzt schon einzelne Arten von alternativen Energien in den Kosten mit fossiler Energie gleichgezogen hätten, dürfte es zu Technologieschüben in Bezug aus Brennstoffzellen, Biotreibstoffen und Biomasse kommen. Der Klimaschutz sei real gar nicht mehr rücknehmbar, weil er für die Marktteilnehmer eine Gewinn- und Arbeitsmaschine geworden sei. Wenn es nicht zu Preistreibereien und den Verlust von Wettbewerbsfähigkeit kommt, dürfte trotz nachweisbarer „Klimahysterie“ diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten sein, behauptete Wutscher.
Der für „Refining & Marketing“ des österreichischen Erdöl- und Erdgaskonzerns OMV zuständige Neffe des Gastgebers, Christoph von Trentini, stellte sich im Ahnensaal seiner Vorfahren mütterlicherseits „eine Investorenkonferenz seines Konzerns“ vor. Glasklar und rhetorisch überzeugend räumte er im Vortrag „Auswirkungen von neuen Wegen im Energiesektor“ mit überkommenen Vorstellungen auf und stellte verblüffend einleuchtende Zusammenhänge her zwischen der Verteuerung des Diesels und der amerikanischen Rezession. Er begründete den massiven Auftritt seiner Gesellschaft im Wachstumsgürtel Rumänien, Bulgarien, Türkei mit dem Schlagwort „mobil zu sein ist ein Grundbedürfnis der Menschen“. Er berichtete über die „Zukunftsdiskussionen“ bei OMV durch die Gründung des „OMV future energy fund“ und stellte das Projekt einer emissionslosen Energie-Anlage vor mit der Vision, dass CO2 einfach in riesige Bohrlöcher zurück gepumpt wird.
Wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurück führten einmal Professor Franz Josef Wodopia aus Essen, der über die „Repositionierung der Kohle als strategischer Energieträger“ referierte, und dann vor allem der Juniorchef bei Leitner Sterzing, Anton Leitner, der Erfolge, Möglichkeiten und Grenzen der Windenergie aufzeigte und das Postulat „Es braucht einen Mix an Energieträgern“ formulierte. Auf die „Veredelung elektrischer Energie durch Speicher und Pumpspeicherkraftwerke“ ging Ingenieur Armin Kager von der SEL-Edison AG ein und leitete zum saubersten und wertvollsten Energielieferanten des Landes, der Wasserkraft, über. Da die Zeit des Stauseebaus vorüber sei, bleibe in Südtirol nur die erweiterte Nutzung der schon bestehenden Wasserressourcen. Es wurde mucksmäuschenstill im Vortragsraum, als der Baubiologe Reinhold Holzer aus Schlanders den faktenverwachsenen, nüchternen Wissenschaftlern das altgermanische Sonnenrad mit CO2 in Zusammenhang brachte und für den Sonnenbaustoff Holz mit Beispielen aus dem Schnalstal im 14. bis Brasilien im 21. Jahrhundert seine Lanze brach.
Dass es Cecily und Johannes Graf Trapp mit Hilfe ihrer Familie und einiger Freunde schafften, die Gäste mit rauchenden Köpfen, aber ungebrochenem Interesse durch die Energie-Diskussion zu führen, lag nicht nur an Kaffeepausen und Aperitivs, an der Ausstellung von Erich Pirchers Kostbarkeiten oder an der Darbietung des Männergesangsvereins Schluderns, sondern an der szenischen Mithilfe der einstigen „Humanressource“ im Obervinschgau, den Karrnern. Projektleiter Karl Perfler hatte mit Markt, Musik und Suppen mitgeholfen, dass der mit Spannung erwartete und als motivierende Draufgabe angekündigte Vortrag von Weltraumforscher Manfred Fuchs aus Latsch auch zu später Stunde noch großen Anklang fand. In erster Linie staunten alle Zuhörer über die international erfolgreichen Aktivitäten eines Vinschger Satellitenbauers. Nachdem Ingenieur Fuchs von seinem Satellitenprojekt in den Gewerbeoberschulen von Meran und Bozen berichtet hatte, wird manch Südtiroler Herz höher geschlagen haben, als der in Bremen wirkende, einst jüngste Pilot Italiens und jüngster Flugzeug-Ingenieur Deutschlands so nebenbei meinte: „Wir sind ziemlich stark rund um die Erde und wir schauen in die Galaxien mit Satelliten, die wir bauen.“
Günther Schöpf