„Die Schwächsten trifft es am härtesten“
Publiziert in 35 / 2011 - Erschienen am 5. Oktober 2011
Wie wirkt sich das neueste Sparpaket auf die Rentner, die Rentenbestimmungen und die Familien aus? Diese und weitere Fragen stellte „Der Vinschger“ an Helmuth Renzler. Renzler ist Direktor der internen Agentur beim NISF/INPS in Bozen sowie freier Publizist auf dem Gebiet der Renten- und Sozialgesetzgebung sowie von Wirtschaftsthemen.
„Der Vinschger: Herr Renzler, Sie sind Rentenexperte und können uns sicher sagen, welche Auswirkungen das neue Sparpaket auf die Südtiroler Bevölkerung haben wird?
Helmuth Renzler: Ich glaube, man sollte sich nicht nur auf das letzte Sparpaket beschränken sondern man muss alle drei Sparpakete, die in den letzten 3 Monaten erlassen wurden, gemeinsam betrachten, aber auch die in den letzten zwei Jahren durchgeführten Sparmaßnahmen nicht vergessen.
Wie meinen Sie das?
Helmuth Renzler: Sehen Sie, vor drei Jahren wurde beschlossen, das Rentenalter für den Bezug einer Alterspension für die Frauen, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, ab 1. Jänner 2012 auf 65 Jahre zu erhöhen. Nun hat man beschlossen, auch das Lebensalter der Frauen für den Bezug einer Altersrente, die in der Privatwirtschaft arbeiten, ab 1. Jänner 2014 schrittweise auf 65 Jahre zu erhöhen. Diese Erhöhungen erfolgten ohne den Frauen dafür eine Gegenleistung zu geben wie etwa die schon lange geforderte Anerkennung für die Rente der Kindererziehungszeiten usw.. Somit muss man alle diese Maßnahmen gemeinsam betrachten.
Gibt es diesbezüglich noch weitere Maßnahmen?
Helmuth Renzler: Ja, weitere einschneidende Maßnahmen betreffen die Bediensteten des öffentlichen Dienstes, deren Gehälter bis 2014 eingefroren wurden und man spricht schon allen Ernstes davon, diesen Gehaltsstopp mit neuen Maßnahmen bis 2017 zu verlängern. Des Weiteren wurde für die öffentlich Bediensteten die Auszahlung der Abfertigung ab 1. Jänner 2012 um 2 Jahre verschoben sowie ein Solidaritätsbeitrag von den Besserverdienenden eingehoben - bei einer Jahresbruttoentlohnung von mehr als 90.000 Euro -, während dies bei den restlichen Steuerzahlern erst bei einem Jahreseinkommen von mehr als 300.000 Euro der Fall ist.
Und was bedeutet das?
Helmuth Renzler: Ganz einfach, wer z.B. im Jahr 2012 oder 2013 sein Arbeitsverhältnis mit der öffentlichen Verwaltung beendet oder in Pension geht, wird die ihm zustehende Abfertigung erst zwei Jahre später ausbezahlt bekommen.
Noch weitere schlechte Nachrichten?
Helmuth Renzler: Ja, wenn es der Regierung nicht gelingt, in den nächsten 2 Jahren einen akzeptablen Steuerföderalismus umzusetzen dann werden alle Freibeträge und Abschreibbeträge zuerst um 5% und dann um 20% gekürzt und dies bedeutet dann für die Familien weitere große finanzielle Einbußen. Weiters werden in Zukunft auch die Renten nicht mehr zur Gänze an die jährliche Inflation angepasst und somit verlieren die Rentner und Pensionisten alle Jahre an Kaufkraftverlust und werden somit immer ärmer.
Seit ein paar Tagen ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 21% in Kraft. Welche Auswirkungen hat diese Maßnahme auf unsere Familien?
Helmuth Renzler: Durch diese Erhöhung wird eine vierköpfige Familie im Jahr ca. 385 Euro Mehrausgaben haben. Einzelpersonen müssen mit ca. 100 Euro und ein Dreipersonenhaushalt mit ca. 220 Euro Mehrausgaben rechnen.
Wer sind somit also die Leidtragenden dieser Sparmaßnahmen?
Helmuth Renzler: Diese Frage kann ohne Zögern beantwortet werden. Die Leidtragenden dieser Sparmaßnahmen sind sicherlich die Familien, die öffentlich Bediensteten, die Rentner und Pensionisten sowie alle jene Personen und Familien, die nur über ein geringes Einkommen verfügen. Die Schwächsten der Gesellschaft werden somit zur Kasse gebeten, während die Reichen und vor allem jene, die an dem Schlamassel schuld sind, ungeschoren davonkommen.
Kann man dagegen etwas unternehmen?
Helmuth Renzler: Ja, ich glaube schon. Das Land sollte auf den regionalen IRPEF- Steuerzuschlag verzichten und somit den Familien eine kleine finanzielle Entlastung geben, welche die neuen Erhöhungen aber nur zum Teil auffangen würde, wobei bei der Befreiung zuerst die Familien und Rentner und erst in einem zweiten Moment die Alleinstehenden berücksichtigt werden sollten. Die Gemeinde sollte auf jeden Fall in den nächsten Jahren auf Gebührenerhöhungen verzichten und vielleicht sollte man auch wieder anfangen, in den Familien wieder etwas vermehrt zu sparen.
Interview: Michael Niedermair
Michael Niedermair