Das Fernheizwerk der Bio-Energiegenossenschaft Reschen an der Vinschgaustraße.

Energie in Reschen BERenstark und zukunftsfähig

Publiziert in 33 / 2008 - Erschienen am 24. September 2008
Reschen – Für Toni Patscheider, Obmann der BER, der Bio-Energie-Genossenschaft Reschen, ist es weit mehr als eine amüsante Episode, wenn er vom ersten Anfeuern des Hackschnitzelofens berichtet. Es war arktisch kalt damals Mitte November 2007. Zusammen mit seinem Stellvertreter, Christoph Federspiel, schob er an die vier Meter lange, vereiste Bretter in die Brennkammer, legte etwas Karton nach und setzte das Ganze mit der Gasflamme in Brand. „Der Kessel hat sofort angezogen und in wenigen Stunden hatten wir es warm“, erzählte der Hotelier aus Reschen, der seine Erfahrungen mit den explodierenden Heizölkosten gemacht und der alle Höhen und Tiefen einer Genossenschaftsgründung hinter sich hatte. Dabei waren es nur die wie zufällig eingestreuten Zwischenbemerkungen, die erahnen ließen, mit welch kleineren und größeren Knüppeln zwischen den Beinen sich die Gründer der BER zu beschäftigen hatten. Seit langem überlegte man sich in Reschen mit seinen 310 Heiz-Tagen, dass die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beendet werden musste. Alfons Wallnöfer, Obmann der Energiegenossenschaft Oberland (EGO), hatte bereits im Jahre 2004 eine Erhebung über Interesse an einem Fernheizwerk und über Bedarf an Fernwärme in der gesamten Gemeinde Graun durchführen lassen. Die Ergebnisse waren klar und die „Unabhängigkeitserklärung vom Heizöl“ fiel eindeutig aus. Nicht einmal zwei Jahre später waren die ersten Vorverträge unterschrieben. Nur die Trägerschaft einer zu gründenden Genossenschaft war zu klären. Was als naheliegend erschien, ließ sich nicht so ohne weiteres verwirklichen. Die Strom produzierende EGO hatte Mitglieder in der ganzen Gemeinde verstreut und wollte oder konnte nicht das Fernheizwerk einer bestimmten Fraktion übernehmen. Damit fiel der Startschuss zur Gründung von gleich zwei Bio-Energie-Genossenschaften in der Gemeinde Graun, die BEST in St. Valentin und die BER in Reschen. In den Verwaltungsrat der Bio-Genossenschaft Reschen wurden Toni Patscheider, Christoph Federspiel, Martin Folie, Federspiel Thomas, Alfons Wallnöfer, Reinhold Mall, Seraphin Stecher, Gualtiero Stecher, Andreas Bochet, Andreas Zegg, Gottlieb Maas und Martin Plangger gewählt. Erste Diskussionen gab es bei der Standortsuche. Schließlich erwarb die Genossenschaft 6.000 Quadratmeter an der Straße von einem Besitzer im nahen Nauders. Die Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Albrecht Plangger und seinem Stellvertreter Elmar Bochet hatte einen Beitrag von 200.000 Euro zur Verfügung gestellt. Nun geriet die BER ins Fadenkreuz der Heimatpfleger. Deren Obmann Peter Ortner hatte die Horrorvision von „qualmenden Fabriksgebäuden“ am Reschenscheideck beschwört. Den Bau eines Fernheizwerkes „in der als Naturdenkmal einzustufenden Buckellandschaft vor dem Dorf Reschen“ bezeichnete Ortner als „denkbar schlechte Visitenkarte Südtirols“; der Standort sei aus „landschaftsökologischen Gründen“ abzulehnen. Der „Dolomiten“-Beitrag zeigte Wirkung und schlug sich auch in den Planungsarbeiten des beauftragten Planers nieder. In diese schwierige Phase fiel auch das Einzahlen der – sehr bescheidenen – Mitgliedsbeiträge. Die freudige Aufbruchsstimmung war wie weggewischt. Gerade mal ein Häuflein von 30 Aufrechten hatte über Ausstieg oder Fortsetzung zu entscheiden. „Wir haben uns dann doch durchgebissen, damals“, erzählte Toni Patscheider, „und jetzt sind bald alle dabei, aber wenn es nicht funktioniert hätte…“ Der Obmann sprach es nicht aus, was ihm dann geblüht hätte. Inzwischen hatte die BER Ingenieur Karl Angerer aus St. Valentin mit der Projektierung des „Fernheizwerkes Reschen mit Heizhaus und Hackschnitzellager auf der Grundparzelle 423 in der Zone für öffentliche Einrichtungen mit Privatinitiative“ beauftragt. Dabei zeigte es sich, dass die anklagende Stellungnahme des Heimatpflegeverbandes durchaus Spuren hinterlassen hatte. Angerer führte im technischen Bericht vom 9. Februar 2007 ausführlich an, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, um das Gebäude von der Straße aus so wenig wie möglich einsehbar zu machen. Unter anderem führte er den Sichtschutz durch Bäume und das Entladen der Radlader „an der Ostseite, die nicht von der Straße aus eingesehen werden kann“ an. Heizhaus und Lager wurden von der Firma Baugut GmbH aus Reschen als Träger-Stützen-Konstruktion mit einer Dachstruktur in Stahlbeton ausgeführt. Ingenieur Benno Tibolla aus Prad, in Südtirol ein klingender Name in Sachen Energietechnik, war der Planungsauftrag für die Heizanlage anvertraut worden. Für die gesamten elektronischen Aufgaben holte sich der Verwaltungsrat der Genossenschaft ebenfalls Mitglieder und künftige Abnehmer ins Boot. Mit Thomas und Christoph Federspiel, bekannt als 3E-Team, wurde einerseits das technische Wissen Ortsansässiger genutzt, anderseits deren Eigeninteresse an einer effizienten Fernheizanlage mit günstiger Energie-Produktion berührt. Erfahrung und Fachwissen der Brüder wurden zu einem echten „Sparkonto“ für die Genossenschaft. Als Insider konnte ihnen kein Techniker ein A für ein O vormachen; sie wählten nicht nur das günstigste, sondern unter den günstigen das beste Angebot. Bis zum angepeilten Lieferdatum blieben knapp fünf Monate für den Bau der Anlage und des Verteilernetzes von fast 5 Kilometern Länge. Trotzdem ging der Verwaltungsrat sehr bedachtsam auf Kessel-Suche. Fündig wurden die „Rescher“ beim Vinschger „Energie-Guru“ Georg Wunderer in Prad. Dort wurde ihnen ein Kessel der Firma Kohlbach aus dem kärntnerischen Wolfsberg als besonders robust und wartungsfreundlich und dessen Beschickungstechnik als äußerst unempfindlich beschrieben. „Wir haben die Wahl bis heute nicht bereut“, meinte Christoph Federspiel, Vizeobmann der BER, „im Gegenteil…“ und zog wie zur Bestätigung einen meterlangen Ast aus dem Hackschnitzelhaufen unmittelbar an den hydraulischen Schubstangen. „Der würde mit Leichtigkeit geschluckt“, erklärte er. Am 29. November war es dann soweit, die BER lieferte die erste Wärme aus „Plutz“ an 108 Mitgliedern. Landesrat Michl Laimer erhielt am 16. Dezember 2007 Gelegenheit, das „symbolische Flämmchen“ hinzuhalten. Eine scherzhaft hingeworfene Aussage von Toni Patscheider, von hier könnte man auch Nauders beliefern, habe der Landesrat begeistert aufgegriffen. „Das wäre das erste grenzüberschreitende Bio-Energie-Projekt“, soll er gesagt haben. Inzwischen lassen sich 110 von insgesamt 156 Haushalten aus dem Fernheizwerk beliefern. Mit der unwahrscheinlichen Summe von 2,8 Mio Euro war es der BER gelungen, die Ölscheichs im Grenzort Reschen auszuhebeln. Öl wird nur mehr im Volumen von rund 800 Litern pro Jahr verheizt, um die Wärme bei Wartungsarbeiten am Kessel aufrecht zu erhalten. In ihrem schlichten Büro-Container zogen Toni Patscheider und Christoph Federspiel eine rundum positive Bilanz. Sie erwähnten die Bedienungsfreundlichkeit, die kurzen Wartungszeiten, das Auskommen ohne Angestellte, das Entgegenkommen und die Geduld der Bürger bei den Grabungsarbeiten und die Großzügigkeit der Fraktionsverwaltung mit Präsident Hubert Schöpf. Der habe nicht nur 100 Kubikmeter Holz zum Verkleiden der Lagerhalle zur Verfügung gestellt, sondern sei auch beim Beliefern von Hackgut sehr entgegen kommend. Die Verwalter der BER rechnen damit, ungefähr die Hälfte der benötigten 10.000 Raumschüttmeter Hackschnitzel aus den fraktionseigenen Wäldern zu beziehen und durch die Mobilhacker der Firma Transalbert aus Schluderns zubereiten zu lassen. Die andere Hälfte werde beim Vinschgauer Energiekonsortium (VEK) eingekauft. Man sprach mehr oder weniger offen vom „günstigsten Fernheizwerk Südtirols“ und man fand sogar schon Spielraum, Visionen zu entwickeln. Um ein Fernheizwerk auf längere Sicht halten zu können, komme man an der Erzeugung und den Verkauf von Strom nicht vorbei, gab sich Toni Patscheider überzeugt. Zusammen mit Gleichgesinnten könne er sich auch vorstellen, mit der überschüssigen Wärme auf 1.500 Metern Seehöhe einen Badesee zu heizen. Vielleicht hat sich der ideenreiche Obmann vom Internet-Spruch seiner technischen Mitarbeiter anstecken lassen. „Die Träume von gestern sind die Ideen von heute und die Wirklichkeit von morgen“, liest man auf der Homepage der der Gebrüder Federspiel. (Günther Schöpf) Eckdaten des Fernheizwerkes der ­­­­ Bio-Energiegenossenschaft Reschen Gründung der Gen.: 20. Februar 2006 Baubeginn Wärmenetz: September 2006 Baubeginn: Heizhaus: Juli 2007 Erstanfeuerung: 15. November 2007 Wärmelieferung: 29. November 2007 Eröffnung: 16. Dezember 2007 Mitglieder im September 2008: 139 Niedrigste Vertragsleistung: 8 kW Höchste Vertragsleistung: 250 kW Länge des Verteilernetzes: 5 Kilometer Nennleistung Hackgutofen: 1.600 kW Nennleistung Reservekessel: 2.000 kW Pufferspeicher: 54.000 Liter Jährlicher Wärmebedarf (2009): 4.670 kWh Brennstoffbedarf: zwischen 8.000 und 10.000 Schüttraummeter Heizöleinsparung jährlich: 570.000 Liter CO2 Einsparung jährlich: 1.500 Tonnen
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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