Es geht auch nebeneinander

Publiziert in 16 / 2009 - Erschienen am 29. April 2009
Burgeis – Der zweite Teil der Tagung in der Fürstenburg zum Thema „Landwirtschaft im Oberen Vinschgau – wohin?“ befasste sich mit dem Apfelanbau in Höhenlagen und den entsprechenden Vermarktungsmöglichkeiten. Weiters wurde der Beratungsring und dessen Leistungen sowie der neu gegründete Obstbauverein St. Veith vorgestellt. Dass in der Landwirtschaft im Obervinschgau großes Potential liegt, hatte bereits die erste Tagung in der Fürstenburg ergeben, und wo es die klimatischen Bedingungen erlauben, werden große Erwartungen vor allem in den Apfelanbau gesetzt. „Der Apfelanbau in der Grenzregion Obervinschgau ist auch mit Risiken verbunden“, sagte Fachlehrer Hans Zagler, der gleichzeitig der Initiator der Tagungsreihe an der Fürstenburg ist. „Die verlockenden Auszahlungspreise sollen nicht alleiniges Kriterium sein, denn es gibt auch vieles andere zu berücksichtigen. Wichtig ist, in welchem Ausmaß man in eine neue Kultur einsteigt“, so ­Zagler. von Ingeborg Rechenmacher Martin Thomann, der Bezirksleiter des Beratungsringes erläuterte den interessierten Bauern die Voraussetzungen für einen erfolgreichen ­Apfelanbau, die zu beachtenden Risikofaktoren, die Kosten einer Neuanpflanzung sowie die zu erwartenden Rendite. „Die Dauerfrucht Apfel ist eigentlich recht unkompliziert, bevorzugt jedoch einen leichten, gut durchlüfteten Boden, wie er vor allem auf Schuttkegeln anzutreffen ist. Für die Ertragsfähigkeit und den Einfluss auf Winterschäden relevant ist auch die Exposition der Anlage zur Sonne. Da im Vinschgau in der Vegetationsperiode nur geringe Niederschlagsmengen fallen, muss von April bis zur Ernte eine kontinuierliche Bewässerung gewährleistet sein. In der Talsohle ist zusätzlich eine Frostberegnung erforderlich. Die Risiken für eine Apfel­anlage sind Winterfrostschäden, Austrocknungsschäden sowie Blütenfrostschäden. Jung­anlagen in Schattenseiten sind besonders gefährdet. Der Wind verhindert zwar Pilzkrankheiten, die Gefahr von Sturmschäden stellt jedoch höhere Ansprüche an das Stützgerüst. Die Absicherung vor Hagelschäden kann durch eine Versicherung oder durch Hagelnetze geschehen. Der Apfelanbau gehört zu den Dauerkulturen mit einer Umtriebszeit von 15 bis 20 Jahren und stellt besondere An­sprüche an den Betriebsleiter. Der Arbeitsbedarf pro Jahr und Hektar beläuft sich auf ca. 600 Stunden, wobei besonders die Arbeitsspitzen wie die Erstellung einer Neuanlage, der Pflanzenschutz, das Handausdünnen und die Ernte sehr zeit- und arbeitsintensiv sind. Der notwendige Maschinenpark beinhaltet einen Obstbau­traktor, Sprüher, Mulcher, Stapler und Erntetransportwagen. Eine moderne Neuanlage ist eine große finanzielle Belastung, und eine gute Planung und Beratung sowie der maximale Einsatz und Fleiß sind erforderlich. Die Investitionskosten für eine Neuanlage belaufen sich auf bis zu 35.000 Euro, ohne Beregnung und Hagelschutz. Die Pflegekosten (Arbeit und Maschinen) von 12.000 Euro und die Betriebs- und Kapitalkosten von 5.000 Euro pro Hektar fallen jährlich an. Den Ausgaben gegenüber steht ein durchschnittlicher Hektarerlös von ca. 26.000 Euro. Mithilfe einer gut organisierten Verwaltungsstruktur, einer kompetenten Beratungsorganisation und aufgrund der guten inneren Qualität und Haltbarkeit der Ware stehen die ­Chancen für den Apfelanbau in Höhenlagen gut, und eine höhere Rendite ist auch bei kleineren Betriebsgrößen zu erwarten“, so Martin Thomann. Sehr ausführlich erklärte ­Peter Stricker, seit 6 Jahren Geschäftsführer in der Obstgenossen­schaft JUVAL in ­Kastelbell, das Genossenschaftswesen im Vinschgau. „Das was jetzt im Oberen Vinschgau passiert, hat im Raum Latsch/Kastelbell vor 70 Jahren mit derselben Ausgangsposition stattgefunden“, so Peter Stricker. Er stellte das Organigramm einer Genossenschaft und die Struktur der VI.P. vor und gab einen interessanten Einblick in die Verteilung der Sorten auf die Anbaufläche, auf Exportmärkte, auf Qualitäts­zertifizierungen u.ä. Er erinnerte die Anwesenden daran, dass ein Obstbaubetrieb Lebens­mittel produziert, und diese von kompromissloser Qualität sein müssen. Abschließend richtete er einen Appell an die Obervinschger, sich genossenschaftlich zu organisieren, sich zu bündeln und bestehenden Strukturen anzuschließen, denn gerade „das Genossenschaftswesen ist unsere Stärke“. Das breit gefächerte Angebot des Beratungsringes stellte der junge Berater Michael Gamper vor. Mit über 1.400 Mitgliedern ist der Vinschgau der größte Beratungsbezirk des Südt­iroler Beratungsringes. Insgesamt sind 5.500 landwirtschaftliche Betriebe mit einer Mitglieds­fläche von 18 000 Hektar im Beratungsring eingeschrieben. Die Beratungstätigkeit umfasst Einzelberatungen für Betriebe, Flurbegehungen in über 100 Ortschaften in ganz Südtirol sowie die schriftliche Beratung über Rundschreiben, Fach­magazine und das Internetportal. Der Beratungsring erstellt Düngepläne für Betriebe und führt Sprühertests durch; zu Feuerbrand und Schorf leitet er Warnmeldungen an seine Mitglieder weiter. All diese Angebote sowie eine individuelle Hilfestellung bei Neuanpflanzungen erleichtern den Einstieg in den Obstbau. „Traut euch an die Materie!“ Diesen Aufruf machte Othmar Wunderer, Obmann des im J­anuar 2009 gegründeten Obstbauvereins St. Veith. „Lieber als unsere Gründe zu verkaufen, sollten wir eine bessere Wertschöpfung herausholen“, so der Obmann. Die Präsentation des Obstbauvereins überließ Wunderer dem Vereinsmitglied Stephan Gander, der die Vereinsstruktur und die Kooperationspartner vorstellte. „Der Obervinschgau muss wach geküsst werden!“, so Gander, der sich gemeinsam mit seinen Vereinsmitgliedern Gedanken über die zukünftige Ausrichtung macht. Dabei kommen ihm seine einschlägigen Erfahrungen als Marketingleiter in der VI.P und im Marktmanagement der SMG zugute. Eine Studie soll klären, welches die bestmögliche Organisationsform für die bestehenden und zukünftigen Obstbaubetriebe im Oberen Vinschgau sein soll. Bis dahin fahren die Mitglieder des Obstbauvereins St. Veith am besten als „Lieferanten auf Ehre“ bei JUVAL/TEXEL und mit der Vermarktung über die VI.P. Der von seinem Schwieger­vater gepachtete Grund von Flori Tappeiner in Schleis ist abgezäunt, und rundherum grasen die Kühe der angrenzenden landwirtschaftlichen Betriebe. „Es geht auch nebeneinander“, sagt der Laaser Jungbauer, der den Versuch gewagt hat, vor 5 Jahren in Schleis Golden Delicious anzubauen und darüber einen kurzen Erfahrungs­bericht abgab. Die Hektarerträge liegen beinahe bei 6 Waggon, das ist „mehr als erwartet“ und entspricht ungefähr der Zone Allitz. ­Flori Tappeiner rät seinen Obervinschger Kollegen, anfangs möglichst viele Arbeiten über den Maschinenring zu erledigen, da die Neuinvestitionen im Obstbau ins Geld gehen. „Ich möchte, dass jeder Bauer unternehmerisch denkt, dann weiß er, was für ihn finanziell und arbeitstechnisch möglich ist“, so der Laaser. Stellvertretend für den Bezirksbauernrat Vinschgau richtete Erich Schweitzer das Wort an die Anwesenden. „Es braucht Mut, neue Wege zu gehen. Ich rate jedoch, vorerst nicht zu groß einzusteigen, denn jeder Neuaufbau ist mit Kosten verbunden. Der Bauernbund unterstützt den Strukturwandel im Oberen Vinschgau, um den Fortbestand der landwirtschaftlichen Betriebe und ­deren Familien zu sichern und bietet jede Form von Hilfe an“. Der dritte und letzte Teil der Tagungsreihe „Landwirtschaft im Oberen Vinschgau – wohin?“ mit den Schwerpunkten „Gemüseanbau in Höhenlagen“ und „Kräuteranbau“ findet am Donnerstag, 30. April 2009 von 14 bis 17 Uhr in der ­Fürstenburg statt. Referenten sind Markus Hauser, Versuchsleiter des Versuchszentrums Laimburg, Außenstelle Eyrs, Heinrich Abraham, Kräuterexperte der Laimburg und Reinhard Ladurner, Geschäftsführer der Genossenschaften OVEG und ALPE. Alle interessierten Bäuerinnen, Bauern und Anbauer sind herzlich dazu eingeladen.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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