Schüler der Fachschule für Landwirtschaft Burgeis bei Karfiol-Produzent Andreas Tappeiner in Laas (rechts); Foto Hans Zagler

Gemüseanbau in der Rolle des Steigbügelhalters

Publiziert in 20 / 2009 - Erschienen am 27. Mai 2009
Burgeis – Der dritte Teil der Tagung „Landwirtschaft im oberen Vinschgau – wohin?“ war dem Gemüse- und Kräuter­anbau gewidmet. Die Tagungsfrage wurde auch diesmal nicht beantwortet, aber die Organisatoren in der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis haben Perspektiven eröffnet, indem sie Experten und Praktiker aus ihren Blickwinkeln berichten ließen. Hans Zagler, Lehrer für Bodenkunde und Pflanzenschutz, leitete auch den dritten Teil der Tagungsreihe mit Hinweisen auf die unsichere Zukunft einer kleinstrukturierten Landwirtschaft vor dem Hintergrund der Milchkontingentierung. „Wir dürfen nicht nur abwarten“, ermahnte er, „Nahrungsmittel aus der Produktion vor Ort schaffen und erhalten leichter das Vertrauen der Konsumenten.“ von Günther Schöpf Damit kündigte er Andreas Tappeiner, den Bezirksobmann des Bauernbundes, nicht „als Experten“, sondern als praktizierenden Biobauern an. Der Wiesenhofbauer Tappeiner aus Laas zeigte sich überzeugt, im Vinschgau eine Reihe von Standortvorteilen zu haben, die andernorts in dieser Kombination nicht bestehen: „Wir haben Chancen durch unsere klimatischen Gegebenheiten, die schon viele nutzen; wir haben in der Landwirtschaftsschule Burgeis ein Kompetenzzentrum; wir haben ein Versuchszentrum und wir haben Vermarktungsstrukturen.“ Anschließend stellte er seinen eigenen Hof mit 6 Hektar Betriebsfläche vor und verglich den Zwang zu Grundsatzentscheidungen in den frühen 80er Jahren mit der derzeitigen Situation. Damals habe die Betriebsschließung der Krumm Alpina auch seine Familie getroffen und die wirtschaftliche Notlage zur Umstrukturierung auf den Gemüsebau erzwungen. Ein Hoffnungsschimmer in jenen Zeiten sei die Genossenschaft ALPE gewesen. Man habe sich auf Blumenkohl spezialisiert und darauf geachtet durch Parzellengröße, Abdeckung durch Flies-Bahnen die Erntegänge so zu steuern, dass man mit möglichst wenig Fremdarbeit auskam. Die entscheidenden Vorteile des Gemüseanbaues seien einfach die niedrigen Investitions­kosten und der schnelle Rückfluss des Kapitals, um die Familie zu ernähren und neuerlich zu investieren. Tappeiner zog sein Fazit: „Das Segment Gemüse ist der einfachste Übergang von der Viehhaltung zum Obstbau.“ „Man muss sich halt bücken“ Der Versuchsleiter des Versuchszentrums Laimburg, Außenstelle Eyrs, Markus Hauser erinnerte in seinem Referat an die Aufgabe des 5 ha umfassenden Versuchsfeldes, nämlich das Risiko von den Produzenten zu nehmen und umsetzbare Erkenntnisse zu liefern. Seit den 70er Jahren seien die Vorteile des Vinschger Klimas für den Blumenkohl-Anbau bekannt und würden zu einem Zeitpunkt auf den Markt gebracht, in dem die Großbetriebe der Ebene wegen der Hitze dazu nicht mehr in der Lage seien. Auch Hauser nannte das Vinschger Klima mit dem dauernden Wind als wichtigen Standortvorteil. Danach komme die Bewässerung bzw. Beregnung, ohne die kein Gemüseanbau möglich sei. Er ging auch auf die Situation ein, dass Gemüse und Viehbauern bei gegenseitiger Rücksichtnahme durchaus nebeneinander eine Beregnung nutzen könnten. Als dritte Grundvoraussetzung erwähnte er die Bodenstruktur, die mit organischem Dünger erhalten werden müsse. Damit ergäbe sich ein ergänzendes Nebeneinander von Viehhaltung und Gemüseanbau. Um für den Gemüseanbau geeignete Böden ausfindig zu machen, empfahl der Praktiker Hauser eine Bodenkartierung in Zusammenarbeit mit den Bauern. Neben den Grundvoraussetzungen ging der Referent auf den notwendigen Maschinenpark ein und erinnerte an die Möglichkeiten des Maschinenringes. Hauser führte konkrete Zahlen an mit 300 bis 400 Arbeitskraftstunden pro ha beim Blumenkohl. Wenn man von einer durchschnittlichen Erntemenge von 3 bis 3,5 Waggon pro ha und einem Ertrag zwischen 12.000 und 15.000 Euro ausgehe, seien noch die Produktionskosten - Arbeit, Maschinen, Pflanzenankauf usw. – abzuziehen. Auch Markus Hauser bestätigte, dass im Mittel­vinschgau sehr viele Bauern den Gemüseanbau als Zwischenstufe zum Obstbau betrieben hätten. „Nur bücken muss man sich“, streute er ein. „Wichtig ist die Zusammenarbeit mit der Vermarktungsstruktur. Empfehlenswert ist ein moderater Einstieg.“ Auf die Frage, welche Gemüsesorten für welche Höhe geeignet seien, riet er, in den eigenen Garten zu schauen. Grundsätzlich sehe er keine Probleme für Blumenkohl auf bis zu 1.100, 1.200 Metern. Voraussetzung sei eine bestimmte Tiefgründigkeit des Bodens. Dabei führte er das Beispiel eines Radicchio-Anbaues auf St. Valentin an und die Tatsache, dass die Vegetation in den Mösern von Eyrs im Frühjahr meist hinter der in Burgeis nachhinke. Angesprochen auf den Spargelanbau machte Hauser auf den wahrscheinlich höchsten Spargelanbau Europas, in Graun, aufmerksam. Natürlich werde in Eyrs Spargel angebaut, aber man solle sich nichts vormachen, eine Ernte sei erst möglich, wenn die übliche Spargelzeit längst vorbei ist. Allerdings könnten kleinere Mengen im Gastronomie-Bereich durchaus abgesetzt werden. Erfahrungen eines Biobauern Helmuth Schönthaler, ­Lehrer aus Eyrs und Biobauer seit 15 Jahren in der Fraktion Tschengls, liefert seine Produkte an die Bio Vinschgau nach Latsch, an das Detailgeschäft der OVEG in Eyrs und an Privatkunden. Seinen 3 ha großen Nebenerwerbsbetrieb bewirtschafte er mit Bruder, Vater und zwei saisonalen Arbeitskräften. Auf 1,2 ha werde Obst angebaut; von 0,8 ha werde Futter an einen Schlanderser Pferde­besitzer abgegeben; auf 0,5 bis 1 ha baue er Karfiol, Kartoffel und Sellerie an. Ein Biobauer habe laut Schönthaler auch Auf­gaben, so Lebensgrundlagen zu erhalten, gesunde Lebensmittel zu produzieren, aber auch aktiven Umwelt- und Artenschutz zu betreiben. Anschaulich und ausführlich klärte Schönthaler über Fruchtfolge, Düngung, Ph-Werte des Bodens, über Schädlings- und Unkrautbekämpfung, Erntemengen und Erträge auf, immer unter den Kriterien, an die sich ein Biobauer zu halten habe, und bezogen auf Karfiol, Stangensellerie, Erdäpfel, Fenchel. Er machte auch aufmerksam, dass der Umgang mit dem organischen Dünger im Obervinschgau zu wünschen über lasse. Misthäufen stünden frei herum und würden ausgeregnet. Blumenkohl und Marmor - weißes Gold in Laas Der Geschäftsführer der Genossenschaften Alpe in Laas und OVEG in Eyrs, für die VI.P auch Geschäftsfeldleiter Gemüse, Reinhard Ladurner, berichtete aus der Sicht des Vermarkters und sprach sinngemäß ebenfalls vom Gemüseanbau als Entwicklungshelfer zum Obstbau oder zumindest als „interessanten Einstieg“. Auch er war der Meinung, dass sich die dominierende Rolle des Blumenkohls durch die klimatische Besonderheit des Vinschgaus und durch die kalkhaltigen Böden entwickelt habe. Ladurner sah durchaus Möglichkeiten, im Gemeindegebiet Mals Gemüse, darunter Blumenkohl, anzubauen. Geringe Niederschläge, viel Sonnentage, frische Luft und markante Temperaturschwankungen würden als natürlich Voraussetzungen zutreffen. Organisatorisch sei man mit dem Genossenschaftssystem gut aufgestellt. Ladurner ging auf die Ansprüche der Kunden ein, die zu strengen Auflagen und entsprechend zu Qualitätszertifizierungen der Genossenschaften und des Verbandes (VI.P) geführt hätten. Ladurner sah im Gemüseanbau eine Chance zur Weiterentwicklung der Landwirtschaft im Oberen Vinschgau. ­Interessierte hieß er als zukünftige Lieferanten willkommen, auch um eine bestimmte Produktionsmenge an Gemüse sicher zu stellen, da die Produktion im bisherigen „Kerngebiet“ durch den vermehrten Obstbau zurück gehe. Südtirols Kräuter begehrt, aber zu teuer Fast drei Stunden mussten die Liebhaber des Kräuteranbaus ausharren, bis der Kräuter­experte der Laimburg, Heinrich Abraham aus Steinmannwald bei Leifers, seinen Auftritt hatte. In seinem Versuch, den Interessierten möglichst reinen Wein einzuschenken, legte Abraham schonungslos alle bürokratischen Hürden, gesetzlichen Fußangeln und drohenden Sanktionen auf den Tisch, die der gewerbsmäßige Kräuteranbau in Südtirol mit sich bringt. Die Formulierung, Kräuteranbau sei eine Intensivkultur, war nachvollziehbar, auch der Befähigungsnachweis nach Prüfungen an der Laimburg wurde als korrekt empfunden, aber schon die Reihe der Anbau- und Verkaufsgenehmigungen ließ einige im Saal den Kopf schütteln. Den Höhepunkt an Unverständnis verursachten die Erläuterungen zur Beschriftung der Verpackung, wozu 11 Punkte zu beachten seien. Am Ende seiner Ausführungen berichtete Heinrich Abraham von 42 Betrieben, die im Versuchszentrum Laimburg registriert seien, die es mit Ausnahme von Anbauern in Tourismuszentren sehr schwer hätten, weil es keine genossenschaftliche Organisation gäbe. „Die Direktvermarktung ist ausgeschöpft. Südtiroler Kräuter haben einen guten Ruf und sind begehrt, aber sie sind zu teuer“, war eine Aussage des Experten aus Leifers. Pater Kolumban Züger und Schwester Luitgarde aus Müstair werden es wohl weiterhin vorziehen, die Kräuter in der Umgebung ihres Klosters zu sammeln und sie nach Schweizer Gesetzen im Klosterladen anbieten.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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