Hochwasserschutz im oberen Vinschgau
Publiziert in 19 / 2009 - Erschienen am 20. Mai 2009
Burgeis - Zu den bedeutendsten Diskussionspunkten im Rahmen des Flussraumdialogs im oberen Vinschgau (Projekt Etsch-Dialog) gehört sicher die Planung von Maßnahmen zum Hochwasserschutz.
Zu diesem Thema trafen sich kürzlich Experten und Betroffene aus dem oberen Vinschgau auf Einladung des Amtes für Wasserschutzbauten in den ehrwürdigen Räumen der Fürstenburg in Burgeis.
Abteilungsdirektor Rudolf Pollinger hatte dazu Diplomingenieur Hubert Steiner aus Innsbruck eingeladen, der über die Hochwasserereignisse im Gebiet rings um den Arlbergpass berichtete, die sich auf einer Fläche von rund tausend Quadratkilometern austobten und unglaubliche Schäden durch Überschwemmungen und Murenabgänge verursachten.
Rund 30 Stunden heftigster Regenfälle, verursacht durch eine - wie die Meteorologen sagen- Okklusion eines Tiefs mit Kern über Slowenien, brachten Niederschlagsmengen vom über 200 mm pro m². Seit 80 Jahren gab es keine solchen Niederschlagsmengen mehr wie eben 1999 und vor allem 2005. Solche Ereignisse lassen sich leider noch nicht so genau prognostizieren, dass Evakuierungspläne darauf abgestimmt werden können, meinte der Experte aus Innsbruck. Für den Hochwasserschutz bedeutet dies große Unsicherheit, da dieser sehr viel Geld kostet und niemand weiß, ob ein solches Ereignis in fünf, zehn oder erst in 150 Jahren wieder kommt.
Besonders interessant wurde es, als dann Ingenieur Walter Gostner über „Gefahren durch Hochwasser und Muren im oberen Vinschgau“ berichtete.
Der Vinschgau ist voll von Zeugnissen großer Schadensereignisse durch Murgänge und Überschwemmungen in der Vergangenheit.
Allein der Gadria Schuttkegel bedeckt eine Fläche von rund 10 km² und besteht aus fast eineinhalb Millionen m³ Material. Er dürfte vor ungefähr 7.000 Jahren nach der letzten Eiszeit entstanden sein. Dieser und die Malser Haide sind die größten Schuttkegel Europas.
Alle Dörfer im Vinschgau, außer Plaus, liegen auf Murkegeln und damit in einer möglichen Gefahrenzone. Allerdings, so Ing. Gostner, vergessen die Menschen sehr schnell, wenn sie auch ein Schadensereignis selbst erlebt haben. Schon nach wenigen Wochen oder Monaten, blicken die meisten wieder positiv in die Zukunft und glauben, das Schlimmste überstanden zu haben. Die Menschen trotzen lieber der Gefahr, als dass sie einen liebgewordenen Siedlungsraum oder ein Gebiet mit landwirtschaftlicher Nutzung aufgeben. Dem Bürger muss allerdings klargemacht werden, dass er selbst auch eine gewisse Verantwortung hat und er das Restrisiko auch mittragen muss, wenn er gefährdete Räume nutzt.
Wildbachverbauung und Zivilschutz sind wichtige Elemente des Schutzes von Menschenleben und Gütern und zur Verminderung des Restrisikos.
So hat sich etwa die Gemeinde Schluderns dazu entschieden in den Hochwasserschutz rund 100.000 Euro mehr zu investieren, da auf diese Weise ein mögliches Schadensereignis von fast 20 Mio. Euro vermieden werden kann.
Schadensereignisse können heute ziemlich genau vorausberechnet werden und alle Gemeinden sind verpflichtet worden, Gefahrenschutzpläne auszuarbeiten. Ing. Walter Gostner zeigte auch die Karten mit den Gefahrenzonen von Laas, Lichtenberg, Prad, Schluderns und Glurns. Hochwasserschutz darf nicht nur durch aktive Maßnahmen wie Mauern oder andere Schutzbauten betrieben werden, sondern auch durch so genannte passive Maßnahmen wie eine Raumplanung, die mögliche Schadensereignisse wie Hochwasser und Murgänge in ihre Überlegungen einbezieht. So dürfen wichtige Gebäude des Zivilschutzes nicht in Gefahrenzonen hineingebaut werden.
Hochwasser, Muren und Lawinen sind die erbarmungslosen Gesellen, mit denen wir im Bergebiet zurechtkommen müssen. Sagen aus alter Zeit haben diese Schadensereignisse Hexen und anderen bösen Geistern zugeschrieben. So einfach geht es heute nicht mehr, auch wenn diese Geschichten uns auch heute helfen können zu sehen, wo Schlimmes befürchtet werden muss. Heute bleibt der Politik die schwierige Aufgabe, den Menschen diese Maßnahmen zu erklären und die dafür notwendigen Ausgaben zu begründen. Da muss über längere Perioden als eine Legislatur hinausgedacht werden, was Bürgern und Politikern manchmal schwer fallen dürfte.
(frie)
Friedrich Haring