Ein Foto seines Grundstücks, wie es Walter Blaas 2009 vorgefunden hat.

„In der Schweiz wäre so etwas ein Skandal“

Publiziert in 20 / 2011 - Erschienen am 25. Mai 2011
Planeil/Zürich – Die widerrechtliche Besetzung eines privaten Grundstücks seitens der Gemeinde, die Ausführung von Arbeiten ohne das Wissen der Grundeigentümer, die mangelnde Bereitschaft der Gemeinde, auf ein Vergleichsangebot der Eigentümer einzugehen. Dies sind die wesentlichsten „Ingredienzen“ eines nicht alltäglichen Rechtsstreits zwischen der Gemeinde Mals und des in Zürich lebenden Ehepaars Walter und Florina Blaas. Während die Eigentümer von einem Skandal sprechen, sieht der Malser Bürgermeister die Lage anders: „Es sind zwar Fehler passiert, doch jetzt geht es den Eigentümern nur mehr darum, sich zu bereichern.“ Es war im Sommer 2008, als der aus Planeil stammende Walter Blaas bei einem Ferienaufenthalt zufällig feststellte, dass auf seinem Grundstück „Gompatsch“ (Grundparzelle 1126) in Planeil Bauarbeiten erfolgt waren. Zumal er nicht informiert worden war und nicht wusste, wer hier gearbeitet hat und was gemacht wurde, teilte ihm der damalige Vizebürgermeister auf Anfrage mit, dass es sich um Arbeiten zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung - neue Trinkwasserfassung - für das Dorf Planeil handle und dass das Grundstück wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt werde. Bereits 2007 hatte die Gemeinde eine an das Grundstück von Walter Blaas angrenzende Fläche erworben, um die dortige Trinkwasserversorgungsanlage zu sanieren, was angeblich dringend notwendig war. Bei den Arbeiten im Frühjahr 2008 wurde jedoch im Grundstück von Walter und Florina Blaas gearbeitet, „und zwar ohne jeglichen gültigen Rechtstitel,“ wie Walter Blaas betont. Man habe die Anlage erbaut und Baumaterialien überdies einfach liegen lassen, welche bis heute nicht entsorgt worden seien. Zu Pfingsten 2009 musste Walter Blaas feststellen, dass sich das Grundstück nach wie vor im selben Zustand befand, wie er es ca. ein Jahr zuvor angetroffen hatte. Im Juni 2009 forderten die Eigentümer die Gemeinde Mals auf, den ursprünglichen Zustand des Grundstücks wiederherzustellen. Im August 2009 kam es zu einem Lokalaugenschein in Planeil, bei dem die Gemeinde mit dem Referenten Andreas Heinisch vertreten war. Dieser teilte mit, dass ein Geometer beauftragt worden sei, um die Grundstücksgrenze zu vermessen. Walter Blaas fühlte sich einer Hinhaltetaktik ausgesetzt. Im Oktober 2009 ließ Bürgermeister Ulrich Veith die Eigentümer via E-Mail wissen: „Die Vermessung hat ergeben, dass sich die Trinkwasserfassung leider auf der Gp. 1126 und somit auf Ihrem Grund befindet. Wir entschuldigen uns bei Ihnen dafür, Ihren Grund unwissentlich besetzt zu haben.“ Der Bürgermeister bot daraufhin den Kauf des Grundstücks zu einem Kaufpreis von 4 Euro pro Quadratmeter an. Diesen Preis erachteten die Eigentümer als nicht akzeptabel, zumal sie eigentlich keines ihrer Grundstücke verkaufen wollten. Sie regten aber ein Treffen an, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Das Treffen fand im April 2010 im Rathaus in Mals statt. Veith schlug vor, etwas mehr als 900 Quadratmeter der Grundparzelle abzukaufen. Mehr als 4 Euro sei als Preis aber nicht zu rechtfertigen, da der Eigentümer des anderen Grundstücks auch nur 4 Euro bekommen habe. Anlässlich dieses Gesprächs informierte Veith auch, dass zur Erstellung des geplanten Wasserkraftwerks in Planeil weiterer Grund von Walter Blaas erworben werden müsse. Ein Teil betreffe einen Gemeindeweg, den die Gemeinde von Walter Blaas nie abgelöst habe. Er schlage daher vor, für die Parzelle „Gompatsch“ zwar nur 4 Euro pro Quadratmeter, für den Gemeindeweg hingegen 40 Euro zu bezahlen. Unter dem Strich würde damit ein etwas höherer Kaufpreis für „Gompatsch“ resultieren. Von der Vermischung dieser zwei voneinander unabhängigen Angelegenheiten zeigten sich die Eigentümer aber nicht begeistert. Eine Einigung fand an diesem Treffen nicht statt. Wie sich herausstellte, erhielten die Planeiler Grundeigentümer für Grundstücke, die zur Erstellung des Wasserkraftwerks benötigt wurden, 40 Euro pro Quadratmeter. Auch der noch Walter Blaas gehörende Gemeindeweg wurde von der Puni GmbH, bei der die Gemeinde mit 50,01% beteiligt ist, mit diesem Betrag ent­schädigt. Die Eigentümer stellten Veith vor die Wahl, entweder den Grund für umgerechnet rund 15 Euro (Kaufpreis für das Grundstück von 4 Euro pro Quadratmeter zuzüglich Umtriebsentschädigung von 10.000 Euro) abzukaufen oder den Rückbau bis Ende September 2010 vorzunehmen. Veith reagierte darauf nicht. Nachdem erneut ohne Information der Grundeigentümer eine Wasserleitung auf einem seiner Grundstücke verlegt worden war, fand im Juli 2010wieder eine Aus­sprache mit Veith statt. Dabei teilte er mit, er habe nichts von der Verlegung der Wasserleitung gewusst und bekräftige seine Position bezüglich der 4 Euro. Er soll auch darauf hingewiesen haben, das Grundstück andernfalls enteignen zu können. Der Rechtsanwalt der Eigentümer warf ein, dass es schwer zu rechtfertigen wäre, ein Grundstück zu enteignen, wenn die Gemeinde einerseits bereits ein anderes Grundstück für denselben Zweck erworben habe und andererseits auf dem Grundstück von Walter Blaas bereits gebaut wurde. Im Anschluss an dieses Treffen leitete die Gemeinde die Ausweisung des Grundstücks als Trinkwasserschutzzone ein. Dies tat sie im vereinfachten Verfahren, wogegen kein Rechtsmittel ergriffen werden konnte. Im Oktober 2010 wurde den Eigentümern schließlich mitgeteilt, dass die Gemeinde das Grundstück als Trinkwasserschutzzone ausgewiesen habe. Die Eigentümer gelangten mit einer Beschwerde an die Landesregierung und machten geltend, dass das ordentliche Verfahren hätte durchgeführt werden müssen und die Unterschutzstellung auf Voraussetzungen gründet, die von der Gemeinde widerrechtlich geschaffen worden seien. Die Landesregierung wies die Beschwerde ab, teilte aber mit, dass den Eigentümern eine jährliche Entschädigung zustehe. Ebenfalls im Oktober 2010 reichten die Eigentümer beim Gericht in Schlanders eine Klage wegen Eigentumsverletzung aufgrund unberechtigter Inbesitznahme des Grundstücks ein und forderten die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Veith ging auf weitere Vergleichsverhandlungen nicht mehr ein. Er bat die Eigentümer lediglich, ihr Angebot von umgerechnet rund 15 Euro pro Quadratmeter nach unten zu korrigieren, doch diese sind damit nicht einverstanden, zumal in diesem Betrag laut Walter Blaas mittlerweile auch alle bisher mit diesem Verfahren angefallenen Umtriebe, wie Anwalts- und mehrere Anreisekosten, enthalten sind. Dazu komme, dass das verpachtete Grundstück seit dem Bau der Anlage nicht mehr bewirtschaftet werden könne. Rechtsspesen hat indessen auch die Gemeinde zu tragen, für welche letztlich die Steuerzahler aufkommen müssen. Unterliegt die Gemeinde, so muss sie nicht nur für die Kosten ihres Rechtsvertreters aufkommen, sondern darüber hinaus auch für sämtliche Verfahrens- und Rechtsanwaltskosten der Gegenpartei. Dieser Betrag übersteigt bereits heute den Betrag, den Walter Blaas für die Ablösung des Grundstücks gefordert hat und dürfte im Verfahren noch weiter ansteigen. Bei der 2. Gerichtsverhandlung, die erst vor wenigen Wochen stattgefunden hat, beantragte der Anwalt der Gemeinde eine Vertagung. Als neuer Termin wurde der 7. Juli 2011 festgesetzt. Ulrich Veith sagte dem „Vinschger“, dass ein Quadratmeterpreis von 4 Euro für eine Grundstück dieser Art und in dieser Lage sehr wohl angemessen sei und ähnliche Flächen für den selben Preis erstanden worden seien. Dass den Eigentümern gegenüber Fehler gemacht wurden, „streiten wir nicht ab und es tut uns auch Leid, aber die nun geforderte Schadenssumme ist viel zu hoch.“ Überdies handle es sich nur um zwei Sammelbehälter, die hinter der Grenze in diesem „Moosloch“ errichtet wurden. Nicht nachvollziehen kann Veith, dass die Grundeigentümer nicht bereit sind, die Schadenssumme zu senken und das ganze Kapitel im Einvernehmen abzuschließen. Jetzt sei es leider so, „dass der Richter entscheiden muss. Wir als Gemeinde werden natürlich jene Summe zahlen, die das Gericht festlegt.“ Er könne sich nicht des Eindrucks erwehren, „dass sich die Grundeigentümer bereichern wollen.“ Und dabei gehe es um nichts anderes als um eine bessere Trinkwasserversorgung für Planeil. Walter und Florina Blaas weisen diesen Vorwurf entschieden zurück. Auf das Geld der Gemeinde Mals seien sie nicht ange­wiesen und sie würden nach wie vor den Rückbau der Anlage einem Verkauf vorziehen, was sie gegenüber Veith stets betont hätten. Der Verkauf des „Moosloches“ sei bereits ein Entgegengekommen ihrerseits gewesen, damit ein kostspieliger Rückbau hätte vermieden werden können. Es gehe hier vielmehr um das Prinzip, dass auch der Staat Privateigentum zu respektieren habe und derartige Vorgehensweisen nicht toleriert werden müssen. Walter Blaas ist daher bereit, bis zur letzten Instanz zu gehen und alle Mittel auszuschöpfen, auch wenn dies Jahre dauern wird. Ob das Rechtssystem in Südtirol noch funktioniere, werde sich anhand dieses Falles zeigen. Ihre Einstellung und Fragen zur „Taktik der Gemeinde Mals“ haben Walter und Florina Blaas in Schlagworten auf ein Transparent geschrieben, das seit dem 18. Mai an der Außenmauer ihres Hauses in Planeil ausgehängt ist. . In der Schweiz wäre ein derartiges Vorgehen im Zusammenhang mit privatem Eigentum ein Skandal.
Josef Laner
Josef Laner

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.