Jugend im „offenen Raum“
Publiziert in 42 / 2009 - Erschienen am 25. November 2009
Schlanders – Auf Einladung des Schulsprengels Schlanders und der Oberschule Schlanders referierten Mitte November Renate Unterholzner und Roman Grünfelder vom Verein „Strymer – Streetwork und mobile Jugendarbeit“ in einem gut besuchten Vortrag über die Jugendszenen und Jugendkulturen in Südtirol mit besonderer Berücksichtigung der rechtsextremen Szene.
Renate Unterholzner, die pädagogische Leiterin des Vereins, gab den zahlreichen Lehrpersonen und wenigen Eltern einen klaren Einblick in die „gängigen“ Jugendszenen und -kulturen in Südtirol. „Viele Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren sind fasziniert von Szenen und möchten dazugehören; sie hören dieselbe Musik, folgen einer bestimmten Kleiderordnung, teilen die gleichen Interessen, Aktivitäten und Weltanschauungen“, so Renate Unterholzner.
Die bekanntesten Gruppierungen sind die (eher links gerichteten) Punks, die Skater, die Gothiks, Krocha und Emos, die Gabber, die Metal, Rocker/Biker und schließlich die Skinheads.
Es ist den Referenten ein Anliegen, mit dem gängigen Vorurteil aufzuräumen, dass die Skinheads in der Öffentlichkeit oft mit Neonazis gleichgesetzt werden. Sie zeigen auf, dass auch die Skinhead-Gruppierungen vom linken Rand zu total unpolitischen Gruppierungen bis schließlich zu rechtsextremen Gruppen reichen.
Zahlenmäßig die größte Gruppierung sind die Oi!Skins!, sie sind unpolitisch, lieben Spaß, Alkohol, Kumpels und Musik. Ihre Feindbilder sind die Hippies, intellektuelle Wichtigtuer und vor allem die Faschos (Rechtsextreme).
Die Emo-Szene (ursprünglich eine Untergruppe des Hardcore Punk) spricht vor allem Mädchen auf der emotionalen Ebene an. Sie ist geprägt von den Farben schwarz und pink, die eine Mischung zwischen „düsterer“ und „süßer“ Stimmung versinnbildlichen. Das Auftreten der Emos ist sehr typisch, die Haare sind oft in assymetrischen Ponyfrisuren pink, schwarz oder rot gefärbt, auffallend auch die schwarz umrandeten Augen auch bei den Jungs der Szene. Bedenklich ist der Trend zu selbstverletzendem Verhalten bei den Emos, das sog. „Ritzen“.
Unbeschwert zeigen sich die Skater, deren Zugehörigkeit das Beherrschen des Skateboardfahrens und die obligate Markenkleidung voraussetzt. Eltern werden angehalten, auf die notwendige Schutzkleidung zu bestehen, da das waghalsige Skaten nicht ungefährlich ist.
In einer anderen Liga spielen die rechtsextremen Gruppierungen, die auch unter Südtirols Jugend zahlreiche Anhänger gefunden haben. Dabei spielen das Internet und die Musik eine wesentliche Rolle, denn auf diesem Weg ist die Jugend leicht zu erreichen.
Renate Unterholzner definierte den Rechtsextremismus laut Holzer folgendermaßen: aggressiver Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus, Autoritarismus, Militarismus, Gewaltakzeptanz und absoluter Wahrheitsanspruch. Der Aufbau rechter Gruppen erfolgt hierarchisch von oben nach unten. Die Mitläufer folgen dem Führer bzw. dem Führungskader oft blind. Werte wie Kameradschaft, Treue und Zusammenhalt in der Gruppe werden hoch gehalten. Die rechtsextreme Ideologie ist in den Köpfen oft fest verankert, ein Ausstieg aus dieser Szene ist ohne kompetente Begleitung daher sehr schwierig. Wachsamkeit ist gefordert und auf Symbole und Codes der Szene zu achten: Schwarze Sonne, Thorshammer, Triskele, Keltisches Kreuz, Eisernes Kreuz, Runen sind typische Zeichen der rechtsextremen Szene. Die Zahlen 18 und 88 stehen für Adolf Hitler und Heil Hitler, die Zahl 28 für Blood and Honour. Durch diese Codes vor allem in Kombination mit bestimmten Bekleidungsmarken sind diese Jugendlichen auch äußerlich erkennbar.
Wie weit geht
ein gesunder Patriotismus?
Die Referenten versäumten es nicht, auch den neuen Trend der so genannten „Süd-Tirol Patrioten“ unter die Lupe zu nehmen. Sie sind geprägt von einer sehr starken Heimatverbundenheit, sind gegen die „Walschen“, gegen italienische Ordnungshüter und Ausländer. Ihre Parolen sind „Los von Rom“, „Südtirol ist nicht Italien“, „Österreich ist unser Vaterland“ usw.
Die „Süd-Tirol Patrioten“ sind fleißig in ihrer Vereinstätigkeit, ihr Vorbild ist, vor allem heuer zum Gedenkjahr, Andreas Hofer, sie hören oft Musik der Gruppen „Freiwild“ und „Vermächtnis“.
„Ein gesunder Patriotismus ist bestimmt nichts Schlechtes, es ist Teil der Identität der Jugendlichen. Es ist auch gut, die eigene Heimat zu lieben und die eigene Geschichte zu kennen. Aber wo hört der gesunde Patriotismus auf? Dort wo Ausgrenzung, Fremdenfeindlichkeit, überzogener Nationalpatriotismus, Intoleranz usw. anfangen! Und das ist oft nur ein kleiner Schritt in rechtsextremes Gedankengut“, warnte Renate Unterholzner.
Viel Zeit
und Ehrenamtlichkeit
Seit zwei Jahren versucht der Verein „Strymer – Streetwork und mobile Jugendarbeit“ in Südtirol den Aufbau einer mobilen Straßensozialarbeit, um Jugendliche, die sich im „öffentlichen Raum“ aufhalten, aufzufangen. Besonders erforderlich ist diese „aufsuchende“ Jugendarbeit für Jugendliche, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren oder die extremen Gruppierungen der rechten bzw. linken Szene angehören. Die „Streetworker“ treten dabei unabhängig von Richtung, Szene oder Subkultur an die Jugendlichen heran. „Wir sind mobil, diskret, kostenlos und kritisch parteilich“, so der Direktor des Vereins, Roman Grünfelder. „Wir holen viele Jugendliche ab und versuchen, sie wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Leider fehlen uns die personellen und finanziellen Ressourcen, um unseren Dienst auszubauen“, bedauert der Direktor und selber engagierte Streetworker, „wir haben für ein Einzugsgebiet von 26 Gemeinden nur vier Streetworker und die Direktionsstelle zur Verfügung, so dass dieses Projekt auch durch sehr viel Ehrenamtlichkeit weitergeführt wird.“
Das Pilotprojekt „Streetwork“ wird zu 70 Prozent von der Bezirksgemeinschaft Meran (Amt für Familie und Soziales) und zu 30 Prozent vom Amt für Jugendarbeit finanziert. Vorläufig soll das Erfolgsmodell mit Dezember 2009 enden, „wenn von Seiten der Politik keine weitere Finanzierung mehr gegeben ist“, so Grünfelder.
Nach dem Pädagogischen Tag im heurigen Frühjahr in Schlanders wurde eine Gruppe gebildet, die sich mit gemeindeorientierter Präventionsarbeit befasst. Der Gruppe, die vom Bildungsausschuss Schlanders koordiniert wird, gehören weiters der Schulsprengel Schlanders, der BA Kortsch, das JUZE, der Jugendbeirat, der Jugenddienst sowie die Jugendreferentin der Gemeinde Schlanders an.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher