Bezirksobmann Erhard Joos, Ortsausschussmitglied Paul Prugger, Landesobmann Gert Lanz und Ortsobmann Günther Platter lauschen dem Vortrag des Wirtschaftsexperten Alexander Brenner Knoll.

Lernen im Vinschgau, Arbeiten in der Schweiz

Publiziert in 5 / 2012 - Erschienen am 8. Februar 2012
Prad – Die Prader Handwerker stellten fest: der LVH bringt wieder Bewegung, der schweize­rische Arbeitsmarkt bringt Sorgen und wenn der Euro-Raum hält und die Landesregierung handelt, kann Südtirol sogar staatliche Maßnahmen verkraften. In einer Atmosphäre des Neubeginns, aber auch in banger Erwartung, wie heiß die „staatliche Suppe“ tatsächlich gegessen werden muss, hatte Ortsobmann Günther Platter zur Handwerkerversammlung ins Nationalparkhaus „aquaprad“ geladen. Sogar dem Einladungsschreiben war so etwas wie eine Wende anzusehen. Kein Hobel, kein Hammer und kein Winkeleisen schmückten den Briefkopf, sondern Hände, die sich berühren und etwas zu beschwören schienen. Platter erklärte dies so: „Der neue Präsident Gert Lanz will wohl ein Signal aussenden: fertig mit dem aggressiven Gegen­einander unter den Handwerkern.“ Platter konnte dies sogar anhand der Mitgliederentwicklung nachweisen. Hatte der Ortsverband Prad 2002 noch 61 Mitglieder, folgte 2008 der Absturz auf 44. Seit kurzem scheint die Ortsgruppe wieder im Aufwind zu sein und konnte sich 2011 auf 49 erholen. Ortsobmann Platter stellte in seiner Einführung die Betriebe seiner Gemeinde und die durchschnittliche Anzahl der Beschäftigten in Südtirol (3,3), im Obervinschgau (4,8) und in den Mittelpunktgemeinden Mals (4,7) und Schlanders (4,6) in Vergleich und konnte nachweisen, dass Prad in der Vielfalt und mit dem Durschnitt von 5,4 Mitarbeitern pro Betrieb geradezu heraus­ragt. Als zentrale Anliegen nicht nur der Prader Handwerker führte er die Nahversorgung, die Stromversorgung, die Breitbandversorgung, die Lehrlingsausbildung, die Berufsschule, die ­öffentlichen Arbeiten und die Stärkung der Klein- und Mittelbetriebe an. 2011 war kein schlechtes Jahr fürs Handwerk Im Gegensatz zur Ortsgruppe Prad konnte Bezirksobmann ­Erhard Joos noch keine positive „Mitgliederentwicklung“ in seinem Bezirk vorweisen. Die Zerwürfnisse im Landesverband der Handwerker hätten Folgen gezeigt. Nach und nach würde es allerdings einzelnen Mitgliedern klar, welche Vorteile ihnen der Verband gebracht habe. „2011 war kein schlechtes Jahr für das Obervinschger Handwerk“, meinte Joos, „sieht man von den Schwächen im Bau- und Holzsektor ab“. Als äußerst positiv bewertete er das von der Handelskammer in die Wege geleitete Unternehmertreffen mit Tiroler Betriebsleitern in Nauders. Keinen Illusionen hingeben dürfe man sich hingegen Richtung Schweiz. Beim Treffen in Laas habe man deutlich die Botschaft heraus gehört: Betriebe bleibt draußen, schickt uns nur die Arbeiter. Dem Bezirksobmann bereiten die vielen Auflagen bei der Lehrlingsausbildung Sorgen. Dazu käme die besondere Situation im Obervinschgau und vor allem im Oberland: „Eltern schicken uns ihre Kinder zum Ausbilden und kündigen sogar schon an, dass sie in ein paar Jahren in der Schweiz arbeiten werden“, zeigte sich Joos besorgt. Bei seinem ersten Auftritt als LVH-Präsident im Vinschgau setzte der Toblacher Unternehmer Gert Lanz vor allem beim Selbstverständnis der Handwerker an. „Wir haben die Qualität und wir haben die Tradition, aber es fehlt vielfach die Professionalität in der Kommunikation und im Auftritt den Kunden gegenüber.“ Sein Beispiel vom Kastenkauf bei IKEA in Innsbruck, bei dem sich Kunden zu stressigen Anfahrten, Vorauszahlungen und langen Wartezeiten hin­reißen lassen, weil ihnen die Qualität in der Nähe gar nicht klar gemacht worden ist, beeindruckte die etwa 30 Handwerker und Ehrengäste, darunter Bürgermeister Hubert Pinggera, Energiereferent Manfred ­Lechner und ­Lucas Gianordoli, Bronzemedaillen-Gewinner bei der Weltmeisterschaft der Handwerker in London. Lanz rief die Handwerker auf, in Sachen Nahversorgung Verantwortung zu übernehmen. Von Hoteliers und Gastwirten erwarte er ein Zeichen bezüglich Tourismusabgabe und bei den öffentlichen Arbeiten sei es ihm ein Rätsel, dass man nicht den Mut habe, in Gewerken auszuschreiben. Eine klare, aber nicht sehr angenehme Aufgabe hatte Bezirks­sekretär Peter Hofer, dem Erhard Joos hervorragende Arbeit bescheinigte, weil er wieder Mitglieder zurück gewinne. Hofer musste den Anwesenden ­sämtliche Neuerungen und ­Unsicherheiten betreffend Haushaltsgesetz 2012, diverse ­„Aufschwungverordnungen“, Sparpakete, Stabilitätspakt, ­Rettungspaket, Mehrwertsteuer, ­Immobiliensteuer, Steuer­kontrollen und Steuerbefreiung bei energetischer Sanierung vor die Füße werfen. Die Liberalisierung wird in Südtirol dramatisiert Auf die nicht sehr erfreulichen Szenarien folgte der Gastvortrag des Wirtschaftspublizisten ­Alexander Brenner Knoll. Der begnadete Redner holte weit aus und startete bei Lira und D-Mark, um dann bei den Maßnahmen der Regierung Monti zu landen. Ausgerechnet die Hinweise auf die gefürchtete Liberalisierung trugen zu einem Hoffnungsschimmer unter den Handwerkern bei. „In Südtirol wird sie zu sehr dramatisiert“, meinte Brenner Knoll. „Die Liberalisierung kann aber für Handwerker auch Möglichkeiten eröffnen. Man kann sich zusammenschließen, es können sich neue Tätigkeitsfelder erschließen. Man kann sich Angebote auch von Rechtsanwälten und Notaren einholen.“ Skeptisch zeigte er sich gegenüber den Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen durch die Landesregierung. Konkret könnte sie aber im Falle der von 55 auf 36 Prozent Steuererleichterung reduzierte energetische Sanierung einschreiten, um diesen Motor des Handwerks am Laufen zu halten. Nicht unschuldig sei das Land, dass man im reichen Tourismusland Südtirol erst jetzt auf die Bedeutung der Breitband­anschlüsse gekommen sei. Dass der Bürokratieabbau nicht allzu schnell vor sich gehen werde, dafür würden sämtliche Advokaten Italiens sorgen. Mit einem Stoßseufzer schloss der Referent: „Hoffen wir, dass die Währungsunion hält und dass Europa endlich das wird, was es in den ­Köpfen der Gründer hätte sein sollen.“ Den Vortrag von Alexander Brenner Knoll und das schmackhafte Buffet von Christian Gruber wurde von der ­Raiffeisenkasse Prad gesponsert. Obmann Karl-Heinz Kuntner saß persönlich unter den interessierten Zuhörern.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.