Lidl Schlanders: „Weg ist weg!“
Publiziert in 34 / 2008 - Erschienen am 1. Oktober 2008
Schlanders – Paukenschlag in der Nahversorgung des Bezirkshauptortes – am 18. Oktober wird „Lidl Schlanders“ seine Tore schließen. Damit bekommt der deutsche Titel der aktuellen „Lidl-Zeitung“ mit Angeboten zwischen „Donnerstag, 25. September bis Mittwoch 1. Oktober“ einen bitteren Beigeschmack für sieben Angestellte aus dem Raum Schlanders, für sämtliche, sozial schwächer gestellten Schlanderser Familien und für alle Bewohner der Viertel „Mellaunen“ und „Franziskus“. Das italienische Schlagwort „Fino ad esaurimento“ auf Seite 1 der 20seitigen Farbbroschüre wird auf der hintern Umschlagseite in überdimensionaler, schwarz umrandeter Schrift als „Weg ist weg!“ übersetzt und bezieht sich auf ein deutsches Bierprodukt.
Wer hätte je gedacht, dass ein Hard-Discounter von der anwohnenden Bevölkerung als „notwendiger Nahversorger“ angesehen wird. „Wir haben alles probiert“, ereiferte sich eine Schlanderserin um die 50, die weder namentlich noch bildlich in die Zeitung kommen wollte und voll bepackt zu Fuß unterwegs war. „Wir haben eine ‚Grüne Nummer‘ gewählt und uns beschwert. Es ist so schade. Wir in den Mellaunen haben nichts in der Nähe und wenn man kein Auto hat… Jetzt haben wir einfach kein Geschäft mehr in der Nähe.“ Vize-Filialleiter Artur Biluli bestätigte freundlich: „Mir tut es ja auch leid. Ja, die Leute bedauern es. Bin selbst ein Betroffener, hab die Familie in Schlanders und muss jetzt pendeln. Die Gemeinde weiß seit zwei Jahren, dass wir eine größere Struktur suchen. Wir haben ein Lager, das eher eine Garage ist; wir haben Schwierigkeiten beim Abladen und wir müssen Produkte, die ausgehen, immer einzeln nachfüllen. Wir werden das erste Lidl-Geschäft sein, das schließt, obwohl der Umsatz passt.“ Bekanntlich holt sich ein Discounter seine „Spielräume“ über eine bestimmte Verkaufsstrategie, die unter anderem vorsieht, dass das schmale Verkaufssortiment auf verhältnismäßig kleinen Verkaufsflächen einfach präsentiert wird. Auf Schlanders übertragen heißt das, die Waren müssten auf Pellets in die Verkaufshalle geschoben werden können. Ist dies nicht der Fall, hat der Verkaufspunkt – einer der 600 von „Lidl-Italia“ mit Schaltzentrale in Verona – keine Möglichkeit sich auszudehnen, und bei Lidl wird sehr schnell gehandelt. Da das nur sieben Kilometer entfernte Lidl-Geschäft im Latscher Einkaufszentrum „Herilu“ seit Herbst 2007 die Verkaufsfläche verdoppelt hat, heißt’s für Schlanders eben „weg ist weg“ und für den Nachbarort, dass dort der einzige Lidl-Verkaufspunkt im Vinschgau steht. Damit wird Wally Perkmann aus Laas ihren nächsten Ämtergang im Hauptort nicht mehr zum Einkaufen nutzen können. Die aus Brünn stammende Rentnerin Hana Zemankova aus Goldrain bedauerte es genauso wie Myriam Sanzio Egger aus Prad vom nahen Sitz des Jugenddienstes. „Bis nach Latsch fahren, um Lebensmittel und Gebrauchsmaterial einzukaufen“, will das Ehepaar Gutweniger aus Laas auf keinen Fall. Die vielen Kortscher, Schlanderser und Kastelbeller Bäuerinnen und Bauern ließen zwar ihre voll bepackten Einkaufswagen fotografieren, aber selbst… gäbe ein schiefes Bild vor der örtlichen Kaufmannschaft. Deren Vertreterin, Angelika Meister, kennt die Lage und Situation im Schlanderser Oberdorf und glaubt, dass mit Lidl ein weiterer Anziehungspunkt für Schlanders verloren geht. Ähnlich Wirtschaftsreferent Kurt Leggeri, der angab, erst kurz zuvor (Gespräch am 26. September) zufällig von der Schließung gehört zu haben. Die Gemeinde sei nie in die Angelegenheit involviert gewesen, außer, dass sie hart bleiben musste in punkto Mittagschließung. Maria Holzer vom gegenüber liegenden Bioladen nahm die Nachricht von der bevorstehenden Schließung gelassen. „Ich war noch nie drin und die Klauber, die abends hier ‚Wildwestverhältnisse‘ schaffen, müssen jetzt halt anderswo in Schlanders einkaufen."
Günther Schöpf