Fast den ganzen Winter über waren in unmittelbarer Nähe der Zugunglücks-Stelle in der Latschander solche Eisdecken zu sehen.

Lothar Burger geht von Bord

Publiziert in 10 / 2011 - Erschienen am 16. März 2011
Prad – Rund 5.500 Grund­eigentümer von Partschins bis Matsch und von Latschinig bis Taufers i.M. sind aufgerufen, am Sonntag, 27. März, den Verwaltungsrat des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau neu zu wählen. Lothar ­Burger aus Prad, der von 1980 bis 1985 im Ausschuss mitarbeitete und das Konsortium seither als Präsident führte, tritt nicht mehr an. „Der Vinschger“ sprach mit ihm über einschneidende Erfahrungen des vergangenen Vierteljahrhunderts. Als schlimmsten Tag nennt der scheidende Präsident das Zugunglück vom 12. April 2010 in der Latschander. „Der Vinschger“: Was hat Sie seinerzeit bewogen, zunächst als Ausschussmitglied und dann als Präsident für das Bonifizierungskonsortium zu arbeiten? Lothar Burger: Die landwirtschaftliche Entwicklung des Vinschgaus hat mich seit jeher fasziniert. Ich wollte mithelfen, die Voraussetzungen für die Nutzung von Grund und Boden zu verbessern. Neben Flurbereinigungen, Meliorierungen und Entwässerungen standen und stehen auch heute noch die Bewässerung landwirtschaftlicher Güter sowie die Frostberegnung im Mittelpunkt der Tätigkeit. Wie stand es vor Jahrzehnten um die Wassernutzung? Lothar Burger: Gott sei Dank gab es schon kurze Zeit nach den Wassergroßableitungen, wie sie in den 50er Jahren von italienschen Großkonzernen gebaut wurden, sehr weitsichtige Männer, die schon damals erkannten, welch großen Stellen­wert die Wassernutzung auch für die Landwirtschaft haben wird. Zur Gründung des Bonifizierungskonsortiums kam es allerdings erst 1963. Der erste Präsident war ­Hubert Gapp, er stammte wie Sie aus Prad. Auf ihn folgte Heinrich Wielander aus Latsch und 1985 wurden Sie zum Präsidenten gewählt. Lothar Burger: Hubert Gapp ist leider schon 1969 gestorben. Er gehörte zusammen mit Alois Wellenzohn aus Kortsch und Heinrich Wielander aus Latsch zu den Gründervätern. Für mich war vor allem Luis Wellenzohn ein Vorbild und eine Leitfigur. Sein Einsatz für die Meliorierung der Kortscher Wiesen war beispielhaft. Gab es nicht auch früher Skepsis und Misstrauen, wenn es darum ging, in der Landwirtschaft neue Wege zu gehen? Lothar Burger: Ja, das gab es. So manche waren alles eher als bereit und zum Teil auch nicht reif, sich auf - im Nachhinein betrachtet - sicher notwendige und sinnvolle Neuerungen einzulassen. Das Konsortium war damals ja noch ein Zwangskonsortium ohne effektive Mitsprache und Mitbestimmung seitens der Mitglieder. Ich erinnere mich gut, wie Mitte der 70er Jahre das Beregnungsprojekt Plima/Morter mit insgesamt ca. 500 ha, inklusive des Großteils der Obstbauflächen von Latsch, umgesetzt werden sollte, und wie ein Großteil der mit Teer beschlagenen Beregnungsrohre, die bereits angeliefert und gelagert worden waren, absichtlich in Brand gesteckt wurden. Und mittlerweile haben wir über weite Teile des Talbodens „nur“ mehr Obstbauflächen. Lothar Burger: Diese Entwicklung vollzog sich wirklich rasant. Wenn ich daran denke, dass das Konsortium seinerzeit als erste Maschine einen Mähdrescher ankaufte, mit dem man von Plaus bis Prad unterwegs war und dessen 2,8 ­Meter breiten Mähbalken man abmontieren musste, um durch die engen Gassen von Latsch bis Tarsch zu kommen, und wenn ich mir die Situation heute anschaue, so wird einem schnell klar, dass hier Welten dazwischen liegen. Was heißt eigentlich Flurbereinigung? Lothar Burger: Das ist die Neuordnung der Grund­flächen und die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen. Außenstehende nehmen kaum wahr, wie komplex besitzrechtliche Neuregelungen sein können. Beim Flurbereinigungs-Projekt in Prad-Agums zum Beispiel wurden über 230 ha berei­nigt. Auf dieses Projekt, durchgeführt zu Beginn der 90er Jahre in meiner Heimatgemeinde, bin ich schon ein bisschen stolz. Es gab Grundflächen, bei denen sich bis zu diesem Zeitpunkt über 3 Generationen hinweg besitzrechtlich nichts mehr getan hatte. Bei einem nur 3.000 Quadratmeter großen Grundstück zum Beispiel hatten wir es mit nicht weniger als 32 Eigentümern zu tun. Zurückzuführen war dies unter anderem auf die Optionszeit, als die Leute auswanderten, oder auf die Zeit nachher, als nicht wenige aus Arbeitsgründen ihre Heimat verließen. Das größte Beregnungsprojekt der vergangenen Jahre war das Projekt „Untere Malser Haide“. Fast 500 ha können jetzt beregnet werden. Stimmt es, dass es bei der Inbetriebnahme 2010 bereits zu Schwierigkeiten kam? Lothar Burger: Es traten technische Probleme bezüglich der Ventile auf. Die Hersteller­firma hat uns aber versichert, dass die Anlage ab April 2011 ­tadellos funktionieren wird. Die Grundbesitzer werden somit über ­einen „Ferrari“ verfügen, wie seinerzeit versprochen, und nicht über einen „Fiat 500“. Wie weit kann es mit dem Obstbau in Richtung Norden weitergehen? Lothar Burger: Im unteren Teil der Malser Haide kann ich mir noch neue Obst­bauflächen sowie auch den Anbau von Steinobst, Beeren und auch Gemüse vorstellen, ab Mals bzw. Schleis aber sehe ich schon eine natürlich Grenze. Welches sind die größten ­Herausforderungen Ihres Nachfolgers und des neuen Verwaltungsrates? Lothar Burger: Herausforderungen gibt es viele, so zum Beispiel die Wasserversorgung an den Sonnenhängen des Mittelvinschgaus. Weiterhin dran bleiben muss man im Tal sicher bei der Umstellung von der Oberkronen- auf die Tropfberegnung. Ein nicht leichtes Unterfangen wird es sein, die Schmutzfracht auszuschalten, die das Gletscher­wasser mit sich führt, speziell im Spätsommer. Hier sind Alternativen zu suchen. Eine Gefahr für die Gesundheit ist dieses Schmelzwasser zwar nicht, aber es hinterlässt Spuren, bei Äpfeln ebenso wie beim Gemüse. Wie hoch ist eigentlich der Haushaltsvoranschlag des Konsortiums? Lothar Burger: Wir setzen in der Regel an die 10 Millionen Euro pro Jahr um. 2010 waren es aufgrund der Beregnungsanlage „Untere Malser Haide“ ca. 15 Millionen. Sie wollten ursprünglich schon vor 5 Jahren als Präsident abtreten. Warum geschieht das erst jetzt? Lothar Burger: Vor 5 Jahren stand der Wechsel des Geschäftsführers an. Auf ­Markus Joos folgte Gottfried ­Niedermair. Man bat mich, zumindest während der ersten Hälfte der Periode zu bleiben, doch am Ende wurden es dann doch wieder 5 Jahre. Wie steht es mit den Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Zugunglück vom 12. April 2010 in der Latschander, bei dem 9 Menschen starben und 28 zum Teil schwer verletzt wurden? Lothar Burger: Der 12. April 2010 war für das Konsortium und mich persönlich der tragischste Tag überhaupt. Zu den Verhandlungen, die derzeit noch anhängig sind, will ich mich nicht weiter äußern. Ich wiederhole nur soviel, dass der Bereich, in dem sich das Unglück ereignet hat, stark mit Wasser durchsetzt war. Das „Glas“ war voll. Dass es aufgrund des Beregnungswassers übergelaufen ist, räume ich ohne weiteres ein. Wir werden ja sehen, zu welchen Endergebnissen die Gutachter kommen werden und inwieweit das Gericht das Konsortium zur Verantwortung ziehen wird. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner

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