Mit ­Minimalismus ­maximal ­bauen

Publiziert in 18 / 2008 - Erschienen am 15. Mai 2008
Eine Besonderheit entsteht derzeit in Grub, einem Weiler in Langtaufers. Der Bergbauer Richard Fliri baut dort auf 1850 m ein dreistöckiges Haus in Last tragender Strohballenbauweise, das erste dieser Höhe in Europa – wenn nicht sogar weltweit! Die Idee eines „Strohhauses“ entstand aus der Überlegung heraus, wohin die Landwirtschaft in einem Hochtal wie Langtaufers gehen soll und wie man Materialien aus der Landwirtschaft wieder verstärkt nutzen kann. Bereits vor 15 Jahren führte der Malermeister auf seinem kleinen Hof den Zuerwerb Urlaub auf dem Bauernhof ein und merkte bald, dass sehr viele Urlaubsgäste das gesunde, hochalpine Klima und das baubiologische Ambiente seiner bereits bestehenden Ferienwohnungen besonders schätzten. Im Strohhaus neben dem Bauernhof sind nun zwei großzügige Ferienwohnungen von je 85 m² sowie ein Künstleratelier für den Hausherrn vorgesehen. Der quadratische Bau mit seinem Pyramidendach erinnert unmissverständlich an einen romanischen Turm. Der Treppenaufgang liegt auf der Nordseite, auf den weiteren drei Seiten unterbrechen nur schlichte Balkone und Fensternischen die Fassade. Nur noch kurze Zeit wird der Rohbau unverputzt und mit sichtbaren Strohwänden dastehen – später wird man dem Haus sein Innenleben aus Strohballen von Außen nicht mehr ansehen. „Jeden Tag haben wir ein Stockwerk gebaut“, sagte der Bauherr, „und der Rohbau kostet mich nur die Hälfte eines herkömmlichen Hauses. Allerdings verlangt dieser Bau mehr Überlegung, denn ich kann mich an niemanden wenden, der bereits Erfahrungen mit einem so hohen Strohhaus hat.“ Die Wände aus gepressten Strohballen ziehen sich vom Parterre bis in den 3. Stock und sind nur von Holzdecken unterbrochen. Die Strohwände sind 1,20 Meter dick und extrem wärme- und schallisolierend. Wasser- und Stromleitungen liegen in einem zentralen Versorgungsstrang, der sich wie das Rückenmark mitten durch das Haus zieht. Die Zwischenwände im Haus bestehen aus Schallschutzziegeln, und außerdem hat das Haus eine komplett abgeschirmte Elektroanlage, da Holz und Stroh keine elektrischen Wechselfelder ableiten können. Auf die Frage nach dem Brandschutz zitiert der Hausherr seinen Schweizer Architekten Werner Schmidt: „Eine Seite eines Telefonbuchs brennt sehr leicht, ein ganzes Telefonbuch kaum. So verhält es sich auch mit den Strohballen. Bei einem Brandherd würde es höchstenfalls schwelen, da die Strohballen so dicht gepresst sind, dass sich einzelne Halme nicht entzünden können.“ Das Dach ist ebenfalls mit Strohballen isoliert und mit Legschindeln aus Lärchenholz bedeckt. Die Dachspitze ist eine 3 Meter hohe begehbare Glaspyramide. Die Innenwände werden mit Lehm verputzt, aber es bleiben kleine Sichtfenster zur Strohwand, damit die Gäste den besonderen Baustoff sehen können. Die Terracottaböden im gesamten Haus sind wärmespeichernd und – wie auch die Lehmwände - feuchtigkeitsregulierend. Die gewählten Materialien erlauben in diesem Strohhaus den Verzicht auf Lüftungsanlagen in Bad und Küche – sie regulieren das Raumklima selbstständig. Geheizt werden ausschließlich die Nasszellen und zwar über eine Hackschnitzelheizung, welche auch das Warmwasser liefert. Man geht davon aus, dass im Wohnraum bereits 5 Teelichter ausreichen, um für eine angenehme Raumtemperatur zu sorgen. „Dieses Haus überschreitet die Kriterien für das Klimahaus A“, wagt Richard Fliri zu behaupten. Dass der Bergbauer die Idee der Nachhaltigkeit umsetzt, hat er mit seinem Strohhaus gezeigt. Es ist ihm wichtig, dass Nachhaltigkeit und modernes Denken sich nicht ausschließen: Althergebrachtes wie die Berglandwirtschaft zu bewahren und trotzdem nach zeitgemäßen Lösungen zu suchen, entspricht seiner Einstellung. Ebenso muss für Richard Fliri sanfter Tourismus von hoher Qualität sein.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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