Neujahrsgeschenk für den Oberen Vinschgau

Publiziert in 2 / 2008 - Erschienen am 23. Januar 2008
Bozen/Vinschgau – 22 Liter bleifreies Benzin hatte Ulrike Valentin aus Glurns gerade in Prad getankt. Erst als sie ihre neue „Benzinkarte“, den Gesundheitsausweis, wieder in der Geldbörse verstaute und die Kopie des Zahlungsbeleges in der Hand hielt, wurde ihr bewusst, dass sie 6,76 Euro weniger bezahlt hatte als der Untervinschger, der an derselben Zapfsäule dieselbe Menge getankt hatte, um nach Sulden weiter zu fahren. Frau Ulrike besitzt eines der 446 in Glurns zugelassenen Autos, wohnt in einer Gemeinde, die weniger als 10 Kilometer von der Staatsgrenze entfernt ist, gehört also zur Zone 1 und zahlt somit um 95 Prozent des Unterschiedes zum Treibstoffpreis in der nahen Schweiz weniger. Autofahrer der Zone 2 aus Stilfs, Prad, Schluderns und Laas sparen ab 21. Jänner für dieselbe Menge Treibstoff nur 60 Prozent des Differenzbetrages. Wie die Preisdifferenz errechnet wird, versucht der für die Aktion „Treibstoffpreisreduzierung in Grenznähe“ zuständige Abteilungsdirektor Hansi Felder zu erklären (siehe Interview und unten stehende Tabelle). Die Differenz wird am Ende jeder Woche vom zuständigen Landesamt dem Tankstellenbetreiber rückvergütet. Ulrike Valentin genießt aber ein weiteres Privileg; sie hat zum Beispiel das Recht, sowohl im Wipptaler Freienfeld, als auch an einer Tankstelle im äußersten Pustertal den verbilligten Treibstoff zu beziehen. Dass sie „nur“ nach Prad oder Eyrs ­fahren muss, verdankt sie dem Umstand, dass die zwei neben­einander liegenden Tankstellen durch ihren Standort, durch Werkstatt und Serviceleistungen das große „Tankstellensterben“ zwischen 1990 und 2002 überstanden haben. Noch heute denkt Josef Trauner aus Glurns verbittert an die „Fopperei“, zwei oder drei Liter ausgeben zu müssen, nur damit die nahe Schweizer Grenze erreicht werden konnte. Damals kostete ein Liter Benzin 1.960 Lire (1 Euro = 1.936,27 Lire), ein Liter Diesel 1.710 Lire Als Trauner 1972 zwischen Schluderns und Glurns eröffnet hatte, bezahlte man für einen Liter Benzin 142 Lire, ungefähr sieben Cent. Recht zufrieden präsentierte Helmut Telser in Eyrs die Kassenbelege der Glurnser „Passanten“. Er und seine Familie haben seit 1975 an ihrer „letzten Tankstelle vor der Grenze“ alle Höhen und Tiefen mitgemacht, kennen die Verlockungen der Gesellschaften und haben mühevoll lernen müssen, auch das Kleingedruckte unter den Angeboten zu lesen. Wer nicht vom Fach sei, könne sich nicht vorstellen, was für Nebenkosten anfallen, erzählte der Eyrser. Zwei Millionen Liter soll man verkaufen, damit etwas abfalle. Aber zwei Cent pro Liter zu multiplizieren, sei eine Milchmädchenrechnung. Das Ergebnis sage nichts aus über die Vertragsbedingungen. Da müssten die Miete, die Telefonspesen, die Spesen für säumige Lieferscheinkunden und die entsprechenden Bankgarantien, die Werbeaktionen und Rabatte, die der Betreiber mit zu tragen habe, abgezogen werden. Von den Stunden, die man verbringe, gar nicht zu reden. Eine gewisse Helligkeit am Horizont sieht auch Brigitte Ratschiller. Sie betreibt die IP Tankstelle an der östlichen Dorfeinfahrt von Laas. Versteckter und ungünstiger geht’s nimmer, aber Brigitte führt eine kleine Bar und vertraut der Bierzapfsäule mehr als der Benzinzapfsäule. Dass es diese Tankstelle noch gibt, geht weniger auf die treuen Stammkunden zurück, sondern auf die fast soziale Regelung, dass die Gesellschaft dadurch das Recht bewahrt, an einer belebteren Stelle im Staatsgebiet eine weitere Tankstelle errichten zu dürfen. (s) Das aktuelle Interview „Der Vinschger“ informierte sich beim geschäftsführenden Abteilungsdirektor für Handwerk, Industrie und Handel, Hansi Felder, der auch für die Treibstoffaktion in Südtirols Grenzgemeinden zuständig ist. „Der Vinschger“: Herr Felder, der internationalen Preisentwicklung, den Forderungen der Tankstellenpächter vor allem an der deutsch-tschechischen und an der deutsch-österreichischen Grenz und in der EU allgemein nach zu schließen, werden sich die Preise immer mehr annähern. Ist die Aktion der Preisreduzierung für Treibstoffe in Grenznähe dann nicht ein Schlag ins Wasser? Hansi Felder: Tatsache ist, dass es Unterschiede gibt und auf dieser handfesten Tatsache bauen wir und nicht auf Spekulationen. Die Bewohner der Region ­Friaul Julisch Venezien bekommen günstigeren Treibstoff wegen der Nachbarschaft zu Slowenien. Warum wird nicht ganz Südtirol als Grenzregion eingestuft? Hansi Felder: Dem Land Südtirol steht laut Autonomiestatut eine Beteiligung an einer staatlichen Steuer zu, nicht jedoch ein eigener Anteil an der eingehobenen Mineralölsteuer, sodass eine Reduzierung der Akzisen (Steuern auf Treibstoffe) und letztlich des Benzinpreises, wie dies Absatz 15 des Artikels 3 des Gesetzesvertretenden Dekrets Nr. 549 von 1995 für die Regionen mit Normalstatut vorsieht, für die autonomen Provinz Bozen nicht möglich ist. Die nach Meran pendelnden Obervinschger werden sicher nicht mehr in Schlanders, Latsch und Kastelbell tanken; also kann es ganz schön hart werden für die Tankstellenbetreiber im Unteren Vinschgau. Zwischen 1990 und 2002 haben im Obervinschgau mehr als ein Dutzend Pächter das Handtuch geworfen. Glauben Sie nicht, das Tankstellensterben geht jetzt im Osten weiter? Hansi Felder: Mit einer solchen Entwicklung ist nicht zu rechnen, da den Tankstellen einerseits die Autofahrer der Gemeinden Schlanders, Latsch und Kastelbell-Tschars erhalten bleiben, weil sich für diese eine „Tankfahrt“ ins benachbarte Ausland nicht wirklich lohnt, andererseits können diese Tankstellen weiterhin mit Kunden rechnen, deren Fahrzeug ein Firmenwagen ist, denn für diese gilt die Treibstoffpreisreduzierung nicht. So fallen als Kunden einzig und allein die Privatfahrzeugbesitzer der Gemeinden in Zone eins und zwei weg, die vor in Kraft treten der Maßnahme einen guten Teil ihres Benzins im benachbarten Ausland bezogen haben. Das Ziel der Maßnahme ist es, die heute gefährdeten Tankstellen in unmittelbarer Grenznähe zu erhalten, um damit das Weiterbestehen des peripheren Tankstellennetzes zu sichern. Die Tankstellenbetreiber der beiden Zonen haben Sorge, dass sie zum zusätzlichen Aufwand vom Land auch noch mit Verspätung ihr Geld bekommen werden? Hansi Felder: Diese Sorge ist unbegründet. Die Zahlungen erfolgen wöchentlich. Interview: Günther Schöpf
Günther Schöpf
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