Die „Stromkämpfer“ (von links): Hubert Variola, Albrecht Plangger, Josef Noggler, Georg Wunderer und Siegfried Stocker

Nicht mehr „qui Enel“, sondern „hier VEK“

Publiziert in 38 / 2008 - Erschienen am 29. Oktober 2008
Schlanders – Landeshauptmann Luis Durnwalder und Energielandesrat Michl Laimer befanden sich am 23. Oktober noch auf dem Weg nach Rom, um den Übergang der Enel-Stromverteilung an das Land und die gemeinsame Führung der Enel-Kraftwerke nach 2011 zu unterzeichnen, als die Vinschger „Stromkämpfer“ bereits an einem Tisch saßen. Im Dringlichkeitsweg hat der Verwaltungsrat der Genossenschaft Vinschgauer Elektrizitätskonsortium, kurz VEK, an diesem für Südtirol historischen Tag erste konkrete Weichen dafür gestellt, damit das Enel-Netz im Vinschgau in Vinschger Hände kommt, sprich in die Hände des VEK. Von einer ­eigenständigen Stromverteilung erhoffen sich die „Stromkämpfer“ nicht nur eine effizientere und viel bürgernähere Stromverteilung, sondern auch eine für die Verbraucher günstigere Stromversorgung. Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass die Wertschöpfung im Tal bleibt. Die Meldung des „Enel-Deals“ in Rom hat das Landespresseamt am 23. Oktober um 15.30 Uhr an die Medien weiterge­leitet. Dass die Vinschger „Stromkämpfer“ nichts anbrennen lassen, belegt schon die Tatsache, dass sie bereits eine Stunde vorher der Presse erklärten, was der VEK-Verwaltungsrat beschlossen hat und welche Schritte nun gesetzt werden. „Wir haben größtes Interesse, dass das VEK das Enel-Netz im Vinschgau übernimmt,“ sagte VEK-Präsident Josef Noggler, „denn damit können wir einen bürgernahen, lokal organisierten Verteilerdienst auf die Beine stellen, welcher der gesamten Bevölkerung zugute kommt.“ Jetzt gelte es zu verhindern, dass das Netz beim Land bzw. bei der SEL „zwischengeparkt“ wird: „Wir wollen das Netz sofort übernehmen und hoffen, dass es nach der Strom-Verstaatlichung im Jahr 1962 jetzt nicht zu einer ‚Verlandlichung’ kommt.“ Josef Noggler hat sich im Zuge der Aufgabenverteilung innerhalb des VEK-Verwaltungsrates verpflichtet, die eigenständige und eigenverantwortliche Stromverteilung politisch voranzutreiben und zu ko­ordinieren. Der Energiefachmann Georg Wunderer aus Prad hat die Aufgabe, das operative Verteilersystem vorzubereiten und für die Einbindung der lokalen Genossenschaften und Energie-Akteure zu sorgen. Dem Grauner Bürgermeister ­Albrecht Plangger obliegt es, die Verhandlungen für eine rasche, möglichst günstige und vor allem direkte, also „fliegende“ Übernahme des Vinschger Enel-Netzes vom Land an die Genossenschaft VEK zu führen. Hubert Variola, Generaldirektor der E-Werke Schlanders und Latsch, ist für die Einbindung der E-Werke zuständig und Siegfried Stocker für den Bereich Alternativ-Energie (Photovoltaik, Windkraft, Biomasse usw.). Auch zwei namhafte Berater von außen holt das VEK mit ins Boot. Das ist zum einen Reto Vitalini, der Geschäftsführer der Energia Engiadina (EE) in Scuol, wo der Strom seit über 40 Jahren eigenständig verteilt wird und wo es in den 14 Mitgliedsgemeinden unterschiedliche Stromtarife gibt, und zum anderen ist es Marco Pascoli aus Trient (Trentino Energia), der am Verteilerplan im Trentino maßgeblich mitgearbeitet hat. Das Mittelspannungsnetz im Raum Latsch und Schlanders ist laut Variola hochmodern und gänzlich unterkabelt, „von Laas aufwärts hingegen haben wir derzeit noch das Freileitungsnetz des Enel.“ Als vorteilhaft für die Netz-Übernahme wertet Variola den Umstand, das es ab Kastelbell eine eigene, einheitliche Spannungsebene gibt, „sodass der Vinschgau einen ­eigenen Block, eine Insel bildet.“ Albrecht Plangger machte die Ziele aller Bemühungen für eine eigenständige Stromverteilung und –versorgung an einem Vergleich fest: „Wir möchten, dass das ganze Tal dahin kommt, wo Prad schon seit vielen Jahren ist, nämlich zu Tarifen, die deutlich unter den jetzigen Enel-Tarifen liegen.“ Besonders wichtig ist den „Stromkämpfern“, dass das Netz genossenschaftlich geführt wird. Georg Wunderer: „Das VEK ist eine Genossenschaft. Neben allen Vinschger Gemeinden sowie E-Werken und Genossenschaften, die jetzt schon beteiligt sind, sollen auch möglichst alle Bürger mitbestimmende Mitglieder des VEK werden.“ Und noch auf einen weiteren, nicht minder wichtigen Aspekt verweist der Energiefachmann: „Der Vinschgau verbraucht zurzeit an die 180 Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr. ­Einen Teil davon produzieren wir jetzt schon selbst. Wenn es gelingt, die Beteiligung an Großkraftwerken so weit zu steigern, dass wir den gesamten Bedarf decken können, wäre das ein großer Meilenstein, denn wer selbst produzierten Strom verteilen kann, für den fallen die so genannten Systemkosten weg, und das ist kein Pappenstiel.“ Ein merkliches Beteilungsplus erwarten sich die Vinschger im Zuge der Neuvergabe der so genannten Marteller Konzession (Kraftwerk Laas). Dank der Übernahme der Stromverteilung würde laut Wunderer auch die damit verbundene Wertschöpfung nicht mehr abfließen, sondern im Tal bleiben. Um das Netz zu betreiben, könnte das VEK auf Facharbeiter zurückgreifen, die bereits jetzt bei lokalen E-Werken arbeiten. Weiters könnte das derzeitige Enel-Personal übernommen werden. Ein leichter Spaziergang wird die Übernahme der Stromverteilung sicher nicht. Das Ziel aber steht fest und der Weg ist eingeschlagen. Monat für Monat will sich der VEK-Verwaltungsrat nun treffen, um das Anliegen Schritt für Schritt weiter zu bringen. Die vielleicht größte Unbe­kannte ist zurzeit der Übernahme-Preis des Netzes. Im Trentino lag er bei 580 Euro pro Zählstelle, sprich Abnehmer. Dieser Preis dürfte laut Plangger zu halten sein, weil das Enel im Vinschgau in den vergangenen Jahren keine nennenswerten Investitionen getätigt habe. Fest steht, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis die Vinschger ihre Stromrechnung von Vinschgern bekommen, und bis sie am Telefon nicht mehr mit „qui Enel“, sondern mit „hier VEK“ begrüßt werden. Für das Enel-Netz in Südtirol zahlt die SEL übrigens 79 Millionen Euro. Was die Stromproduktion betrifft, werden SEL und Enel ab 2011 in einer neuen Gesellschaft jene Großkraftwerke in Südtirol führen, für die entweder SEL oder Enel die Konzessionen erhalten. An der Gesellschaft ist die SEL zu 60, Enel zu 40 Prozent be­teiligt.
Josef Laner
Josef Laner

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