Johanna Berger und Alexander Agethle.

Nur „Kasen-Können“ macht noch keinen Hofkäser

Publiziert in 7 / 2007 - Erschienen am 28. Februar 2007
Knapp 40 Hofkäsereien gibt es derzeit in Südtirol, 9 davon befinden sich im Vinschgau. Genaue Informationen und ­systematische Erhebungen rund um die Milchverarbeitung in den Hofkäsereien gab es bisher nicht. Erstmals eingehend und umfassend beleuchtet werden die Hofkäsereien in der Käse-Studie, welche die Arbeitsgenossenschaft „pan agorà – Vielfalt der Region“ mit Sitz in Mals im Auftrag des Europäischen Sozialfonds (ESF) erstellt hat. Die Studie, an der Alexander Agethle und Johanna Berger rund 3 Monate intensiv gearbeitet haben, und die kürzlich auf der Käse-Tagung in Salern erstmals vorgestellt wurde, enthält nicht nur eine detaillierte Bestandsaufnahme der Hof­käsereien, sondern wartet auch mit Schlussfolgerungen und konkreten Empfehlungen auf. In einem Gespräch mit dem „Vinschger“ zeigen Johanna Berger und Alexander Agethle auf, wo die derzeitigen Schwächen der Hofkäsereien liegen, was ihre Stärken sind und welche Ziele es zu verfolgen gilt, um die Position der Hofkäsereien, speziell auch jener im Vinschgau, zu festigen und nachhaltig zu sichern. „Der Vinschger“: Haben Sie alle Hofkäsereien befragt? Alexander Agethle: Von den 40 Hofkäsereien in Südtirol haben wir 37 befragt. Zusätzlich dazu haben wir mit Personen und Institutionen gesprochen, die wir sozusagen als Systempartner miteingebunden haben. Ich nenne etwa den Sennereinverband, den Bauernbund, die zuständigen Landesstellen und den Landesrat Hans Berger, die größeren Molkereien, die Verantwortlichen des Markenzeichens für Urlaub auf dem Bauernhof „Der rote Hahn“, Käsehändler und auch die „freien Weinbauern“, denn es könnte eines Tages ja auch die „freien Milchbauern“ geben. Weiters haben wir über die Grenzen hinausgeschaut und mit ähnlichen Organisationen im Ausland Kontakt aufgenommen, etwa mit dem Verband für handwerkliche Milchverarbeitung im ökologischen Landbau (VHM) in Deutschland. Johanna Berger: Um mit den Hofkäsern direkt in Kontakt zu kommen und ein konkretes Bild von ihrer Arbeit zu gewinnen, tourte ich 3 Wochen lang durch das ganze Land. So konnte ich die Fragebögen fast ausschließlich vor Ort ausfüllen. „Der Vinschger“: Wie stehen die Hofkäserein derzeit da und wie sieht es speziell im Vinschgau aus? Johanna Berger: Im Vinschgau bzw. in der westlichen Landeshälfte insgesamt fällt auf, dass sich dort die meisten Biobetriebe befinden, nämlich 6 von insgesamt 8 in ganz Süd­tirol. Aber auch abgesehen davon ist die Zahl der Hofkäsereien im Vinschgau relativ hoch. Wir haben den Gamsegghof und den Rieglhof in Langtaufers, den Gruberhof in Mals, Englhorn in Schleis, den Egghof in Taufers im Münstertal, Vorderkaser im Pfossental, den Stadlhof und den Gsalhof am Schlanderser Sonnenberg und den Gandhof in Martell. Alexander Agethle: Die Hofkäsereien sind eine sehr wichtige Ergänzung der Lebensmittelproduktion in Südtirol. Insgesamt gesehen spürt man, dass die Hofkäsereien noch einen relativ jungen Marktzweig im Gefüge der landwirtschaftlichen Direktvermarktung darstellen. In einigen Bereichen fehlt einfach noch die Erfahrung. „Der Vinschger“: In der Studie wird mehrfach darauf verwiesen, dass es nicht genügt, wenn jemand einen Käse-Kurs belegt und dann sagt: „So, jetzt fange ich an.“ Alexander Agethle: Die Ausbildung ist einer der springenden Punkte, auf denen die Hofkäser immer mehr Wert legen müssen. Das handwerkliche Können allein, sprich die Käseherstellung, reicht bei weitem nicht aus. Mit Buchhaltung und Preiskalkulation sollte sich ein Hofkäser ebenso auskennen wie mit verkaufstechnischen Fragen oder Maßnahmen der Produktwerbung. Mindestens ebenso wichtig ist die persönliche Motivation, sprich die Einstellung zum eigenen Beruf. Man sollte nicht einfach Hofkäser werden, um vielleicht rasch etwas dazuzuverdienen, sondern man muss seine Arbeit gerne tun, man muss seine eigene Region lieben und sich mit ihr identifizieren. Nur wenn diese Leidenschaft gegeben ist, ergibt sich das vielleicht wichtigste Kennzeichen eines Produktes, nämlich die Authentizität. Wenn zum Beispiel ein Hofkäser im Obervinschgau einen Qualitätskäse herstellt, dann muss dieser Käse so sein, dass er nur aus dem Obervinschgau und nicht aus dem Pustertal stammen kann. Johanna Berger: Die alleinige Idee „ich möchte gern Milch verarbeiten“ ist für ein Bestehen am Markt zu wenig. Viele der Neueinsteiger unterschätzen in der Anfangsphase den Umfang der Arbeit und des Aufwandes, der auf sie zukommt. Sie sehen sich nicht selten und urplötzlich mit Problemen konfrontiert, und das zu einem Zeitpunkt, in dem sie bereits Strukturen geschaffen haben und schon mitten in der Käseherstellung stehen. „Der Vinschger“: Wie sollen die Bauern vorgehen, wenn sie sich entschließen, auf ihrem Hof Käse herzustellen? Alexander Agethle: Für jeden Betrieb ist es zunächst einmal wichtig, dass er seine Fähigkeiten (Käsen; Vermarkten; Management usw.) und Möglichkeiten (Lage des Betriebes; Arbeitskräfte am Hof usw.) eine Hofkäserei zu betrieben genau überprüft. Weiters sollte er sich im Klaren darüber sein, an wen er sein Produkt verkaufen will. Diese Entscheidung ist die Grundlage für alle weiteren Schritte und Entscheidungen im Betrieb: Wahl der Milchart und des Produkttyps, Wahl der Produktgröße, des Preises, der Etikettierung, des Vertriebskanals usw. Wir empfehlen mit dem Sennereiverband bzw. auch mit den landwirtschaftlichen Schulen Kontakt aufzunehmen und eine Erstberatung anzufordern. Vielleicht gibt es in Zukunft eine eigene Ansprechstelle. Johanna Berger: Die Hof­käser und solche, die es werden wollen, sollten sich auch vor Augen führen, dass in Zukunft vor allem jene Produkte erfolgreich vermarktet werden können, welche die Eigenheit des Betriebes sowie seine Herkunft und seine kulturelle Prägung verkörpern. Mit dieser Produktspezialisierung wird es für sie möglich ein hohes Preisniveau zu erreichen. „Der Vinschger“: Wie ist der derzeitige Stand der Spezialisierung? Alexander Agethle: Zurzeit bestehen zwei Drittel der gesamten Käseproduktion aus Schnittkäse. Im Einzelbetrieb ist es entscheidend, Schwerpunkte zu setzen und sich auf die Herstellung weniger Produkte zu konzentrieren. Wenn jemand glaubt, er könne von allen Produkten ein wenig erstellen, ist das der falsche Weg. Mit einer Produktspezialisierung kann die Qualität der Produkte gesteigert werden. Die Vielfalt am Markt entsteht durch die Vielfalt aller Beteiligten. Johanna Berger: Eine Verminderung der Produktpalette kann dazu beitragen, die Qualität nachhaltig zu sichern, denn der Hofkäser legt sein Augenmerk auf die Verbesserung einiger weniger Produkte. Damit kann er auch die technische Ausstattung seines Betriebes auf diese wenigen Produkte abstimmen. „Der Vinschger“: Gibt es innerhalb der Hofkäsereien ein Konkurrenzdenken? Alexander Agethle: Ein bestimmter Wettbewerb ist sicher da und ein solcher schadet auch nicht. Mir scheint es wichtig, lokales Konkurrenzdenken zu überwinden und die Chancen der Zusammenarbeit zu nutzen. In vielen Bereichen bestünde die Möglichkeit, z.B. in der Ausbildung, im Informationsaustausch und letztlich im Erfahrungsaustausch. Am Markt kann Konkurrenz sicherlich durch eine weitere Spezialisierung der Produkte verringert werden. Je eigener die Produkte, desto unvergleichlicher sind sie. Johanna Berger: Die Konkurrenzangst, die innerhalb der Hofkäsereien verständlicherweise zurzeit noch besteht, trägt sicher nicht dazu bei, gemeinsame Maßnahmen umzusetzen. Momentan bieten die Hofkäsereien aber häufig ähnliche Produkte an und stehen dadurch automatisch in Konkurrenz zueinander. Die vorher angesprochene Produktspezialisierung der Betriebe könnte eine Großteil dieses Konkurrenzdruckes von den Betrieben nehmen und die Voraussetzung für eine Zusammenarbeit der Betriebe untereinander schaffen, so etwa gemeinsame Maßnahmen im Bereich der Vermarktung. Unbedingt empfehlenswert erachten wir die Schaffung einer einfachen, schlanken Struktur für einen Informationsaustausch. Eine Internetplattform könnte hier gute Dienste leisten. Auch ein gemeinsames Ausbildungskonzept könnte erarbeitet werden. „Der Vinschger“: Wie wichtig ist die biologische Herstellung der Produkte? Alexander Agethle: für mich ist die ökologische Herstellung die Basis der Qualitätsproduktion. Zusätzlich zum rein biologischen Aspekt muss auch die Verwurzelung mit der Region und der Kultur des Gebietes dazukommen. Der Vinschgau ist dafür geradezu prädestiniert. Dank der Nähe zur Schweiz kann er auf die landesweit älteste Käsetradition zurückblicken. Unter ökologisch stelle ich mir auch vor, dass zum Beispiel nur die Milch von autoktonen Kuhrassen verwendet wird. Johanna Berger: Auf gesunde Ernährung wird immer größerer Wert gelegt. Es gibt immer mehr Leute, die beim Einkaufen von Lebensmitteln nicht ein x-beliebiges Shopping-Center aufsuchen, sondern den Weg zu einem Direktvermarkter, zu einem Feinschmeckergeschäft oder zu einem Bauernladen finden. „Der Vinschger“: Ist die Arbeit der Hofkäser rentabel? Alexander Agethle: Für die meisten ja, einige aber arbeiten derzeit an der Grenze der Wirtschaftlichkeit. Handlungsbedarf besteht sicherlich in einigen ökonomischen Bereichen wie z.B. Buchhaltung, Preisbildung oder der Handelstechnik – ganz allgemein im Bereich des Marketing. Ein Grund dafür ist sicher die Tatsache, dass viele Betriebe noch sehr jung sind. Geschäftsbeziehungen mit dem Einzel- und Großhandel sind derzeit noch eher die Ausnahme. Johanna Berger: Noch große Verbesserungsmöglichkeiten liegen im Umgang mit den nötigen Handelsaufschläge im Wiederverkauf, welche von den Betrieben oft nicht berücksichtigt werden. Dies führt dann unweigerlich zu Preisver­zerrungen. Auch das ist ein Grund dafür, warum sich die Hofkäser verstärkt auf eine Preisbildung konzentrieren sollten, die auf einer genauen Kostenanalyse fußt. Die vielen Arbeitsstunden, welche die Mitglieder der Familienbetriebe leisten, werden in der Kostenrechnung oft nicht in vollem Ausmaß berücksichtigt. Hofkäsereien betreiben einen großen Aufwand um den Konsumenten am Ende der Produktionskette ein hochwertiges Produkt anbieten zu können und dieser Aufwand muss auch entsprechend entlohnt werden. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
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