Politikerinnen für Südtirolistan
Publiziert in 12 / 2010 - Erschienen am 31. März 2010
Naturns – Trotz milder Frühlingsluft konnten sich nur wenige Frauen für das heiße Thema Frauen und Frauenpolitik am Abend des 23. März im Bürgerhaus- und Rathaus von Naturns erwärmen. Frau, quo vadis?
Organisiert vom SPV-Ortsfrauenausschuss von Naturns unter der Federführung von Astrid Pichler (Mitarbeiterin Landesbeirat für Chancengleichheit) präsentierte die Journalistin Nina Schröder historische Daten zum Thema Frauen in der Politik. Die Autorin historischer Sachbücher und freie Mitarbeiterin der RAI gab Fakten weiter, die Mut machen: Zumindest werden Frauen in Europa heute nicht mehr guillotiniert, wenn sie politische Schriften zum Recht der Frau verfassen. Der Französin Olympe de Gouges ging es anders: Die Verfasserin der Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin (1791): „Mann... ...Kannst du mir sagen, wer dir die unumschränkte Macht verliehen hat, die Angehörigen unseres Geschlechts zu unterdrücken?“ wurde 1793 öffentlich hingerichtet. Unter anderem deswegen, weil sie Rechte für Frauen einforderte, welche die Männer der Französischen Revolution nur den Bürgern gewährleisteten. Und diese waren Männer. Liberté, égalité, fraternité: Der Wahlspruch der Französischen Revolution war in Bezug auf Brüderlichkeit kein zufälliger.
Südtirol, im 16. Jahrhundert: Oblatenbäckerinnen, Brantweinbrennerinnen oder Matratzenmacherinnen verloren ihre „Inwohnerschaft,“ wenn sie innerhalb eines Jahres den verstorbenen Mann nicht ersetzen konnten – aus und vorbei war es mit der Erwerbstätigkeit in der Stadt. Das Höfegesetz wurde in Südtirol 1954 geändert: erst dann konnten Frauen den elterlichen Hof erben. Bis in die 90er Jahre war Vergewaltigung in Italien ein Verstoß gegen die Sitte, nicht aber ein Gewaltakt. Mittelalter, du bist so nahe!
Seit den 50er und 60er Jahren, als Frauen in Südtirol fast vollständig aus dem Arbeitsleben zurückgedrängt wurden, habe sich vieles geändert. Dennoch, so Astrid Pichler, sei der Rückgang der Frauen in der Politik in Südtirol keineswegs nur ein gefühlter. Es brauche die Quote, damit die gläserne Decke nicht zur Betondecke würde. „Dabei ist der Rückgang von Frauen in der Politik keinem Rollenbild zuzuschreiben. Es sind vor allem praktische Gründe: Allen voran die Dreifachbelastung der Frau.“
Zahlen und Fakten in Südtirol drücken am deutlichsten aus, wovon gesprochen wird: Im Verwaltungsapparat der Regierung sind auf unterer Funktionsebene rund 97 Prozent Frauen angestellt. In jenen Ebenen, wo Verwaltungsangestellte Entscheidungen maßgeblich beeinflussen, sind es weniger als zehn Prozent. Logisch, dass für eine frauengerechte Politik mehr Frauen politisch tätig sein müssen, so das Fazit der Landesfrauenreferentin, Landtagsabgeordneten und Vizepräsidentin der Region Trentino-Südtirol Martha Stocker, die zusammen mit Luisa Gnecchi und Julia Unterberger maßgeblich am Gleichstellungsgesetz feilte und für sich für dessen Implementierung einsetzte.
Während sich Nina Schröder bei ihrer Ankunft 1978 im Sarntal zwar„noch wie in Ost-Anatolien vorkam,“ wurden die Rechte der Frauen auch in Deutschland nur langsam verbessert: Es brauchte Vorreiterinnen wie Alice Schwarzer, (Emma-Gründerin 1977) die den Weg ebneten. Seit 15. März 2010 zieht in Deutschland erstmalig die Wirtschaft nach: 2015 sollen drei von zehn Telekom-Führungskräften weiblich sein. Der Rat der Südtiroler Fachfrauen war eindeutig: „Bildet Netzwerke und arbeitet parteiübergreifend!“
Katharina Hohenstein