Positiver Klimawandel
Publiziert in 13 / 2008 - Erschienen am 9. April 2008
Schlanders – Er hält nichts von den Journalisten, die die Katastrophenstimmung zum Klimawandel verbreiten. Darüber kann er sich maßlos ärgern. Die Rede ist von Gernot Patzelt, langjähriger Leiter des Institutes für Hochgebirgsforschung an der Universität Innsbruck. Er war unlängst zu Gast in der Bibliothek Schlandersburg. Leider hatten sich nur wenige interessierte Zuhörer die Mühe gemacht, den zur üblichen Katastrophenstimmung gegensätzlichen Vortrag anzuhören.
Patzelt setzt die aktuellen Klimaveränderungen in einen größeren zeitlichen Kontext, nämlich von 11.000 Jahren. Aus seinem reichen Bilderschatz verglich er Landschaftsmalereien aus den Anfängen des Tourismus mit aktuellen Fotoaufnahmen. Und die Entwicklung wird deutlich: Die Gletscher sind in diesen 200 Jahren mehrmals gewachsen, so in den 1860er, 1920er, 1960er bis 1980er Jahren, aber sie haben sich in der Zwischenzeit auch immer wieder zurückgezogen. Seit 1985 ist nun ein konstanter Temperaturanstieg zu verzeichnen, wobei der Sommer 2003 als ein Spitzenjahr im negativen Sinne für die Gletscher zu Buche schlägt. In der damaligen sechswöchigen Hitzeperiode mit subtropischen Verhältnissen ist so viel Eis dahingeschmolzen, dass sich die Gletscher bis heute nicht davon erholt haben, so Patzelt. Trotz dieser erkennbaren Veränderung beruhigt Patzelt. Anhand unzähliger Baumstammbeweise glaubt er, dass in früheren Zeiten - sei es vor 1.800 Jahren, vor 5.000 oder 8.000 Jahren - bereits am Rand der Gletscher Bäume standen und sich im Winde wiegten. Ein unglaubliches Bild, das Dendrochronologen wiederholt bestätigen. Die Dendrochronologie ist eine Datierungsmethode der Geowissenschaft, wobei unter anderem die Jahresringe von Bäumen gezählt werden. Die Wissenschaftler finden ihre Funde verstreut über den gesamten Alpenbogen und lassen darauf schließen, dass sich in den vergangenen 11.000 Jahren in jedem Fall Wärme- und Kälteperioden abgewechselt haben. Und die aktuelle Wärmeperiode hat noch keineswegs die Spitzen der Vergangenheit erreicht. Patzelt lässt auch das Argument der menschlichen Einflussnahme für die derzeitige Klimaerwärmung nur begrenzt gelten. Er geht von höchsten 25 Prozent Einfluss aus Menschenhand aus. Für ihn sei die Katastrophenstimmung jedenfalls unangebracht. Weiters plädiert er dafür, mit Kindern öfters in die Natur und ins Gebirge zu gehen. Sie seien die Zukunft und ihre Erfahrungen würden sich positiv auf unsere Zukunft auswirken.
Am Ende des Abends dreht Gernot Patzelt sogar den Spieß um und spricht von positiven Seiten der Klimaerwärmung: Anstieg der Anbaugrenzen von Obst und Getreide, Senkung der Heizkosten usw.
Seine Meinung bringt Stimmung in den Raum, manch einer schüttelt den Kopf. Das Ende eines fundierten Vortrags triftet ins Oberflächlich-Emotionale ab. Was ist mit der Trink- bzw. Wasserknappheit, die bereits im Vorjahr nicht nur die Vinschger Landwirtschaft erzittern ließ? Wie viele Vorteile braucht es um diesen negativen Punkt aufzuwiegen? „Natürlich gibt es auch Nachteile. So das Verschwinden der Gletscherskigebiete“, meint Patzelt. Aber die nutzen lediglich 2 Prozent der gesamten Gletscherfläche Österreichs, fügt er zweideutig hinzu.
Andrea Kuntner