Primar Roger Pycha (links) und Josef Niederkofler.

Roger Pycha: „Wir müssen auf unsere Kräfte achten!“

Publiziert in 39 / 2008 - Erschienen am 5. November 2008
Laas – Der SVP-Gemeindefrauenausschuss hat kürzlich im Josefshaus in Laas zum Thema „Wege aus der Depression“ eingeladen. Sehr viele Zuhörer sind gekommen. Die Vorsitzende des SVP-Gemeindefrauenausschusses Helga Mall Zangerle begrüßte die Anwesenden. Ingeborg Forcher, die Leiterin der Selbsthilfegruppe für Depression und Angststörung, stellte diese vor. Zudem erwähnte sie die Selbsthilfekontaktstelle für Depressionen und Angst­störungen im Krankenhaus von Schlanders („Der Vinschger“ berichtete darüber ausführlich; Nr. 35 vom 08.10.2008). Der Referent Roger Pycha, Primar der Psychiatrie in Bruneck ist auch im Vinschgau bekannt. Einer seiner ersten Sätze beim Vortrag war: „Wir müssen auf unsere Kräfte achten!“. Im Jahr 2030 wird die Depression an erster Stelle bei den Erkrankungen sein. Die Depression raube der Menschheit am meisten gesunde Lebensjahre. Der Betroffene selbst sei oft nicht imstande, Hilfe zu suchen. Es sind vielfach die Angehörigen und Freunde, die sie zu Fachleuten begleiten sollten. Die Bevölkerung müsse immer noch verstärkt aufgeklärt werden, denn Depression ist immer noch ein Tabuthema, insbesondere die Einnahme von Antidepressiva. Pycha erklärte dazu, dass sie nicht abhängig machen und auch die Persönlichkeit nicht verändern. Die Wirkung von Antidepressiva ist Steigerung des Antriebes, Aufhellung der Stimmung, mehr Distanz zu Problemen, ganz moderne Schmerztherapie, Verminderung eines Rückfalls und Verbesserung der Lage. Bedeutend sei natürlich auch die Psychotherapie, die die medikamentöse Behandlung begleitet. „Der Therapeut oder die Therapeutin sind wichtig, nicht die Psychotherapie“, meinte Pycha. Der Betroffene sollte einen Therapeuten haben, der ihn versteht und bei dem er sich wohl fühlt. Zudem merkte der Referent an, welche wichtige Rolle auch die Selbsthilfegruppen spielen. Denn dort kann ein Erkrankter in geschütztem Rahmen über sich und seine Krankheit frei sprechen. Pycha ging auch noch auf die biochemischen Abläufe im Gehirn ein. Es gebe Menschen, bei denen wichtige Botenstoffe (Neurotransmitter) wie etwa Serotonin, nur in geringen Mengen vorhanden seien. Biologisch-genetische Faktoren könnten demnach zu einer Depression führen. Es sollten nicht so sehr die Ursachen einer Depression ergründet werden, sondern nach den Auslösern gesucht werden: Stress, Konflikte in der Familie, kritische Lebensereignisse und schwere soziale Faktoren. Er berichtete auch über unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten bis hin zur Elektrokonvulsion (umgangssprachlich „Elektroschock“) und zum Magnetismus. Was können Betroffene selbst tun? Geduld mit sich selbst haben; sich kleine Ziele setzen; tun, was leicht gelingt; Liste angenehmer Tätigkeiten anlegen; jeden Tag genau planen; kleine Erfolge wahrnehmen und beschreiben. Pycha sagte noch, dass ein Drittel aller depressiv Erkrankten keine Hilfe suchen. 40 bis 70 Prozent aller Selbsttötungen seien laut internationalen Schätzungen auf die Depression zurückzuführen. Südtirol ist, bezüglich Suizide, leider immer wieder Spitzenreiter Italiens. Nach dem Vortrag folgt eine Diskussion. Pycha wies auf die Anlaufstellen hin: der Hausarzt, Zentrum für psychische Gesundheit und Psychologische Dienste, aber auch privat praktizierende Psychiater und Psychotherapeuten. In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung und Suizidgefahr verknüpft sind, soll man sich an die Erste Hilfe der Krankenhäuser von Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereitschaftsdienst. Die „Telefonseelsorge“ der Caritas, „telefono amico“ und „Young and direct“ stellen wertvolle Anlaufstellen und Gesprächspartner in seelischen Krisen dar. „Das Behandlungsgeheimnis liegt in der Kombination“, berichtete Pycha, also im Zusammenspiel mehrerer Hilfen. Pycha ist zudem der Leiter der „Europäischen Allianz gegen Depression“, die seit fünf Jahren in17 europäischen Staaten besteht. Südtirol ist Italiens Modellregion. Der „Europäische Tag der Depression“ wurde heuer am 28. Oktober begangen.
Daniela di Pilla
Daniela di Pilla

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