Unter den 50 Spielern, die gleichzeitig gegen den tschechischen Großmeister Vlastimil Hort spielten, befanden sich neben Hans Unterthurner auch Tourismuspräsident Anton Brunner und Bürgermeister Walter Weiss (von links). Bekannte und prominente Naturnser entdeckte man unter den „Kibitzen“.

Seit 25 ­Jahren Hochburg der Vinschger Denker

Publiziert in 24 / 2010 - Erschienen am 23. Juni 2010
Naturns – Das Jubiläum „25 Jahre Schachclub Naturns“ wurde im offiziellen Rahmen nie gefeiert. Als aber am 9. Jänner 2010 alle vier Naturnser Mannschaften gleichzeitig in den Räumen der Dorf-Bibliothek spielten, wurde dies zu mehr als einer logistischen Herausforderung, es war ein erster Höhepunkt im Jubeljahr. Hans Unterthurner, Präsident des Schachclubs, und seine „rechten Hände“ waren nicht nur Ausrichter, sondern wie übrigens seit 25 Jahren auch selbst Akteure. So geräuschlos wie das an sich geräuschlose Brettspiel ist die Entwicklung des Schachclubs Naturns nicht vor sich gegangen. Bis Naturns mit vier Mannschaften zu einer Landesmeisterschaft antreten konnte, musste viel Wasser die Etsch hinunter fließen. Zuvor war der Schachclub Vinschgau gegründet und wieder aufgelöst worden. Auch dabei spielte Naurns die entscheidende ­Rolle. Unter den Spielern aus allen möglichen Dörfern spielten die Kirchtürme immer eine ­Rolle. Zwischen Auseinandersetzungen, Spaltungen, ­Reibereien, Austritten und Rücktritten blieb die einzige Kon­stante im Spiel auf den 32 weißen und 32 schwarzen Feldern der ­Naturnser Hans Unterthurner, der Mann mit dem Hang vorauszurechnen. Mehrphasige Nachdenk-Haltung Sein Markenzeichen ist die „mehrphasige Nachdenk-Haltung“, die Unterarme auf der Tischplatte aufgelegt und die Hände übereinander in der Eröffnung, das Kinn auf die Handflächen gestützt im beginnenden Mittelspiel und die Hände vor der Stirn, wenn der Gegner einen unerwarteten Zug gemacht hat und er gezwungen wird zu reagieren. Diese Mehrphasenhaltung hat Hans Unterthurner wahrscheinlich schon in seiner Volksschulzeit eingenommen, als er vom Vater das königliche Spiel beigebracht bekommen und mit seinem Onkel um eine Tafel Schokolade gespielt ­hatte. Einen gewaltigen Motivationsschub und den Hang, auch organisatorisch im und für Schach etwas zu bewegen, hat der Naturnser seit der legen­dären Schach-Weltmeisterschaft in Meran bekommen. Damals wurde in Meran ein Stück „Kalter Krieg“ zwischen dem Westen und der Sowjetunion mit anderen Mitteln fortgesetzt. Damals befand sich der Naturnser Kaufmann und Schach-Freak Hans Unterthurner unter den vielen Zuschauern und hat jeden Zug von Anatoli Karpow und Viktor Kortschnoj mit verfolgt und zu Hause analysiert. Damals hat Schach in Südtirol einen fulminanten Aufschwung genommen. Auf dieser Welle hat Hans Unterthurner nicht nur den Saal des Rat-und Bürgerhauses mit einer Simultanveranstaltung gegen den tschechischen Großmeister Vlastimil Hort gefüllt, sondern 1981 den Anstoß gegeben, den Schachclub Vinschgau zu gründen, und vier Jahre später die Jugendmannschaft des Schachclub Naturns aufgebaut. Die Trümpfe aus dem eigenen Stall Anton Christanell, Roland Mengon, Gerhard Brunner, ­André Christanell, Helmut Prantl und Thomas Fliri waren aus den Schachkursen in der Mittel­schule entwachsen und hatten sich in der C-Liga West die ersten Sporen im Spiel der Spiele erworben. Am Ende wurde es ein 7. und letzter Platz. 1986 stand der Schachclub Naturns bereits mit zwei Mannschaften im Rennen. Unterthurner hatte die Vinschger Querköpfe satt und war in heimatliche Gefilde zurückgekehrt. Mit Karl Pircher, Georg Bonani, Luis Pranter, Herbert Zöschg und den Nägele-Brüdern Norbert und Raimund aus Algund stürmte er auf Rang drei der aus acht Mannschaften bestehenden C-Liga West vor. Die 2. Mannschaft erreichte einen 6. Rang vor Goldrain, das sich ebenfalls nicht in den Schachclub Vinschgau integrieren wollte oder konnte. Schon 1987 befanden sich drei Naturnser Mannschaften im Rennen. Hans Unterthurners Organisationsfähigkeit, seine Jugend- und Breitenarbeit und der glückliche Umstand, ein festes Clublokal zu haben, waren ausschlaggebend, dass Naturns eine „Schach-Großmacht“ wurde. Bereits im Jahre 1988 stand Naturns in der Play-Off-Runde um den Aufstieg in die B-Liga und lehrte den Traditionsclubs aus dem östlichen Landesteil und aus dem Südtiroler Unterland das Fürchten. Im Frühjahr 1989 hatte Naturns 1 nur noch Neumarkt vor sich und den Aufstieg in die höchste Spielklasse, in die A-Liga, geschafft. Es folgten Auf- und Abstiege, bis sich die Club-Leitung entschlossen hatte, die 1. Mannschaft zu verstärken und dafür auch zu inves­tieren. Verstärkung aus Südosteuropa Vor vier Jahren wurde der Fide-Meister Josko Mukic aus Kroatien fürs erste Brett verpflichtet. Derzeit gehört er zu den Spitzen der Südtiroler Elo-Rangliste an. Die Berechnung der nach dem ungarischen Spieler Arpad Elo benannten Punkte ist kompliziert, erfolgt über die Turnierteilnahme und hängt von der Elo-Zahl des Gegners ab. Hans Unterthurner, der hinter ­Mukic und dem jungen Meraner ­Stefano Bonagura – ebenfalls mit Meisternorm - auf dem 3. von sechs Brettern spielte, weist 1.984 Elo-Punkte auf. Sein um gut 40 Jahre jüngerer Kampfgenosse auf Brett vier, Raoul Nicolodi, kommt auf 1.738 Punkte. Für die A-Mannschaft „Naturns Jambo“ spielen außerdem auf Brett 5 Martin ­Torggler (Meran, 1.728 Elo-Punkte) und Norbert Nägele (Algund, 1.713 Elo-Punkte). „Wenn man gute Nachwuchsspieler halten will, muss man ihnen auch was bieten“, begründete Hans Unterthurner die anstrengende Herausforderung, parallel zur Landesmeisterschaft auch noch mit zwei Mannschaften zu je vier Spielern an der ­italienischen Meisterschaft teilzunehmen. „Da kann es schon mal passieren, dass man am Samstag in Bruneck und am Sonntag irgendwo in der Gegend von Mailand spielen muss. „Wenn ich nach solchen Tagen nicht vor dem Schlafengehen ein großes Bier trinke, kann ich nicht abschalten“, vertraute Schachpionier Hans Unterthurner „Dem Vinschger“ an. Übrigens, das eingangs erwähnte „Super-Heimspiel endete so: Die A-Mannschaft mit dem Kroaten Josko Mukic auf Brett 1 und Hans Unterthurner auf Brett 3 traf auf Gries und erreichte ein Unentschieden. Naturns B mit Hanspeter Kaserer auf Brett 1 traf auf die einzige Vinschger Mannschaft, Lichtenberg, mit „Brett-Leader“ Stefan Dietl. Die Naturnser wurden mit 2:3 Punkten von den Obervinschgern niedergerungen. Die Gruppe C 1 gewann mit 5:0 gegen Algund und C 2 verlor mit 0,5:4,5 Punkten gegen Lana. Während die Mannschaft C 2 noch das monotone, je nach Stimmungslage drängende oder einschläfernde Ticken der Uhren anhören musste, drückten die übrigen Mannschaften auf digital einstellbare, geräuschlose Geräte.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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