Stilfs vor einer Jahrhundertentscheidung
Publiziert in 26 / 2011 - Erschienen am 6. Juli 2011
Stilfs – „Bitte verkündet jetzt nicht, dass wir schon anfangen, das Rathaus umzubauen.“ Zwei Mal warnte Bürgermeister Hartwig Tschenett seinen Gemeinderat davor, das wohl größte Bau- und Sanierungsunternehmen der kommenden Jahre vorschnell als fertiges Projekt darzustellen. Es gehe um erste Zahlen und um eine erste Machbarkeitsstudie, erklärte Tschenett, als Architekt Kurt Stecher für den Umbau des Rathauses mit Tiefgarage für 18 PKW-Plätze, für die Einrichtung einer Bankfiliale und für den Bau des Kindergartens mit Parkplatz 2,86 Millionen Euro voranschlug. Nicht mitgerechnet waren die technischen Spesen und die Mehrwertsteuer von mehr als 960.000 Euro. Dem Jahrhundertvorhaben müsste ein weiteres, dringenderes Bauvorhaben vorangehen: die längst überfällige Sanierung des Hauses der Dorfgemeinschaft. Dort müssten die Gemeindeämter bis zum Rathausbau ja untergebracht werden. Von Referent Armin Angerer wurde der Energieverbrauch als horrend und der Zustand der Wasser- und Stromleitungen im Haus der Dorfgemeinschaft als untragbar geschildert. Auf knapp 300.000 Euro schätzte Architekt Stecher allein den Aufwand für die energetische Sanierung auf den vorgeschriebenen Klimahaus B Standard. Nach „Rück-Umzug“ der Gemeindeämter und Einzug des Kindergartens im neuen Rathaus, sollten im Haus der Dorfgemeinschaft die öffentliche Bibliothek und das Arztambulatorium Platz finden. Dies würde allein für Sanierungs-, Umbau- und Einrichtungsarbeiten einen Kostenaufwand von 1,49 Millionen Euro ergeben. „Ihr müsst aber auch den Mut haben und ganz andere Lösungen andenken“ warf hier Arnold Gapp ein. „Wir müssen…“ wollte Bürgermeister Tschenett hören. „Ich bin in diesem Fall ein Außenstehender und möchte euch zum Querdenken anregen“, entgegnete der Suldner Gapp, der mit Bürgermeister und Bautenreferent Armin Angerer eine koordinierende Arbeitsgruppe zur „Wiederbelebung der Bautätigkeit im Altdorf“ bildet. „Ihr müsst Ämter, Bankschalter und Kindergarten als Dorf belebende Elemente streichen“, meinte Gapp. „Sie sind an Feiertagen und Wochenenden und am Abend geschlossen.“ Der Einwurf von Wilhelm Haas: „Dann wäre eine Bar besser“, lockerte die Stimmung. Cornelia Moser gab eine emotionale Bindung an das Altdorf zu und fürchtete ein Ausbluten des Zentrums, wenn die Gemeindeämter wegziehen.
Kann „Bergers Butterbrot“ den Tourismus retten?
Bevor sich die Tourismusvereine von Sulden, Prad, Stilfs und Trafoi als Ferienregion Ortlergebiet in einer Vollversammlung zum Beitritt oder zur Ablehnung des „Vinschger Weges“ durchringen, wollte Bürgermeister Hartwig Tschenett selbst Grundsätzliches mitteilen und über die Haltung der Gemeindeausschüsse von Prad und Stilfs informieren. Die Touristiker beider Gemeinden seien mit der höchsten Bettenabgabe belastet, meinte dazu Tschenett sinngemäß; sie müssten zusätzlich 80.000 Euro aufbringen. Dazu seien viele Betriebe aber kaum mehr in der Lage. Die Annahme des Tourismusentwicklungskonzeptes „Der Vinschger Weg“ durch die Ferienregion hänge daher von der Bereitschaft der Verwaltungen ab, einen Teil der Belastung mitzutragen. In Prad sei die Rede von 15.000 bis 16.000 Euro; Stilfs treffe es etwa 25.000 Euro für zwei Jahre. Christian Knoll (Sulden) machte keinen Hehl aus seiner Skepsis. „Die Gelder sind futsch“, sagte er überzeugt. „Ich glaube nicht, dass sich das Konzept nach drei Jahren selbst finanziert. Solange das Gesetz über die Tourismusabgabe nicht kommt, wird sich nichts ändern.“ Auf die Nachfrage des „Vinschgers“, ob er einen anderen Weg wüsste, meinte Knoll: „Natürlich sind wir uns alle bewusst, dass es so nicht weitergehen kann. Es muss auf jeden Fall eine Veränderung stattfinden.“
Manuela Angerer (Referentin aus Trafoi) stand in der Sitzung vom 22. Juni ganz klar zum Konzept: „Es muss alles auf neue Beine gestellt werden“, erklärte sie. Arnold Gapp (Sulden) nannte die von Landesrat Hans Berger zugesagten 250.000 Euro für die Tourismusentwicklung eines ganzen Tales „ein Butterbrot“ und forderte vehement eine „professionelle Struktur“, die es längst hätte geben müssen. Er sei froh, dass die Lage im Tourismus endlich ein politisches Thema geworden sei und meinte „Wir müssen alles auf ein hohes Niveau stellen und da komme ich auf mein Lieblingsthema, auf das erfolgreiche Beispiel der Apfelbauern, die sich professionellen Manager geholt haben.“
Günther Schöpf