Wenn die Sonne den Gipfel küsst
Publiziert in 31 / 2008 - Erschienen am 10. September 2008
Bergbegeisterte gibt es viele in unserem Land und manche kommen auf ganz verwegene Ideen. Die einen messen sich in der steigenden Schwierigkeit, die anderen in der immer höheren Geschwindigkeit. Wieder andere machen sich nichts aus Superlativen und suchen die Begegnung mit dem Berg, seiner und ihrer Seele. Sie schenken sich einen Sonnenaufgang auf einer Bergspitze. Und das zu einer Zeit, wo Hans und Helga mit einem kräftigen Fingerzeig den Wecker zum Schweigen bringen und nochmals die Bettdecke über die Ohren ziehen. Jedoch all jene, die einmal den Sieg der Sonnenstrahlen über Nebel oder Dunkelheit erlebt haben, beschreiben es als ein beglückendes Erlebnis. Natürlich graut es auch die Coolsten davor, sich um vier oder fünf Uhr in der Früh aus dem Bett zu schälen. Aber sobald sie sich die Bettwärme abgestreift, den Schlaf aus dem Gesicht gewaschen haben und die ersten Schritte in die menschenleere Nacht setzen, gibt es für sie eh kein wirkliches Zurück mehr. Alles andere wäre nur eine aufgewärmte Sache. Ein Berg, der sich für Sonnenaufgang-Anfänger eignet ist der Piz Lad (2.808 m): Er macht technisch keine Schwierigkeiten, Stolperer sind erlaubt und ist in zwei Stunden Gehzeit auch mit mäßigen Aufwand zu erreichen. Gerade recht für den anbrechenden Tag. Apropos: Wer die Sonnenaufgang-Variante wählt, sollte sich am Abend vorher vorsorglich eine Stirn- bzw. Taschenlampe einpacken.
Nun zur Wegbeschreibung, gültig bei Tag und bei Nacht: Mit dem Auto kann bis zur Reschner Alm auf knapp 2.000 m gefahren werden, so bleiben gerade mal 800 Höhenmeter bis zum Gipfelkreuz. An der Alm vorbei führt der Almweg weiter Richtung österreichische Grenze. Bald wird dieser verlassen und über eine mit einem Wetterkreuz beschützten Anhöhe erreicht man den alten, gut begehbaren Militärweg, der bis an den Fuß des Piz Lad führt. Über den markierten Steig (Nr. 5) geht es nun linker Hand auf den Bergrücken, der aus der Nähe keineswegs so steil ist, wie er vom Tal aus scheint. In Kehren geht es im Geröllschutt, das Gipfelkreuz im Blick, stetig höher. Oben dominiert der Reschensee den Vordergrund, rundum recken die zahlreichen Dreitausender ihre weißen Spitzen in die Höhe. Weiter unten leuchten im September die Almmatten in den verschiedensten Gelb- bis Brauntönen. Ihr letztes Aufflammen für den verschwindenden Sommer und ihr erster Gruß an den herannahenden Herbst.
Abstiegsvariante: Wer nicht den gleichen Rückweg antreten möchte und ordentlich Kraft in den Beinen spürt, kann über den Bergkamm Richtung Südwesten zuerst ins Grubenjoch (2.647 m) absteigen, im Vorbeigehen den Piz Nair (2.743 m) mitnehmen und über den Piz Rusenna (2.802 m) auf dem Äußeren Nockenkopf nochmals den ausgedehnten Blick ins Rojental genießen. Nun entweder weglos schräg die Berghänge und Almmatten querend zurück zur Alm oder über den markierten Steig Nr. 7 absteigend taleinwärts und dann in einem Bogen zurück auf den Almweg.
Ausgangspunkt: Reschner Alm (2.020 m)
Gehzeit insgesamt: 4 Stunden
Höhenmeter: im Auf- und Abstieg 800 Hm
Ausrüstung: eine Stirn- oder Taschenlampe für die Sonnenaufgang-Variante mitnehmen
Variante: Rückweg über Piz Nair, Jochbodenkopf zum Äußeren Nockenkopf, zurück zur Rescher Alm (ca. 3 1/2 Stunden Gehzeit zusätzlich)
Familienfreundlichkeit: vorhanden, da keine technischen Schwierigkeiten im Hin- und Rückweg vorliegen, jedoch am Gipfel ist darauf zu achten, dass der Piz Lad zur österreichisch-schweizer Seite hin zu einer steilen Felswand abfällt. Die Rückweg-Variante ist nicht für Kinder geeignet.
Einkehrmöglichkeit: Reschner Alm, bewirtschaftet
Andrea Kuntner