Wie heldenhaft war der Tiroler Freiheitskampf?
Publiziert in 6 / 2009 - Erschienen am 18. Februar 2009
Schlanders - Die Historikerin Mercedes Blaas, geboren in Mals und als Lektorin in Innsbruck tätig, referierte kürzlich in der Bibliothek Schlandersburg zu den Aufzeichnungen der Erlebnisse des Schlanderser Priesters Josef Daney im Jahre 1809 in Innsbruck. Die Vortragsreihe gehört zur Einführung in das Theaterstück „Tod eines Verräters – 8 Szenen um Josef Daney“, geschrieben von Josef Feichtinger für die Theatergruppe Kortsch. (Uraufführung 27. Februar 2009) und gleichzeitig ein Beitrag zum Gedenkjahr 1809.
Die Aufzeichnungen Daneys enthalten ziemlich viele unangenehme Wahrheiten für beide Seiten und schon deshalb erlaubten weder die bayrische noch die österreichische Regierung die Drucklegung seines 200 Seiten umfassenden Manuskriptes, so Mercedes Blaas. „Dass das Werk selbst zur Jahrhundertfeier 1909 nur in einer gekürzten Fassung herauskommen konnte, spricht für sich. Es war die Zeit, in der die Kämpfer von 1809 in zahlreichen Tiroler Publikationen als Helden gefeiert wurden,“ meinte die Historikerin. Und von einer Heldensage sind Daneys Aufzeichnungen weit entfernt. Abgesehen von der „Selbstgefälligkeit, der Arroganz und des Zynismus des Schlanderser Priesters“ eigenen sich seine Erinnerungen sehr gut dafür, unser Bild vom Tiroler Aufstand kritisch zu hinterfragen. Daneys Aufzeichnungen sind über weite Strecken zutiefst ernüchternd und desillusionierend. Krieg bedeutet überall dasselbe, auch in Tirol; und auch Tiroler plünderten, raubten und misshandelten. Andererseits schrieb Daney auch von maßvoll und klug handelnden Persönlichkeiten, aber die waren eher die Ausnahme als die Regel. Josef Daney schilderte die anarchischen Zustände in Innsbruck während der „ersten Bergiselschlacht“ um den 12. April 1809 und die Gefangennahme von 5.500 Bayern und Franzosen. Der Ausdruck „Bergiselschlacht“ sei laut Mercedes Blaas nicht korrekt, denn auf dem Bergisel habe im April 1809 keine Auseinandersetzung stattgefunden, und der Begriff „Schlacht“ wurde erst später geläufig, als sich ein Kranz von Legenden um den Aufstand zu weben begann. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausführungen von Mercedes Blaas galt dem Verhältnis Daneys zu seinen Landsleuten, wobei ihn das Schicksal der Schlanderser Schützen besonders interessierte. „Daneys Sympathie galt nicht den Kriegstreibern, wie es Franz Frischmann oder Pater Haspinger waren. Hauptmann Johann Spiller und Johann Alber hingegen waren von Daney geschätzte Schlanderser. Besonders kritisch und nicht selten auch verletzend äußerte sich Daney zum Ausrücken der sogenannten „weizenen“ Kompanie von Schlanders Ende Mai in Richtung Mittenwald und Garmisch. Auf beschämende Weise sollen sie geräubert und geplündert haben,“ ergänzt die Historikerin. Als letzten Schwerpunkt der Ausführungen hat die Referentin einen Zeitabschnitt gewählt, der in unseren Geschichtsbüchern keine Erwähnung mehr findet, da das Ende der Kampfhandlungen mit der vierten Bergiselschlacht im November 1809 angegeben wird. Vier Tage nach seiner Zustimmung zum Frieden am 12. November 1809 hat Andreas Hofer, aufgehetzt vom „Rotbart Haspinger“ und anderen fanatischen Kriegstreibern, wieder zu den Waffen gerufen. Daney wurde am 14. November auf ausdrücklichen Befehl Hofers verhaftet und zum Tode verurteilt. Ausgerechnet Franzosen befreiten Josef Daney und Jakob Sieberer am 24. November 1809 im Passeiertal. Und ausgerechnet zwischen dem 15. und dem 24. November1809 verloren in völlig sinnlosen Kämpfen am Küchelberg bei Meran 39 Männer aus dem Landgericht Schlanders (Eyrs/Tanas bis Tarsch) ihr Leben, während es in allen Kämpfen zwischen April und Allerheiligen 1809 insgesamt 6 Gefallene aus dem Landgericht Schlanders gegeben hatte! So fanden laut Mercedes Blaas die wirklichen Schlachten des Jahres 1809 für die Bevölkerung von Schlanders und Umgebung nicht am Bergisel, sondern lange nach dem Friedensschluss in der Gegend von Meran statt. (inge)
Wer war Josef Daney?
Josef Daney entstammte einer Seilerfamilie aus Schlanders. Seine Mutter, die Bürgermeistertochter Katharina war eine geborene Adam aus Mals; ihre Familie gehörte dort zu den einflussreicheren Geschlechtern. Vater Jakob übersiedelte 1777, knapp über 20 Jahre alt, mit seiner rund zehn Jahre älteren Frau nach Schlanders. In den Matrikelbüchern ist die Geburt von sieben Kindern innerhalb des folgenden Jahrzehnts bezeugt.
Josef Daney durfte das Meraner Gymnasium besuchen und entschied sich für den priesterlichen Beruf. Das Studium schloss er im französisch besetzten Rom ab, wo er sich gute Italienisch- und Französischkenntnisse aneignete. Ende 1806 kehrte er als Seelsorger nach Schlanders zurück, übrigens fast zeitgleich mit dem Kapuziner Joachim Haspinger, der später einer seiner größten Widersacher wurde.
In Innsbruck war Josef Daney als Erzieher bei vornehmen Familien tätig. Während der Aufstände von 1809 war er in Innsbruck; im Oktober lernte er während einer mehrstündigen Messe in der Innsbrucker Hofkirche Andreas Hofer beim Schnupftabakaustausch kennen.
Josef Daney war nie das, was man heute einen Sympathieträger nennen würde, sagt Mercedes Blaas, obwohl er ein friedliebender Mensch und ein guter Priester war.
Seine Französischkenntnisse retteten den Vinschgau zwar vor der Einquartierung französischer Truppen, Daney selbst wurden sie aber zum Verhängnis, denn allein das Beherrschen der Sprache des Feindes stempelte ihn zum Verräter.
Josef Daney starb vergessen und verarmt im Jahre 1926 in St. Pauls, wo er auch begraben liegt.