“Wir hoffen, bald aus diesem Alptraum zu erwachen”
Publiziert in 3 / 2006 - Erschienen am 8. Februar 2006
Partschins – „Dieser bei unserem Vieh aufgetretene Milzbrand hat uns erschüttert,“ gestand Maria Pichler vom Giggelberghof, der auf 1535 Metern oberhalb von Partschins liegt. „Der Vinschger“ durfte in der Wohnung der Tochter Heidi in Rabland mit der Familie sprechen. „Am 21. Dezember haben wir den knapp ein Jahr alten Ochsen noch bei bester Gesundheit im Stall fressen sehen; abends lag er dann auf dem Boden und zitterte. Sein Rücken war mit kaltem Schweiß bedeckt. Der herbei gerufene Amtstierarzt Heinrich Unterhuber hatte zuerst den Verdacht geäußert, dass es sich um Darmverwicklung oder Vergiftung handeln könnte. Bis zum 29. Dezember traf es dann noch in Abständen von ein bis zwei Tagen drei Ziegen, darunter war auch ein wunderschöner Bock, die trächtige Kuh und zwei Schafe“, schilderte Maria Pichler. Die Symptome waren immer ähnlich: die Tiere lagen zuckend am Boden, gepeinigt von Krämpfen und in kaltem Schweiß gebadet. Peter Pichler hatte am 2. Weihnachtsfeiertag mitgeholfen, die Kuh zu schlachten, um sie von ihren Schmerzen zu befreien und dabei muss er sich an der Hand infiziert haben, was er jedoch erst drei Tage später ernster nahm, als Schmerzen und Schwellung zugenommen hatten.
Bis dahin hatte er sich wie üblich desinfiziert, die Hand wies keine offene Wunde auf. Er wurde ins Krankenhaus Meran gebracht und zu Beginn mit verschiedenen Antibiotika behandelt, erst dann gegen Hand-Milzbrand, nachdem sich der Verdacht der Milzbrandinfektion auch bei den Tieren verstärkt hatte. Er konnte das Krankenhaus schon nach einigen Tagen wieder verlassen.
Der Hof wird nur von Maria und Peter Pichler alleine bewohnt und bewirtschaftet. Aber häufig, und natürlich auch über die Weihnachtsfeiertage, waren auch die Töchter mit ihren Familien dort; die Kinder hatten wie immer im Stall, im Heu und auf dem Hof gespielt, aber zum Glück wies keines von ihnen Krankheitserscheinungen auf. Die ganze Familie ist vorsichtshalber mit Antibiotika behandelt worden, auch alle auf dem Hof lebenden Tiere, und das sind an die siebzig Schafe, einige Rinder und Ziegen. Auch die Tiere der umliegenden Höfe wurden prophylaktischen Impfungen unterzogen und laut Franz Hintner, dem Leiter des Veterinär-Dienstes in Meran, bestehe keinerlei Gefahr für andere Tiere oder gar Menschen.
Infolge der kalten Jahreszeit und der kaum befahrbaren Strasse liegt der Hof ziemlich abgeschieden, das Vieh bleibt im Stall; vorsichtshalber ist der Hof gesperrt worden und nur für Familie Pichler zugänglich. Die verendeten Tiere sind sofort abtransportiert und entsorgt worden. Man vermutet, dass die Milzsporen über das Heu in den Stall gekommen seien; es wird lediglich aus dem Veneto geliefertes Heu an die Tiere verfüttert und die in Frage kommenden Ballen sind an alle Tiere verteilt worden. Ergänzt wird das tägliche Futter auch mit Korn, aber dieses unterliegt bereits vor der Anlieferung regelmäßigen Kontrollen. Über das Gesundheitsamt sind Proben des Heus zur Analyse in das zuständige Labor nach Foggia geschickt worden. Am 1. Februar teilte Landesrat Hans Berger mit, dass alle Heuproben negativ ausgefallen sind. An diesem Tag haben die Experten des Landestierärztlichen Dienstes den Hof in Begleitung der beiden zuständigen Amtstierärzte noch einmal besucht. Es wurden Kontrollen durchgeführt. Den Tieren des Hofes wurde Blut zur Analyse entnommen und sie sind einer Impfung gegen Milzbrand unterzogen worden. „In rund zehn Tagen, wenn die Impfung wirkt, sind sie damit vor den Erregern der Krankheit sicher", sagte Landesrat Hans Berger. In nächster Zukunft sollen dann auch die Tiere der Nachbarhöfe geimpft werden.
Trotz der negativen Heu-Proben „gehen wir - und auch das zuständige Labor in Foggia - nach wie vor davon aus, dass die Sporen aus dem Heu stammen, weil es die einzige mögliche Erklärung ist", sagte der stellvertretende Landestierarzt Ernst Stifter. Es sei allerdings extrem schwierig, den entsprechenden Nachweis zu führen, weil das Heu auch nur punktuell, also auch nur an einer oder wenigen Stellen verseucht sein dürfte. Es wurden weitere Proben für eine Analyse genommen.
In verschiedenen Medien wurde im Zusammenhang mit dem Milzbrand-Fall darauf hingewiesen, dass bereits vor etwa vierzig Jahren ein Fall von unerklärlichem Tiersterben auf dem Giggelberghof aufgetreten wäre. Wie sich später aber herausstellte, hatte es sich damals um eine bösartige Fieberinfektion gehandelt und nicht um Milzbrand. Auf jeden Fall waren auch zu jener Zeit die betroffenen Tiere sofort weggebracht worden.
Familie Pichler hofft nur, dass sie bald aus diesem Alptraum erwachen kann, dass der Bürgermeister den Hof wieder freigibt und die Familie keine allzu großen Einbußen in der kommenden Saison haben wird. „Noch wollen wir nicht die Hoffnung aufgeben, dass wir weiterhin unsere Jausenstation betreiben können. Wir wünschen uns, dass die Gäste nicht ausbleiben. Das Frühjahr kommt bald und damit die Sonne und in wenigen Wochen wird alles vielleicht schon anders aussehen“, hofft die Familie.
Christel Strasinsky
Was ist Milzbrand?
Der Milzbrand ist eine bakterielle Infektionserkrankung (Anthrax-Bazillen), die in erster Linie Huftiere befällt. Durch engen Kontakt mit erkrankten Tieren und durch unachtsames Hantieren mit infizierten Tierprodukten können die Erreger auch auf den Menschen übertragen werden, jedoch nicht von Mensch zu Mensch. Je nach Eintrittspforte unterscheidet man Haut-, Lunge- oder Darmmilzbrand. Wird die Infektion nicht sofort mit entsprechenden Antibiotika behandelt und gelangt der Erreger erst einmal ins Blut, so kommt es zu einer rasch zum Tode führende Milzbrandsepsis.
Es handelt sich um Sporen, die im inaktiven Stadium sehr resistent gegen Hitze, Trockenheit, Bestrahlung, Feuchtigkeit und sogar gegenüber Desinfektionsmittel sind. Erst im Körper bilden sich die Sporen zu lebensfähigen und sich schnell vermehrenden Bazillen aus. Sie werden mit dem Kot ausgeschieden und sind deshalb auf der Weide und im Stall zu finden.
Es besteht eine 1 bis 7-tägige Inkubationszeit; die erstem Symptome sind Übelkeit, hohes Fieber, Schüttelfrost, Atemnot; auf der Haut bilden sich kleine mückenstichartige Knötchen, die zu eiternden Wunden werden können und bei Darmmilzbrand treten starke Bauchschmerzen, Blähungen und Krämpfe auf. Infizierte Tiere müssen getötet werden.
Christel Strasinsky