Das Menschenmögliche getan haben Primar Anton Theiner, Amtsdirektor Luca D’Ambrosio, Primar Simone Schmorak, Direktorin Irene Pechlaner, Zeuge Kurt Habicher, Biologin Adriana Palchetti

„Wir können vieles ausschließen, aber nichts beweisen“

Publiziert in 1 / 2009 - Erschienen am 14. Januar 2009
Schlanders / Stilfserjoch – Der Täter dürfte zur Gruppe­ der „Wulstlinge“ gehören, von graubraunem bis gelb­bräunlichem Aussehen und etwa 12 Zentimeter hoch sein. Er tritt meist in Laub-, weniger in Nadelwäldern auf und wird von sibirischen Völkern für Ini­tiationsriten genutzt. Gelangt sein giftiger Wirkstoff „Iboten“ in den Blutkreislauf, kann dies zu Übelkeit, Durchfall und Erbrechen führen. Erregungs- und Rauschzustände können auftreten oder gar Krampfanfälle und Verwirrtheit. Wahrscheinlich war es dieser Winzling, den der Pilzkundler „Pantherpilz“, das gemeine Volk „brauner Knollen­blätterpilz“ nennt, der beim 8. Radtag zum Stilfserjoch am 30. August 2008 zu 44 gemeldeten Krankheitsfällen geführt und 24 Personen ins Krankenhaus gezwungen hatte. „Die Indizien sind allerdings mehr als dürftig“, erklärte der Primar des Dienstes für Hygiene und öffentliche Gesundheit im Gesundheits­bezirk Meran, Simone Schmorak. Zusammen mit dem Amts­direktor im ­Labor für Lebensmittel­analysen, Luca D’Ambrosio, und der Biologin Adriana ­Palchetti stellte er im Krankenhaus von Schlanders die Ergebnisse einer in Südtirol beispiellosen und einmaligen „Fahndungsaktion“ vor. Die vermutete Lebensmittel­vergiftung, auch hier wieder nur Vermutungen, ging über drei Monate und umfasste mykologische Untersuchungen in München, Innsbruck, Pavia und Mailand. Das Ereignis sei so einmalig gewesen und das Forschungsgebiet derart neu, dass in seinem Labor nicht in der üblichen Form vorge­gangen werden konnte, be­richtete sinngemäß Amtsdirektor D’Ambrosio. Der eigentlichen Spurensuche durch die Bio­login Palchetti voraus gegangen waren epidemio­logische Untersuchungen an 123 Personen im Form von Befragungen über genossene Speisen und Getränke, über Uhrzeit, Symptome und Krankenhausaufenthalt. „Nach und nach kamen als gemeinsame Elemente aller Patienten das Mittagessen im Berghotel Franzenshöhe und der Verzehr von ‚­Spaghetti mit Pfifferling- oder Stein­pilzsauce‘ an den Tag“, berichtete Primar ­Schmorak. Es folgten ­chemische und bakteriologische Standarduntersuchungen in der Hotel­küche, am Trinkwasser, an Speiseresten im Müll, am Erbrochenen von drei Pa­tienten und im Urin von sechs betroffenen Personen. Die „Fahndung“ nach pathogenen Keimen, Pflanzenschutz- oder Arzneimitteln und nach Drogen verlief negativ. Gefunden wurden am Ende einige Sporen der Pilzgattung Amanita (dazu gehört Pantherpilz) im Erbrochenem einer unbekannten Person. Dieses eine Ergebnis reiche aber nicht aus, eindeutig Pilze oder den Pantherpilz im Speziellen als „Auslöser“ des Phänomens zu entlarven, so Schmorak. Entsprechend schmal und bescheiden fiel die Schlussfolgerung der Wissenschaftler aus: „Es konnte keine eindeutige Ur­sache des Vorgefallenen ermittelt werden.“ Von den lokalen Medien wurde der Direktorin des Gesundheitsbezirkes Meran, Irene Pechlaner, hoch angerechnet, dass die von der Staatsanwaltschaft frei gegebenen Unter­suchungsergebnisse nicht in ­Bozen oder Meran, sondern am Ort des Geschehens, in Schlanders, vorgestellt wurden. Die Vorstellung bekam authentischen Charakter durch die Schilder­ung des Anästhesisten Kurt Habicher, der mit dem Weißen Kreuz am Silfserjoch im Einsatz war und schließlich selbst zum Opfer wurde. Eine schreck­liche Wendung hätte eintreten können, wenn der ebenfalls von Gleichgewichtsstörungen befallene Hubschrauberpilot nicht rechtzeitig gelandet wäre, erzählte Tatzeuge Habicher.­ ­Primar Anton ­Theiner, ärztlicher Direktor des Krankenhauses Schlanders, konnte die Schilderungen mit einer neuen Variante ergänzen: „Ein am selben Tag eingeliefertes Unfallopfer war Stunden zuvor auf dem Stilfserjoch ge­wesen und dann durch plötzlich auftretende Gleichgewichts­störungen im nahen Klettergarten abgestürzt“.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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