„In Bad Bachgart habe ich gelernt, mein Leben mehr zu lieben“

Auch wer ganz unten angekommen ist, kann wieder aufstehen. Das lehrt uns die Geschichte der 38-Jährigen Elisabeth Covi, deren Leben sich nach dem Aufenthalt im Therapiezentrum Bad Bachgart in Rodeneck, wieder zum Guten wendete.

- Die Vergangenheit war für Elisabeth, „Lisi“, nicht einfach, aber sie sieht ihre Zukunft klar vor sich. Mit ihrem Partner lebt sie schon seit längerer Zeit zusammen und sie bezeichnet sich selbst als tierliebende Person. Sie arbeitet als Sekretärin und betreibt viel Sport, bis vor einem Jahr spielte sie intensiv Badminton. Eines Tages erkennt sie, dass sie es nicht mehr schafft, die düsteren Phasen häufen sich. Sie versucht es herunterzuspielen, versteckt und ignoriert es, so gut es geht, vor sich selbst und den anderen. Bis sie eines Tages merkt, dass sie von dieser Dunkelheit beinahe verschluckt wird – aber nur beinahe.

„Ich hatte immer schon mit meinen Höhen und Tiefen zu kämpfen. Dieses Problem trage ich schon seit fast 20 Jahren mit mir herum. Ich habe natürliche Medikamente ausprobiert, um wieder schlafen zu können und ruhiger zu werden, es half aber alles nicht. Schließlich war ich so sehr am Ende, dass ich mir sagte ‚entweder du tust etwas oder sonst ist es aus mit dir‘“.

“Ich habe eingesehen, dass es mir nicht gut geht“
Man kann in Lisis Augen sehen, dass sie die Kraft und den Willen hat, für sich zu kämpfen, aber auch, dass sie sich eingestehen kann, Hilfe zu brauchen - was sehr schwer für sie war. Schließlich verstand sie, dass sie ein Recht dazu hatte, schwach sein zu dürfen, obwohl Schwäche in unserer Gesellschaft oft nicht anerkannt wird. „Ich habe schlussendlich akzeptiert, dass es mir nicht gut geht. Es war alles so kompliziert, ich hatte schon lange das Gefühl, dass etwas mit mir „nicht stimmt“. Ich begann zu zittern, wurde vergesslich, habe mich im Haus eingesperrt, obwohl ich eigentlich aktiv und sportlich bin. Ich war launisch, hatte mir angewöhnt zu viel zu trinken und litt an Schlaflosigkeit. Ich bin beim schönsten Wetter schon um drei Uhr ins Bett gegangen und habe eine Schlaftablette genommen, um den Tag so schnell wie möglich rumzubringen. Es war schrecklich! Ich bereue jetzt, dass ich so lange gewartet habe. Hätte ich mir früher Hilfe geholt, hätte ich eine bessere Lebensqualität gehabt.“

„Aus was für dauerhaftem Stoff die Stricke sind, die uns ans Leben binden.“ schreibt Christa Wolf in ihrem Roman Kassandra. Die Erzählung von Lisi erinnert an diesen Satz der Tochter des Königs von Troja, die, gefangen auf einem griechischen Schiff, in stürmische See geriet: Gerade in diesem Moment der totalen Verzweiflung gelingt es ihr, die Kraft zu finden und kämpft um ihr Leben.

Lisi sucht das Zentrum für stationäre Psychotherapie Bad Bachgart auf, einer Einrichtung des Südtiroler Sanitätsbetriebes für Menschen mit verschiedenen psychischen Störungen. „Meine Psychologin vom Krankenhaus Meran empfahl mir, nach Bad Bachgart zu gehen und damit hat sich für mich sehr viel verändert. Vorher war ich etwas untergewichtig, trank zu viel und hatte eine leichte Zwangsstörung, wie häufiges Händewaschen. Erst nach fünf Wochen in Bad Bachgart ist festgestellt worden, dass ich eine instabile Persönlichkeitsstörung habe.“

Diese Erkenntnis war für Lisi der erste Schritt auf dem langen Weg zur Heilung: „Ich hatte Schuldgefühle, weil mein Umfeld mich so hatte aushalten müssen. Ich fühlte mich ständig angegriffen und hatte viel Wut in mir. Ich war sehr aufbrausend und hatte das Gefühl, mich ständig verteidigen zu müssen,“ erzählt sie. „Mein Partner, meine Familie und Freunde haben das alles ertragen müssen und es tut mir für sie leid. Ein absoluter Dank gilt meiner Therapeutin von Bad Bachgart, die mir sehr geholfen hat. Ich habe meine Arbeit gekündigt und den Stress aus meinem Alltag rausgenommen. Ich schlafe jetzt viel besser. Ich wache zwar noch oft auf, aber ich schaffe es mittlerweile vier Stunden durchzuschlafen. Zwei Tage vor Bad Bachgart habe ich meinen letzten Schluck Alkohol getrunken, also genau vor einem Jahr. Das ist das Fundament für meine psychische Stabilität.“

Für das eigene Wohl kämpfen
Im Zentrum des Südtiroler Gesundheitsbetriebes Bad Bachgart, das der Psychologe Martin Fronthaler leitet, arbeitet man auch mit tiergestützten Therapien. So entdeckte Lisi ihre besondere Verbindung zu Pferden. Noch heute beschäftigt sie sich gerne in der Reitschule ihrer Heimatstadt Meran mit den Pferden.
„Ich war zwei Mal für 9 ½ Wochen in Bad Bachgart, einmal von September bis November 2022 und einmal von März bis Mai 2023. Es fühlt sich dort an wie in einem „Wunderwald“. Dort wird man unterstützt und gefördert und man lernt, sich selbst zu helfen. Man bekommt gezeigt, dass es andere Wege gibt, aber jede, jeder muss den Weg selbst gehen und für das eigene Wohl kämpfen. Meine Psychologin war mit großem Engagement und ihrem ganzen Herzen dabei, wofür ich ihr unendlich dankbar bin, aber man muss selbst dazu bereit sein, sich zu helfen. Auch draußen muss man damit weiter machen, mit der Unterstützung von Psychologen, Psychiatern und Selbsthilfegruppen. Ich hatte wirklich Glück, ich hatte eine Top-Betreuung und alle haben sich bemüht, dass es gut weitergeht. Es gibt auch eine Zusammenarbeit zwischen Bad Bachgart und den Psychologen draußen.“

Es braucht Mut, sich Hilfe zu suchen
Lisi fühlt sich heute viel freier im Vergleich zu früher: „Vor einem Jahr hätte ich mir nicht mal vorstellen können zum Psychologen zu gehen und jetzt habe ich sogar eine eigene Selbsthilfegruppe, die „Pinguin sein“ heißt, gegründet. Psychische Erkrankungen sind von der Gesellschaft noch nicht immer akzeptiert. Man bekommt oft zu hören ‚reiß dich doch zusammen‘, aber das ist zu wenig. Viele Menschen mit ähnlichen Problemen haben Angst davor, damit offen umzugehen. Sie schämen sich und haben das Gefühl, gescheitert zu sein. Man sollte sich aber Hilfe holen, denn es geht ja um das eigene Leben,“ erklärt sie. „Es kostet viel Überwindung die Reaktionen der anderen auszuhalten. Einige gehen einem sogar aus dem Weg, wenn sie erfahren, dass man Probleme hat - so ist unsere Gesellschaft leider noch. Deshalb gehört viel Mut dazu, sich zu sagen „es geht mir nicht gut“ anstatt alles auszuhalten und sich zu verschließen.“

Und Lisi verrät das Wichtigste, das sie in diesem letzten Jahr, das für sie tiefgreifende Veränderungen gebracht hat, gelernt hat: „Ich werde nie wieder jemanden verurteilen. Es gibt unglaublich schlimme Ereignisse, die manchen Menschen in ihrem Leben widerfahren sind. Bevor man jemanden anprangert, muss man sich fragen, was hat dieser Menschen durchmachen müssen, dass er so geworden ist.“

Wenn Sie sich in Schwierigkeiten befinden und Hilfe brauchen, finden Sie hier alle Informationen über Bad Bachgart.

RL/VS

Zum Newsarchiv
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.