Ikarus auf Vinschgerisch
Publiziert in 37 / 2012 - Erschienen am 17. Oktober 2012
Seit 25 Jahren gleiten und schweben Vinschger von Thermik zu Thermik. Die Jubiläumsfeier des Gleitschirmclubs Vinschgau fand in Schleis statt.
Schleis – 1982 stürmte der Stuttgarter Liedermacher Peter Schilling mit seinem Hit „Major Tom – Völlig losgelöst von der Erde“ die Charts, fünf Jahre später versuchten die Brüder Luis, Hubert und Franz Schuster vom Feldhof in Vetzan möglichst viele fürs völlig losgelöste Fliegen mit dem Gleitschirm zu begeistern. Damals startete man mit Vorliebe von St. Martin im Kofel aus, in der Gemeinde Latsch, um die Thermik am Sonnenberg auszunützen. Am 5. September 1987 war es dann soweit: Der Gleitschirmclub Vinschgau wurde gegründet; zum ersten Präsidenten wurde Hubert Schuster gewählt. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Hias Gemassmer aus Kortsch, Peter Grassl aus Laas, der vor kurzem verstorbene Physiotherapeut Ignaz Lechthaler und Ignaz Pirhofer aus Tarsch, der schon in den Pionierzeiten des Vereins mit dem Gleitschirm verunglückt ist. Da sich der Sitz des Vereins immer am Wohnort des jeweiligen Präsidenten befindet, ging es dem Gleitschirmclub Vinschgau wie mit dem Obstbau, er wanderte nach und nach in den Oberen Vinschgau.
Am Watles angekommen
Nach Hubert Schuster folgte sein Bruder Franz als Vorsitzender der fliegenden Vinschger. Von 1993 bis 1997 leitete Stefan Andres aus Laas den lockeren Verein. Dann folgte zwar mit Christian Messmer aus Tschirland ein Burggräfler, aber der verlegte seinen Wohnsitz nach Mals. 2007 hatte der Gleitschirmclub Vinschgau sogar schon das Oberland erreicht. Martin Stecher aus St. Valentin auf der Haide übernahm für vier Jahre den Vorsitz. Seit 2011 hält wieder Christian Messmer „die Stammleine“ in der Hand. Der Malser Skiberg Watles wurde zum Flugzentrum schlechthin und die Tourismustreibenden auf Prämajur wissen sehr genau, was die Gleitschirmfliegerei vom „schönsten Balkon des Vinschgaus“ auch wirtschaftlich bedeutet. Wirtschaftlich interessant war es dann auch für den Gleitschirmclub Vinschgau, der auf einer Wiese bei Schleis sein 25. Bestandsjahr feierte. Das Kaiserwetter verführte zuerst zu einem kühlen Bier und zur Weißwurst und schließlich zu einem spektakulären Tandem-Flug vom Pfaffensee bis zur „Punktlandung mit Hup-Ton“ an der Antonius-Kapelle bei Schleis.
Das Alter spielt keine Rolle
„Das Interesse an Tandemflügen war weit größer als erwartet. Einige der Passagiere waren derart begeistert, dass sie jetzt mit dem Gleitschirmfliegen beginnen möchten“, wird Präsident Messmer am Ende des Tages die gelungene Jubiläumsfeier zusammenfassen. Mit derselben Begeisterung, mit der er 1994 vom Tandemfliegen infiziert worden war, erzählte er von den Aktivitäten der 45 Mitglieder zwischen Marling und St. Valentin und vom Vinschgau-Cup mit verschiedenen Durchgängen im Streckenfliegen. Dazwischen begrüßte er Luis Alber aus Tartsch, der mit 214 Kilometern den Vereinsrekord im Dreieckfliegen hält, und Heli Klinec aus Nauders, der eben lässig mit dem 81-jährigen Etzel Winkler aus Naturns im Gurt eingeschwebt war. Natürlich wurde viel über Leichtschirm- oder Gurt-Entwicklungen gefachsimpelt. Höhepunkt der Feier sei „die atemberaubende Acro-Show“ zweier Dorf Tiroler „Piloten“ gewesen, berichtete Messmer. Dabei versteht man unter Acro-Flug eine Art Gleitschirm-Akrobatik mit Figuren, die den Atem stocken lassen. Die perfekte „Punktlandung mit Hup-Ton“ gelungen ist nur Manuel Telser (Schlanders), Alois Alber (Tartsch), Roland Patsch (Pfunds) und Fritz Ziernheld vom Hotel Watles. Derzeit oder noch immer scheint das Schweben wie Ikarus und Dädalus mit wenigen Ausnahmen eine männliche Angelegenheit zu sein. Die Frauen der Vinschger Gleitschirmflieger ziehen es vor, ihre tollkühnen Männer von unten zu bewundern.
Günther Schöpf
Günther Schöpf