Drei Vinschger Paralympics-Vorbilder (v.l.): Roland Ruepp, Claudia Schuler und Julius Lampacher.
Christoph Depaoli im Gespräch mit VSS-Vorstandsmitglied Thomas Tiefenbrunner.
Franz Gatscher
Magdalena Hofer
Moderator Andreas Leiter

Stärker als jedes Handicap 

Paralympische Vorbilder erzählen in Schlanders von Mut, Rückschlägen und großer Leidenschaft.

Publiziert in 22 / 2025 - Erschienen am 1. Dezember 2025

SCHLANDERS -  „No Limits“: So der Titel einer Veranstaltungsreihe des Alpenvereins Südtirol (AVS) und des Verbands der Sportvereine Südtirols (VSS) im November. Konkret ging es darum, zu zeigen, wie Sport helfen kann, Grenzen zu überwinden. Sportlerinnen und Sportler mit Handicap erzählten dabei ihre persönliche Geschichte. Die Veranstaltung machte auch in der BASIS in Schlanders Halt, wo zwei Vinschger Lokalmatadore natürlich nicht fehlen durften: der Schludernser Roland Ruepp und die Plauserin Claudia Schuler. Sie diskutierten gemeinsam mit Franz Gatscher, Magdalena Hofer und Christoph Depaoli sowie den Moderatoren Andreas Leiter (AVS) und Thomas Tiefenbrunner (VSS). 

Im Sport das Ventil gefunden

„Der Sport ist und bleibt meine wichtigste Therapie“, unterstrich Claudia Schuler. Die Tochter von Landtagspräsident Arnold Schuler und dessen Ehefrau Maria Alma war wenige Monate alt, als sie durch einen Ärztefehler querschnittsgelähmt wurde. Mit 7 Jahren bekam sie ihr erstes angepasstes Rad, mit 14 begann sie mit dem Handbike-Training. 2005 bestritt sie ihre erste richtige Saison, ab 2009 war sie Teil der Nationalmannschaft. „Im Sport habe ich mein Ventil gefunden, ich habe gesehen, dass ich gut darin bin“, blickte die heute 36-Jährige zurück. Schuler wurde zu einer Ikone des Südtiroler Behindertensports und feierte zahlreiche internationale Erfolge. 2013 entschied sie in Marling den Heimweltcup für sich und gewann das Paracycling-Zeitfahren über 5,6 Kilometer. 2012 nahm sie an den Paralympischen Spielen in London teil. „Es war ein großartiges Erlebnis“, so Schuler. Als 2016 die Qualifikation für Rio nicht gelang, fasste sie den Entschluss, ihre Karriere zu beenden. „Ich hatte alles auf eine Karte gesetzt, Trainer gewechselt, das Trainingspensum extrem erhöht. Ich habe aber wohl auch einiges falsch gemacht. Nichts ging in den Wettkämpfen mehr, ich verstand die Welt nicht mehr.“ Die verpasste Qualifikation stürzte sie „in ein Loch“. Sie stellte das Rad zur Seite. „Es fühlte sich an wie ein Ex-Freund, für den man noch Gefühle hat, den man aber nicht mehr sehen will.“ Sie übernahm schließlich die Rezeption der elterlichen Ferienwohnungen. „Im Betrieb habe ich meine Erfüllung gefunden“, erklärte sie. Nach und nach fand sie auch die Freude am Sport wieder. Zum Rad habe sie zwar eine „komplizierte Beziehung“, doch Sport sei weiterhin ein zentraler Lebensinhalt. Auch mit dem E-Bike ist sie wieder viel unterwegs. „Und überholt werde ich nach wie vor nicht gerne“, lachte sie. Detail am Rande: Zum Hochleistungssport kam Schuler durch die Sportgruppe für Körperbehinderte und durch Roland Ruepp, der sie 2004 zu ihrem ersten Rennen nach Cles mitgenommen hatte.

Roland Ruepp: Ein paralympisches Vorbild

Ruepp, der seit einem Bergunfall 1990 auf den Rollstuhl angewiesen ist, war sechsmal bei Paralympics am Start – einmal im Sommer und fünfmal im Winter. Im Skilanglauf, im Biathlon und mit dem Handbike feierte er zahlreiche Erfolge, darunter zwei Paralympics-Goldmedaillen (2002 in Salt Lake City) und eine Silbermedaille im Langlauf (1998 in Nagano) sowie eine Bronzemedaille im Biathlon (2002). Seine paralympischen Erfolge wurden kürzlich auch auf einer Stele in Schluderns verewigt (siehe Seite 58). 2006 war Ruepp beim damaligen Staatspräsidenten Carlo Azeglio Ciampi zu Gast, um ihm das Logo der Paralympischen Winterspiele von Turin zu überreichen. An den „Heimspielen“ selbst konnte er verletzungsbedingt nicht teilnehmen. Sein letzter Paralympics-Einsatz war 2014, damals 49-jährig. Danach beendete er seine internationale Karriere. Doch noch heute ist der 60-Jährige oft mit dem Handbike unterwegs. „Rennmäßig fahre ich aber nichts mehr, außer zum Spaß den Reschenseelauf. Das ist immer ein Pflichttermin“, betonte er. Sein Schicksal habe er nach dem Unfall schnell akzeptiert. „In der Reha in Innsbruck hieß es, weiter als ein paar hundert Meter mit Krücken werde ich nicht mehr gehen können“, erinnert er sich. Sportlich sei er immer gewesen – die Leidenschaft für paralympische Disziplinen fand er rasch.

Vieles hat sich getan 

Auch die Pustererin Magdalena Hofer und der Bozner Franz Gatscher, beide sehbehindert, sowie der Kalterer Para-Eishockeyspieler Christoph Depaoli erzählten im Rahmen des Vortragsabends ihre Geschichten. Multitalent Gatscher (Jahrgang 1964) war in der Leichtathletik, als Judoka und als Langläufer aktiv. Er nahm an mehreren paralympischen Sommer- wie Winterspielen teil und erinnerte sich an die enorme Entwicklung des paralympischen Sports in Südtirol. Als er 1984 erstmals bei den Paralympics in New York war, sei Südtirol noch „auf Schulsportniveau“ gewesen. Heute sei vieles professioneller geworden. Gatscher spielt weiterhin Goalball mit der Blinden- und Sehbehindertenamateursportgruppe (BSSG), einem der besten Teams Italiens. Auch Magdalena Hofer gehört diesem Team bzw. der italienischen Damen-Nationalmannschaft an. Beim Goalball – einer Art Handball für Menschen mit Seheinschränkung – werden die Augen vollständig verbunden. Christoph Depaoli aus Kaltern, seit seiner Geburt im Rollstuhl, sprach über Para Ice Hockey. Mit Italiens Nationalteam gewann er im September bei der B-WM in Kasachstan Gold und schaffte den Aufstieg in die A-Gruppe. Auf die paralympischen Heimspiele in Mailand/Cortina 2026 freut er sich besonders. „Wenn alles gut geht, können wir um die Medaillen mitspielen. Es wird nicht einfach, aber wir können träumen“, sagte er.

Ein bekanntes Gesicht im Publikum

Unter den Zuhörenden befand sich ein weiteres bekanntes Gesicht des Südtiroler Behindertensports: der Latscher Julius Lampacher. Als Para-Tischtennisspieler nahm er 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney an den Paralympics teil. Von 1987 bis 2014 war er als Hochleistungssportler aktiv, 1998 gewann er WM-Bronze in Paris – sein größter Erfolg. Rund 30 Jahre lang war er Teil der italienischen Nationalmannschaft. Heute spielt er wieder für den Bozner Verein ASV TT Südtirol Tischtennis, fungiert vor allem als Sparringspartner für junge Athletinnen und Athleten, bestreitet aber auch die Mannschaftsmeisterschaft in der zweiten italienischen Liga. 

Michael Andres
Michael Andres

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.