πάντα ῥεῖ
Publiziert in 39 / 2012 - Erschienen am 31. Oktober 2012
Ob in der Werbung, in den Medien oder im Alltag: Der Einfluss der englischen Sprache wird immer stärker. Ein Handzettel ist ein Flyer, eine Lichtbilderschau eine Multivisonsshow und ein gemeinsames Glasl nach Feierabend wird zur Happy Hour. Bei so viel Anglizismus mag man uns einen kleinen Griechizismus nachsehen, schließlich liegt der kulturelle Ursprung Europas dort, wo einst der Philosoph Heraklit den bekannten Satz πάντα ῥεῖ („Alles fließt“) von sich gab. Am Kirchplatz in Tschengls sind diese zwei Wörter - in Stein gemeißelt - an einem Brunnen nachzulesen. Die Wörter erinnern an das Vergängliche. Alles fließt und vergeht. Auch das Leben. Zu Allerheiligen und Allerseelen besuchen wir die Friedhöfe und Gräber. Wir erinnern uns an die Lieben, die nicht mehr unter uns sind. Und wir denken auch daran, dass wir ihnen irgendwann werden nachfolgen müssen. Aber es ist besser, den Gedanken an diesen „Gesellen“ wieder rasch zu verdrängen und uns lieber dem Leben zuzuwenden. „Ich kenne hier im Friedhof mehr Menschen als auf der Straße,“ sagte mir unlängst ein älterer Mann. Ältere Menschen beschäftigen sich zwangsläufig mit dem obgenannten „Gesellen.“ Die Todesanzeigen sind das Erste, was sie in der Zeitung suchen: Jetzt ist auch er gestorben, dabei war er um einiges jünger. Dann wird wieder versucht, den „Gesellen“ zu vergessen, so gut es eben geht. Nur für wenige ist der Tod das, was er für Franz von Assisi war: ein Bruder.
redaktion@dervinschger.it
Josef Laner