Gestörter Rhythmus

Publiziert in 22 / 2025 - Erschienen am 1. Dezember 2025

Eine Schneeschaufel brauchte es in tieferen Lagen zwar noch nicht, aber angekündigt hat er sich am 20. November auch in der Talsohle, der Schnee. Die ersten Flocken haben immer etwas Magisches an sich. Wenn man zu ihnen aufschaut, gerät man irgendwie ins Schweben. Der Schee fällt und uns zieht er in die „Höhe“. Weg vom Boden, weg von der Arbeit, weg vom Alltag. Auch wenn er nur Sekunden dauert, wirkt der „Flug“ befreiend. Auch immer etwas Friedliches, Stilles und Beruhigendes hat der erste Schneefall an sich. Wir werden wieder ein bisschen wie die Kinder, wir kommen ins Staunen, ins Schweigen, ins Träumen. Wir fühlen uns der Natur etwas näher. Wir spüren, dass wir ein Teil von ihr sind. Alles von uns „Gemachte“ verschwindet unter der weißen Decke und rückt für kurze Zeit in den Hintergrund: Häuser, Straßen, Autos. Lange aber dauert es in der Regel nicht, bis wir wieder erwachen und auf uns und das von uns „Gemachte“ zurückfallen: Auf den Schneematsch auf Gehsteigen, auf Schneeketten und auf Räumfahrzeuge, die scheinbar immer und überall zu spät kommen. Der Zauber des ersten Schnees schwindet meistens schnell. Zu schnell. Schuld daran ist aber nicht der Schnee. Die Flocken fallen seit jeher immer gleich schnell oder langsam vom Himmel. Es ist unser Rhythmus, der sich verändert hat. Wir finden für nichts und niemanden mehr genug von dem, was die Natur im Überfluss hat: Zeit.

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Josef Laner
Josef Laner

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