Bruder Tod?

Publiziert in 20 / 2025 - Erschienen am 4. November 2025

Kerzen, Gebet, schweigendes Beisammensein vor den Gräbern. Zu Allerheiligen und Allerseelen wird die „Mauer“ zwischen Leben und Tod besonders sichtbar. „Mauer“ ist sicher nicht das richtige Wort für das, was der hl. Franziskus im Sonnengesang als „Bruder“ (im Italienischen „Schwester“) ansprach, nämlich den Tod. Für viele ist er ein Übergang: Nur der Körper stirbt, nicht aber die Seele und die Hoffnung auf ein Wiedersehen. An Grabinschriften ist oft zu lesen, dass die Liebe stärker ist als der Tod und dass die Verstorbenen in den Herzen ihrer Lieben weiterleben. „Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren“, sagte zum Beispiel Johann Wolfgang v. Goethe. Das Wort Liebe fehlt in solchen und ähnlichen Zitaten fast nie. Alles auf dieser Welt ist ein Kommen und Gehen, ein Blühen und Verwelken. Was heute ist, kann morgen nicht mehr sein. In allen Völkern, Kulturen und Religionen gibt es Rituale und Bräuche im Umgang mit dem Tod, der Verabschiedung und dem Gedenken an die Verstorbenen. Ein bestimmtes Schaudern überkommt mich immer, wenn ich an Gefallenen-Denkmälern, wie sie auch bei uns in fast allen Dörfern stehen, lange Namenslisten von Männern sehe, die in jungen Jahren in Kriegen gefallen sind oder bis heute als vermisst gelten. In Kriegen - und nicht nur - ist der Tod kein „Bruder“, er ist menschengemacht und das bis zum heutigen Tag.

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Josef Laner
Josef Laner

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