120 Lire als Tageslohn
Publiziert in 3 / 2017 - Erschienen am 1. Februar 2017
Stilfs/Rabland - Die so genannte Feuernacht im Juni 1961 bildete den Höhepunkt der Anschläge des Befreiungsausschusses Südtirol. „Die Bombenjahre waren der Grund dafür, warum in den 60er Jahren viele Südtiroler dazu verpflichtet wurden, den Militärdienst im Süden Italiens zu leisten, vor allem auch auf der Insel Sizilien“, erinnert sich der aus Tschengls gebürtige und in Stilfs
lebende Oskar Tarneller. Er musste am 1. August 1964 zusammen mit weiteren Vinschgern und Gleichaltrigen aus anderen Teilen Südtirols einrücken. Schlechte Erinnerungen an seine 15-monatige Wehrdienstzeit in Trapani und später in
Messina hat er aber keine: „Wir waren bei der Regimentsmusik und es ging uns immer gut. Wir hatten es eigentlich immer schön,“ erinnert sich Oskar Tarneller, geboren am 11. Februar 1944. Die Gelegenheit, ihre Erinnerungen an die Zeit in Sizilien aufzufrischen und auszutauschen, hatten er und weitere Militärkameraden im Oktober 2016. Es war Leo Lechner aus Laas, der alle jene noch lebenden Männer zu einem Treffen eingeladen hatte, die 1964 und 1965 ihren Wehrdienst in Sizilien geleistet hatten. Nicht weniger als 17 Männer trafen sich, teilweise zusammen mit ihren Ehefrauen, beim „Hanswirt“ in Rabland, um die guten alten Zeiten aufleben zu lassen und die Eisenbahnwelt in Rabland zu besichtigen. Ein erstes Kameradentreffen hatte es 20 Jahre nach der Wehrdienstzeit (1964/65) gegeben. „Als wir 1964 in unserer Kaserne in Trapani eintrafen, waren dort insgesamt 49 Südtiroler stationiert“, erinnert sich Oskar Tarneller. Rund drei Viertel aller Wehrdienstleistenden dürften Südtiroler gewesen sein. Schon allein die Reise nach Sizilien war ein Abenteuer. Oskar Tarneller: „Wir starteten am 1. August 1964 am Bahnhof in Eyrs. Auch Hubert Paulmichl aus Sulden und Alois Ebensberger aus Burgeis stiegen zu. In Latsch kamen Meinhard und Franz dazu.“ Meinhard hatte eine kleine, selbstgemachte Holzkiste dabei. Zumal der Zug in Richtung Bologna überfüllt war, platzierte Meinhard seine Kiste im Durchgang zwischen 2 Eisenbahnwagen, sodass die Rekruten abwechselnd darauf sitzen konnten. Am nächsten Tag gelangten die Vinschger zusammen mit vielen weiteren Südtirolern nach Kalabrien. In Villa San Giovanni ging es mit dem Schiff bis nach Messina, mit dem Zug weiter bis Palermo und schließlich mit einem weiteren Zug, der laut Oskar Tarneller fast genau so aussah wie die alte Littorina im Vinschgau, bis nach Trapani. Am 3. August war das Ziel erreicht. In der Kaserne wurden die Wehr-
pflichtigen gefragt, welches Instrument sie spielen möchten. Oskar entschied sich für ein Flügelhorn. Nach etwas mehr als einem Monat entschloss er sich, für damals 70.000 Lire eine Trompete mit der dazugehörigen Kiste zu kaufen. Diese Trompete hat er heute noch. Oskar war bereits vor dem Wehrdienst Mitglied bei der Musikkapelle Tschengls: „Ich war damals Maurerlehrling in Mals und fuhr immer mit dem Fahrrad zu den Proben nach Tschengls.“ Im Anschluss an den Aufenthalt in Trapani kamen Oskar und viele weitere Südtiroler nach Messina. Die Mitglieder der Regimentsmusikkapelle hatten viele Auftritte in ganz Sizilien. Oskar: „Wir lernten viele Städte und Orte kennen und hatten ein schönes Leben.“ Rund zwei Monate lang war er zusammen mit weiteren Kameraden in einem Militärspital in Messina im Einsatz. Alles eher als groß war der damalige Verdienst: „Wir bekamen 120 Lire pro Tag. Das entsprach dem Wert einer Packung Zigaretten der Marke Nazionale.“ Zum ersten Mal heimgekommen ist Oskar Tarneller zu Weihnachten 1964. Den 12-tägigen „Jahresurlaub“ bekam er zu Ostern 1965. Es gibt viele Dinge und Begebenheiten, an die sich Oskar noch sehr gut erinnert: „Einmal mussten wir auf einem Feld Steine einsammeln. Angrenzend an das Feld standen Orangen- und Mandarinenbäume und wir haben einige Früchte verzehrt.“ Am Tag darauf stand ein Bauer vor ihnen. Er trug ein Gewehr und fragte, ob sie auch am Vortag dort gewesen seien. Die „braven“ Soldaten meinten: „Nein, gestern waren andere hier.“ Die Orangen und Mandarinen jedenfalls hatten fortan ihre Ruhe. Zusätzlich zum italienischen Vaterunser wurde jeden Abend auch ein Marienlied gesungen. Oskar hat bis heute kein einziges Wort davon vergessen.
Josef Laner