Im Bild (v.l.): Brigitta Willeit, Primar Martin Steinkasserer, Sarah Bernardi, Landesrat Hubert Messner, Gynäkologe Heinrich Stecher, Primar Kurt Habicher und Josef Bernhart (KVW).

Schluss mit dem Tabu

Zeit für Klarheit bei Endometriose

Publiziert in 23 / 2025 - Erschienen am 16. Dezember 2025

Schlanders - Im Rahmen der Vortragsreihe „Ein Herz für die Peripherie“ lud der KVW kürzlich zu einer Veranstaltung ein, die ein Thema in den Mittelpunkt stellte, über das noch immer zu wenig gesprochen wird: Endometriose. Organisiert wurde der Abend in Zusammenarbeit mit dem KFS Vinschgau, der Selbsthilfegruppe Endometriose, dem Frauenbüro, Athesia sowie dem Bildungsausschuss Schlanders. Die Moderation übernahm Josef Bernhart vom KVW, der mit viel Feingefühl und auch Humor durch den Abend führte. Zentraler Programmpunkt war die Buchvorstellung von „Endometriose-Sprechstunde“ von Martin Steinkasserer und Brigitta Willeit. Das Buch beleuchtet Symptome, Therapieansätze und gibt Betroffenen mit persönlichen Erfahrungsberichten eine Stimme. Martin Steinkasserer, Primar der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe am Krankenhaus Bozen, und Brigitta Willeit sprachen offen über eine Erkrankung, die in Südtirol rund 20.000 Frauen betrifft – mindestens die Hälfte davon leidet unter schweren Symptomen. 

Was ist Endometriose? 

Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der gebärmutterähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst. Sie kann starke Schmerzen, Entzündungen, Zyklusstörungen und Fruchtbarkeitsprobleme verursachen und einen enormen Leidensdruck auslösen. Viele Frauen isolieren sich mit ihren Schmerzen, stoßen an die Grenzen ihrer
Belastbarkeit und erleben nicht nur körperliche, sondern auch massive soziale Einschränkungen. Arbeitsausfälle sind häufig, Care-Arbeit oft kaum mehr leistbar. Freundschaften, Partnerschaften und nicht zuletzt der Kinderwunsch werden durch die chronische Erkrankung stark beeinflusst. Deutlich wurde: Endometriose ist kein reines Frauenthema, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft. Ein zentrales Problem ist die lange Zeit bis zur Diagnose. Oft vergehen bis zu zehn Jahre, bis Betroffene ernst genommen und richtig behandelt werden. Viele Frauen berichten davon, dass ihre Schmerzen bagatellisiert oder als „normal“ abgetan werden. „Sätze wie ‚Stell dich nicht so an‘ oder ‚Menstruationsschmerzen sind halt normal‘ führen dazu, dass Frauen beginnen, an sich selbst zu zweifeln“, erklärte Steinkasserer. Er sprach auch den bestehenden Gender-Medizin-Gap an: Endometriose sei selbst innerhalb der Medizin noch zu wenig bekannt, Betroffene würden häufig nicht ernst genommen. Dass sich hier etwas ändern muss – und bereits tut –, betonte Landesrat Hubert Messner in seinen Grußworten. Das Kompetenzzentrum Endometriose in Bozen sei sehr gut aufgestellt. Ziel sei es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit im ganzen Land zu stärken. Vom Pustertal bis in den Vinschgau. „Wir brauchen Expertinnen und Experten mit Verständnis und Empathie“, so Messner. Neben medizinischen Strukturen seien Selbsthilfegruppen und Öffentlichkeitsarbeit entscheidend, um das Tabu zu brechen und eine adäquate Behandlung zu ermöglichen.

Sarah Bernardi über ihren Leidensweg

Besonders berührend war der Beitrag von Sarah Bernardi, die als Betroffene ihre persönliche Leidensgeschichte schilderte. Bereits als Teenager begannen ihre Beschwerden, die sie bis heute begleiten. Sie zeigte sich dankbar, mit Steinkasserer einen Arzt gefunden zu haben, der sie ernst nimmt und die Therapie gemeinsam mit ihr immer wieder neu anpasst. „Endometriose verändert sich im Laufe des Lebens. Es reicht nicht, einmal zum Arzt zu gehen“, betonte Bernardi. Steinkasserer ergänzte: „Eine Endometriose-Patientin braucht von der Pubertät bis zur Menopause Betreuung – das macht die Erkrankung so komplex.“

Mehr Augenmerk auf Diagnose und Therapie

Abschließend wurde noch einmal deutlich gemacht: Endometriose ist eine chronische Erkrankung, die das Leben der betroffenen Frauen enorm einschränken kann. Es muss daher viel mehr Augenmerk auf die Diagnose und Therapie gelegt, und die Betroffenen ernst genommen werden. Ein Thema, das nicht nur Frauen, sondern die gesamte Gesellschaft betrifft. Der Abend setzte ein klares Zeichen: Es ist Zeit für Aufklärung, Verständnis und Solidarität. Und dafür, Endometriose aus der Tabuzone zu holen.

Elisabeth Tappeiner

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