25 Jahre „offene Grenze“
„Unsere Zukunft liegt im Europa der Regionen, in der Europaregion Tirol“
Reschen - Vor 25 Jahren wurden die Kontrollen auch an den Grenzen zu Österreich abgeschafft. Das schon im Jahr 1985 von 5 europäischen Staaten unterzeichnete „Schengener Abkommen“ über den freien Personenverkehr in Europa ist endlich auch mit Österreich in Kraft getreten. Lange Kolonnen vor den Grenzbalken, Beamte, die die Autos oft genauestens untersuchten, Personenkontrollen und Befragungen, von wo man komme und wohin man wolle, waren vom einem Tag auf den anderen plötzlich weg. Am Brenner haben vor 25 Jahren die Landeshauptleute von Süd- und Nordtirol, Luis Durnwalder und Wendelin Weingartner, zusammen mit dem italienischen Innenminister Giorgio Napolitano und seinem österreichischen Amtskollegen Karl Schlögl den Grenzbalken entfernt, am Reschen waren es der Grauner Bürgermeister Albrecht Plangger, sein Amtskollege Hermann Klapeer aus Nauders, der damalige Bezirkshauptmann in Landeck, Erwin Koler, und der Chef der Vinschger Carabinieri, Alessandro Zarantonello. Groß aufgespielt zum historischen Anlass haben die vereinten Musikkapellen von Nauders und Reschen, die damals mit Hermann Dilitz denselben Kapellmeister hatten. Der Kraftakt für die wahrhaft „historische“ Grenzbalken-Anhebung stand dem damaligen Chef der Grenz-Carabinieri am Reschen, Renato Canevarolo, zu. „Es war ein großes, spontanes Fest und es wurde die ganze Nacht durchgefeiert“, erinnern sich der frühere Bürgermeister und damalige Zollchef Albrecht Plangger und sein Zoll-Vizechef Thomas Santer. Plangger hat schon in den Tagen darauf die Bagger auffahren lassen, um alle sichtbaren Zeichen der Grenzkontrollen wie etwa Kontrollkabinen und Überdachungen, ein für alle Mal zu beseitigen. Darauf sei man am Reschen ganz besonders stolz gewesen, weil die Kontrollkabinen am Brenner und in Winnebach noch über Jahre dahin gerostet sind.
Ist das wohl kein April-Scherz?
Gar einige haben beim 25-Jahr-Jubiläum, das auf eine spontane Initiative von Personen rund um Hermann Klapeer und Albrecht Plangger in die Wege geleitet worden war, zuerst an einen Aprilscherz gedacht und sich vorher telefonisch „abgesichert“, bevor sie am vergangenen 1. April an die Grenze kamen, um „unter Freunden“ diesen ganz besonderen historischen Tag zu feiern. Gekommen ist ein nettes Grüppchen von Leuten, die schon vor 25 Jahren mit dabei gewesen waren, vor allem ehemalige Gemeinderäte, Ex-Carabinieri, Ex-Finanzbeamte und italienische und österreichische Zöllner und Speditionsmitarbeiter. Auch der frühere Bürgermeister Heinrich Noggler und der amtierende Bürgermeister Franz Prieth sind erschienen, eine Vertretung der Vinschger Alpini und sogar der oberste Polizeichef aus dem Engadin. Große Reden wurden nicht geschwungen. Hermann Klapeer erinnerte mit Genugtuung an die positiven Seiten dieser Grenzöffnung. Die Grenze sei durchlässig geworden und habe die Europaregion Tirol und viele kulturelle und touristische Projekte wie den Skipass zwischen Nauders, Schöneben und der Haider Alm über die Grenze hinweg wachsen lassen. Plangger erinnerte an den raschen Abriss aller Kontrollstrukturen, aber auch an die Corona-Zeit, während der die Grenze plötzlich wieder da war und man nicht mehr nach Nauders oder Landeck fahren durfte, auch nicht einmal zur Tankstelle an der Grenze. Nur nach einigen politischen Interventionen durften die Rescher Bauern wieder den Mist auf die Nauderer Wiesen bringen. Hubert Joos, der ehemalige Polizeichef in Mals (die Carabinieri versahen den Kontrolldienst am Reschen lediglich im Auftrag der Grenzpolizei in Mals), und Renato Canevarolo erzählten wie es früher an der Grenze war, wie der Dienst abgewickelt wurde und wie man den „Fall des Schlagbaumes“ vor 25 Jahren erlebte. Die Menschen in Europa sind zusammengerückt, ebenso die Bevölkerung des Vinschgaus und Oberen Gerichts, aber ganz besonders aber die Menschen der Gemeinden Graun und Nauders. „Unsere Zukunft liegt im Europa der Regionen, in der Europaregion Tirol“, sagte ein Teilnehmer. Das war für alle ein triftiger Grund, bei Weißwein und einer Wurst von Gabriele, Philipp und Erasmo an das historische Ereignis zu erinnern. Die Zeiten sind besser geworden. Verschwunden sind nach der Grenzöffnung beide Grenzbalken. Albrecht Plangger vermutet sie irgendwo in einer Scheune. Die Balken sollten aber unbedingt „museal“ ausgestellt sein, „da sie mit unserer Geschichte enorm viel zu tun haben.“ Er hofft, dass die Grenzbalken noch auffindbar sind.