Abfuhr für Impfgegner und Corona-Leugner
Zwei Experten referierten in Naturns – und fanden deutliche Worte.
NATURNS - Er ist nicht nach Naturns gekommen, um Lockdowns zu verteidigen oder den Menschen die Impfung aufzudrängen. Nein, Filmemacher Andrea Pizzini ist ins Jugendzentrum gekommen, um den Menschen die Wahrheit zu erzählen bzw. zu zeigen. „Und die ist deutlich“, betonte er. Der in Salurn aufgewachsene Pizzini arbeitet als Dokumentarfilmer und berichtet mit seinem Projekt „Wellenbrecher“ aus der Intensivstation in Bozen. Fotos, Interviews und kurze Videos wurden immer wieder in den Medien gezeigt.
Die Botschaft: So schlimm ist die Corona-Situation wirklich. Denn: Stur wie der Schädel so mancher Südtiroler ist, wird ausschließlich jenen Dingen, die man zu sehen bekommt, Glauben geschenkt. Aber nicht einmal dies reicht immer. „Ich wurde immer wieder im Internet beleidigt, diffamiert und attackiert“, berichtete Pizzini. Impfgegner, Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker sind es, die seit jeher durch Verbreitung von Falschmeldungen glänzen.
Auch aufgrund solcher Personen habe der 43-jährige Filmemacher beschlossen, die schlimme Situation auf den Covid-Intensivstationen aufzuzeigen. „Eine Krankenpflegerin wurde in Social Media immer wieder attackiert und der Lügen bezichtigt. Da habe ich vorgeschlagen, einige Fotos von der Intensivstation zu machen, um den Leuten zu zeigen, wie schrecklich es dort wirklich ist“, erzählte Pizzini über die Anfänge des Projekts. Dies war im Herbst 2020. Von da an war er regelmäßiger Gast auf der Intensivstation. „Tage und Nächte verbrachte ich mit Covid-Patienten und Intensivpflegern. Sie sollten ihre Geschichten erzählen“.
Es hat Kraft gekostet
Das Filmen auf den Intensivstationen habe Kraft gekostet. Vor allem aber habe es Kraft gekostet, die Attacken im Internet zu lesen. Nachdem sich der Filmemacher im Sommer eine Auszeit gönnte und sich die Covid-Situation beruhigt hatte, kehrte er im Herbst zurück. „Es ist extrem, was wir hier derzeit wieder erleben“, betonte er. Eine massive 4. Welle sei es noch nicht. Aber: Es sei eine Welle der Ungeimpften. „Glauben Sie mir, der Sanitätsbetrieb lügt nicht“, brachte es Pizzini auf den Punkt. So seien zuletzt bzw. derzeit fast ausschließlich Ungeimpfte auf den Intensivstationen sowie auf den Normalstationen. Bei vielen Intensivpatienten handle es sich um junge Menschen, auch unter 30-Jährige seien darunter. „Selbst wenn es die meisten jungen Patienten überleben, so tragen sie vermutlich für den Rest ihres Lebens Schäden davon. Was die auf der Intensivstation durchmachen, das ist brutal“. Schmerzen, Atemnot und Intubationen sind dort an der Tagesordnung. Viele ältere Patienten, wie über 80-Jährige, kamen und kommen erst gar nicht auf die Intensivstation. So gebe es intensivmedizinische Behandlung meist nur für Patienten, die es „schaffen“ können.
„Pflegerinnen und Pfleger haben teils Unglaubliches geleistet. Mit 12-Stunden-Diensten war es meist nicht getan“, erinnerte Pizzini. Vor allem für diese seien die Impfgegner ein Schlag ins Gesicht. Sie seien „stuff“. Ob man nun die fast ausschließlich ungeimpften Personen auf der Intensivstation dennoch mit so großem Einsatz und Empathie behandeln könne? „Ja. Denn es zählt schlussendlich der Mensch“, berichtete Pizzini. Auch wenn es manchmal schwer falle. Zu hoffen bleibe, dass diese nicht erst auf den Intensivstationen zur Einsicht kommen. „Denn dann ist es oft zu spät“.
Das sagt der Gemeindearzt
Klare Worte fand auch Gerhard Kainz, Gemeindearzt in Naturns. Er klärte über die Impfung auf. Kainz, der davor an der Pneumologie im Bozner Krankenhaus gearbeitet hatte, war vor seiner Zeit in Naturns selbst als Arzt auf der Intensivstation tätig. „Es hat uns extrem getroffen. Es war eine Katastrophe“, blickte er zurück. Die Bilder von Pizzini nochmals zu sehen, dies habe ihn bewegt. Corona-Leugner seien eine „Watschn“ für Mitarbeiter in der Sanität – und alle anderen. Lockdowns seien teils nötig gewesen, um das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. „Man war mit Covid ausgelastet, hätte es da noch zig Unfälle und dergleichen gegeben, hätte man wohl nicht immer eine rechtzeitige Behandlung garantieren können“, so der Arzt.
Im Kampf gegen die Pandemie sei die Impfung das sinnvollste Mittel. Den Kritikpunkt den so mancher Impfkritiker immer wieder bringe, dass in Sachen Coronavirus-Impfung „alles zu schnell“ ging, entkräftete Dr. Kainz mit der Tatsache, dass hierbei ein derart großes Forschungsinteresse vorhanden sei und Geld keine Rolle spielt. Firmen, Staaten, alle seien daran interessiert, dass die Pandemie schnell besiegt wird und die Wirtschaft läuft. „Ein unglaublich wertvolles Projekt“, lobte der Naturnser Bürgermeister Zeno Christanell den Filmemacher Pizzini. Es sei zu hoffen, „dass es viele erreicht“. Pizzini wolle aus dem vielen Filmmaterial einen ausführlichen Dokumentarfilm realisieren. „Das soll mein Lebenswerk werden“, so der 43-Jährige, der mehrere Jahre in Belgien lebte und vor eineinhalb Jahren wieder zurück nach Südtirol kam. Heute wohnt Pizzini mit seiner Familie in Meran.